Matthias Barkhausen: „Führungskräfteentwicklung ist auch immer Persönlichkeitsentwicklung“

31 März, 2022 - 10:00
Miriam Mirza
Experte im Gespräch: Mattthias Barkhausen
Als Psychologe, Coach und Trainer begleitet Matthias Barkhausen Führungskräfte im Gesundheits- und Sozialwesen, insbesondere Chef- und Oberärzte, Teamleitungen aller Fachbereiche, Pflege- und Verwaltungsdirektoren sowie Geschäftsführer.

Matthias Barkhausen coacht Führungskräfte im Krankenhaus. Seiner Meinung nach sollten Ärztinnen und Ärzte auf Führungspositionen vorbereitet werden. Schließlich brauchen sie dafür neue Kompetenzen, die über fachliches Wissen hinausgehen.

Herr Barkhausen, was zeichnet eine gute Führungskraft im Krankenhaus aus?

Matthias Barkhausen: Sie muss das können, was Führungskräfte allgemein können sollten. Im Englischen unterscheidet man zwischen „Management“ und „Leadership“. Das Management beschreibt die Kenntnisse, die man braucht, um die Organisation zu führen sowie Strukturen und Prozesse einzurichten. Unter dem Wort „Leadership“ fasst man die Führungskompetenz zusammen, also die Fähigkeit, Menschen zu beeinflussen, zu begeistern und bei Veränderungsprozessen mitzunehmen. Beide Aspekte müssen gelernt werden.

Aber gibt es Besonderheiten, die für den Krankenhausbereich gelten?

Matthias Barkhausen: Krankenhäuser sind hoch arbeitsteilige Systeme, die nur funktionieren, weil unterschiedliche Berufsgruppen und Experten miteinander zusammenarbeiten. Deswegen gehört zur Führungsarbeit im Krankenhaus auch die Organisation der Zusammenarbeit innerhalb und zwischen den verschiedenen Berufsgruppen. Kliniken sind noch sehr in den drei Säulen „Pflege“, „Medizin“ und „Verwaltung“ verhaftet. Die Organisation „Krankenhaus“ mit den drei stark voneinander abgegrenzten Säulen und hierarchischen Strukturen ist organisationspsychologisch ein Dinosaurier. Die Menschen sehnen sich aber nach anderen Formen der Zusammenarbeit, die um die Patienten organisiert und weniger hierarchisch ist. Daran müssen Führungskräfte der Gegenwart und Zukunft arbeiten.

29.03.2024, klinik Werk.
29.03.2024, Clienia Littenheid AG
Sirnach

Sie sagten es gerade, Krankenhäuser sind konservativ und nicht die schnellsten, wenn es darum geht, Veränderungen einzuführen. Sieht man denn auf der Leitungsebene die Notwendigkeit, den Mitarbeitenden die von Ihnen genannten Kompetenzen mitzugeben?

Matthias Barkhausen: Die Kliniken haben definitiv Aufholbedarf, aber es gibt auch Veränderungen. Dies geschieht einerseits von „top down“ – es setzen sich also immer mehr Geschäftsführer und -führerinnen mit dem Thema auseinander und wollen entsprechende Veränderungen. Das ist auch notwendig, denn der Fachkräftemangel im medizinischen und pflegerischen Bereich zwingt diese dazu, sich Gedanken zu machen, Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die Kliniken als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden. Es gibt andererseits aber auch eine „botton-up“-Bewegung. Ich erlebe, dass beispielsweise junge Ärztinnen und Ärzten viel offener überlegen, ob man die herkömmliche, hierarchische Art der Arbeit aus der Vergangenheit so weiterführen muss und welche Alternativen es gäbe.

Was können Krankenhäuser denn tun, um Führungskräfte zu unterstützen?

Matthias Barkhausen: Es ist wichtig, überhaupt einmal deutlich zu machen, dass der Schritt in eine Führungsposition einer weiteren Qualifizierung bedarf. In der Pflege ist das anders, hier gibt es bereits Pflegemanagement-Studiengänge und dergleichen. Weil es auch im medizinischen Bereich einen Fachkräftemangel gibt, ist der Weg zum Oberarzt oder zur Oberärztin fast vorgezeichnet. Das ist jedoch ein deutlicher Sprung in Bezug auf die beruflichen Anforderungen. In der Vergangenheit konnte man mit einer sehr fachlichen ausgerichteten Arbeit als Führungskraft erfolgreich sein, das muss aber nicht in Zukunft so bleiben. Um Oberarzt oder Oberärztin zu sein, braucht es weiter Kompetenzen – es geht eben nicht nur darum, rein fachlich zu führen und gewissermaßen „Oberassistent“ zu sein. Man muss den Laden auch zusammenzuhalten, die Mitarbeitenden motivieren, ausbilden und ein starkes Team bilden.

Wie kann man als Klinik die Mitarbeitenden auf eine Führunsposition vorbereiten?

Matthias Barkhausen: Man sollte sich um die Führungskräfteentwicklung auf der mittleren Ebene durch entsprechende Weiterbildungen kümmern. Am besten ist es, diese interprofessionell aufzusetzen und Ärztinnen und Ärzte, Stations- und Verwaltungsleitungen gemeinsam fortzubilden. Das ist sinnvoll, weil man sich schließlich gemeinsam mit einem Patienten oder einer Patientin beschäftigt, und es stärkt die Vernetzung und Zusammenarbeit. Außerdem gibt es in der Führungstätigkeit der unterschiedlichen Berufsgruppen Gemeinsamkeiten.

Was kann ein Coaching in diesem Kontext leisten?

Matthias Barkhausen: In immer mehr Krankenhäusern ist inzwischen angekommen, dass Mitarbeitende auf Führungspositionen vorbereitet werden sollten. Ein Coaching ist eine exklusive Form des Trainings, das besonders für Chefärzte und Chefärztinnen interessant ist. Früher wandten sich Krankenhäuser an mich, wenn sie Probleme mit einem Chefarzt oder einer Chefärztin hatten. Das Handeln war stark defizitorientiert. Das hat sich in den letzten Jahren vollständig geändert: Jetzt geht es mehr um Ressourcenorientierung und Unterstützung für Mitarbeitende in dieser herausfordernden Rolle.

Was sind die Vorteile eines Coachings?

Matthias Barkhausen: Wer neu in eine Leitungsposition kommt, soll gut ankommen und unterstützt werden. Coachings helfen, Probleme frühzeitig anzugehen oder sie gar zu verhindern, beispielsweise wenn sie vor dem Wechsel in die neue Funktion ansetzen. Kommt ein Coach von außen, ist zudem ein anderes Vertrauensverhältnis möglich, weil klar ist, dass keine Informationen an die Geschäftsführung oder den oder die Vorgesetzten weitergetragen werden. Die gecoachten Mitarbeitenden können sich mit ihren individuellen Problemen an den Coach wenden und daran arbeiten. Häufig sind das Themen, die etwas mit der Persönlichkeit zu tun haben und durch das Training mit einem Coach kann man sehr individuell daran arbeiten, sein persönliches Handlungsrepertoire zu erweitern. Denn jede Führungskräfteentwicklung ist auch eine Persönlichkeitsentwicklung.

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