QM-Dokumentation: Hilfreiches Werkzeug für den Klinikalltag

19 August, 2022 - 07:21
Dipl.-Psych. Gabriele Schuster
Hand hält medizinisches Symbol

Qualitätsmanagement hat den Ruf, vor allem Ordnung für Ordner zu garantieren und sich selbst eher etwas zu wichtig zu nehmen. Doch eine sinnvoll aufgebaute QM-Dokumentation zu den richtigen Themen hilft, den ohnehin komplexen Klinikalltag zu erleichtern.

Vor einigen Jahren lud mich die zentrale Qualitätsmanagementbeauftragte (QMB) einer Klinik zu einem Termin ein. Frau Frei hatte diese Position erst kurz zuvor übernommen und sah sich angesichts der QM-Unterlagen vor einige Herausforderungen gestellt. Eine davon war, dass die Sprache in den Dokumenten unverständlich und kompliziert war. Der längste Satz, den sie gefunden hatte, umfasste 20 Zeilen bei Schriftgröße 12.

Mit Ignoranz gegen QM-gestützte Verwirrtheit

Schriftgröße 12 ist eine wichtige Information, weil genau diese in den Vorgabedokumenten für das Gestalten der QM-Dokumente hinterlegt war. Neben der Angabe, dass die Unterlagen nur mit der Schrift Arial erstellt werden dürfen, den Zeilenabstand 1,5 aufweisen und pro Dokument eine erhebliche Zahl von Überschriften vorgehalten werden müssen – und zwar für Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung und Dokumentation des beschriebenen Ablaufs. Überall musste ein Risiko vermerkt sein und wichtig war, pro Ablaufbeschreibung einen Indikator für den Erfolg des jeweiligen Prozesses zu vermerken. Neben den sinnvollen Angaben wie das Erstellungsdatum und die Versionsnummer musste man somit jedes Dokument mit mindestens sechs Überschriften mit Text hinterlegen.

Das führte zu interessanten Effekten: Wenn die Mitarbeitenden die Dokumentation eines Vorgangs unter „Durchführung“ erwähnten, weil sie dies für wichtig hielten, tauchte der gleiche Text unter der Überschrift „Dokumentation“ und gegebenenfalls unter „Nachbereitung“ nochmals auf. Wenn jemand vergessen hatte, einen der Bereiche bei Änderungen zu aktualisieren, führten die unterschiedlichen Vorgaben zu Verwirrung, die viele erfahrene Mitarbeitende mit pragmatischer Ignoranz würdigten.

Kaum Dokumente mit weniger als drei Seiten

Interessanterweise gestaltete die Abteilungs-QMB der internistischen Abteilung, Susanne, die QM-Unterlagen ausschließlich als Flow-Charts. Nun sind Flow-Charts eine gute Möglichkeit, komplexe Abläufe effizient darzustellen. Da allerdings auch sehr einfache Abläufe wie das Ablesen der Kühlschranktemperatur als Flow-Chart dargestellt wurden, gab es in dieser Abteilung kaum Dokumente mit weniger als drei Seiten. Für Susanne hatte dies zur Folge, dass kaum einer der Mitarbeitenden sie vertreten konnte, da niemand mit dem Flow-Chart-Programm umgehen konnte, das ohnehin nur sie auf dem Rechner installiert hatte. Die Kollegin war unersetzlich geworden.

Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass das QM-Handbuch selbst mit den Anforderungen der DIN EN ISO 9001 gefüllt war. Darin fanden sich völlig nutzlose Sätze wie: „Die Klinik hat sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter wirksam in die Medizingeräte eingewiesen sind.“ Oder „Es ist jährlich ein Managementbericht zu erstellen“. Wie die Klinik diese Anforderung regelt, war nirgends dokumentiert.

Auf meine Frage, wie all dies zustande gekommen sei, meinte Frau Frei: „Wir hatten vor zehn Jahren Unternehmensberater im Haus, die uns unsere QM-Dokumentation erstellt haben. Einmal pro Jahr kamen sie wieder und überarbeiteten die Sachen für viel Geld. Vor zwei Jahren wurde das Budget dafür gekürzt. Nun sollen wir uns selbst darum kümmern. Leider denken hier im Haus alle, das müsse so sein, wie es die Berater erstellt haben. Nun kennt sich keiner von uns aus und keiner traut sich, das Ganze in die Hand zu nehmen. Ein Problem ist auch die schiere Menge. Ich habe etwa 5.000 Dokumente im Laufwerk gefunden. Was mache ich denn jetzt?“ Ich fragte sie, was ihr der liebste Weg wäre. Die Antwort kam schnell und klar: „Einstampfen und neu machen!“

Eine Dokumentation, die die Arbeit erleichtert

Es folgten zwei Jahre, in denen die Klinik ihr QM-System von Grund auf neu strukturierte. Dabei legten die Beteiligten den Fokus konsequent darauf, den Alltag der Mitarbeitenden zu erleichtern. Die Abteilungs-QMB wurden gebeten, in ihren Teams zu fragen, welche Abläufe nicht so richtig gut liefen. Diese wurden in Workshops vereinfacht und die Neuerungen in einfach strukturierten Ablaufbeschreibungen festgehalten.

Das Team des Risikomanagements wurde regelmäßig in die verschiedenen Verbesserungsworkshops eingeladen. Alle achteten darauf, dass hilfreiche Hinweise aus dem Fehlermanagement in den Regelungen des QM-Systems abgebildet wurden. Die Azubis wurden gefragt, was ihnen bei der Einarbeitung helfen würde und ermuntert, selbst Checklisten und Anleitungen für ihre Mitschüler zu erstellen. Das QM-Team achtete auf eine einfache und unkomplizierte Sprache. Ziel war, dass alle Unterlagen den Stil des Mitarbeitenden wiedergaben, der das Dokument erstellt hatte. Dies erhöhte die Identifikation der Autoren mit „ihrem“ Dokument. Auch trauten sich zunehmend Mitarbeitende, selbst Checklisten oder Ablaufbeschreibungen zu erstellen, da ihre Arbeit nun geachtet und nicht übermäßig korrigiert wurde.

Diskussionen führen zu Verbesserungen

Die Fachexpertise der Mitarbeitenden floss in deren eigenem Stil in die Unterlagen ein. Dies führte zu verschiedensten Diskussionen in den Teams, was die Abläufe immer weiter klärte. Auf diese Weise wurden in einem fast intrinsisch motivierten Prozess viele Abläufe auf den Prüfstand gestellt und verbessert. Es bewährte sich, viele Vorgänge zentral zu regeln. Dazu gehörten zum Beispiel die Fortbildungsplanung, die Einweisung in die Medizingeräte, die Arbeitssicherheit, der Datenschutz. Das zentrale QM-Team unter Frau Frei machte es sich zur Aufgabe, diese Themen zentral zu regeln und damit die Abteilungen zu entlasten. Diese hatten ergänzend die Möglichkeit, für ihre Abteilung alles, was relevant war, in ihrem eigenen QM-Bereich zu regeln.

Eine Sternstunde für Frau Frei war gekommen, als sich eine etwas ältere Kollegin, die sich in den vergangenen Jahren stets intensiv gegen das QM-System gewehrt hatte, freundlich lächelnd vor einem der Ärzte aufbaute und sagte: „Also Herr Doktor, laut QM müssten Sie mir das Diktat ja schon zwei Tage nach dem Termin überspielen.“ Daraufhin meinte der junge Assistenzarzt lächelnd: „Na, wenn wir das laut QM müssen, dann mache ich das!“ Das QM-System der Klinik war in der normalen Welt angekommen.

Die Autorin

Dipl.-Psych. Gabriele Schuster
Athene Akademie
97072 Würzburg

Dtsch Arztebl 2022; 119(33-34): [2]

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