Management: So lässt sich die Prozesseffizienz von OP-Teams steigern

1 Oktober, 2024 - 08:15
Thomas Röhrßen
Ein Team von Ärztinnen und Ärzten im OP

Der OP im Krankenhaus ist hochkomplex, leistungsdicht und kostenintensiv. Alle Beteiligten müssen auf engstem Raum in begrenzten Zeitfenstern und mit begrenzten Kapazitäten zusammenarbeiten. Nicht selten verliert das OP-Team dabei die Kontrolle – und läuft der Zeit hinterher.

Wenn eine OP beginnt, kommt in der Regel ein optimaler Workflow mit hoher Konzentration, Kontrolle und Selbststeuerung aller Beteiligter in Gang. Das interprofessionelle Team arbeitet fließend Hand in Hand. Zwischen den OPs sieht das oft anders aus: Das Team löst sich ganz oder temporär auf, Prozesse in der Wechselzeit sind nicht mehr optimal synchronisiert, es gibt keinen definierten Zeitpunkt für eine pünktliche Folge-OP. Woran liegt das?

Die Einheit des Saalteams hat sich aufgelöst

Vor mehr als 30 Jahren steuerten OP-Stammteams „ihren Saal“ noch eigenständig wie eine kleine eingeschworene medizinischpflegerische Organisationsfamilie. Die Einheit des Saalteams hat sich aufgelöst. Gründe dafür sind die hoch spezialisierte Diversifizierung der Kliniken, die zunehmende Komplexität der Prozessorganisation und die übergreifende Steuerung von Zentral-OPs durch das OP-Management.

01.05.2025, Praxis Kreuzbleiche
St. Gallen
12.05.2025, Malteser Krankenhaus St. Franziskus-Hospital
Flensburg

Seitdem ist vor allem ein flexibler Saal- und Personaleinsatz gefordert. Heute liegt das Saalteam am Ende der Versorgungskette, hat die Kontrolle über die angrenzenden Prozesse verloren und muss letztlich die Folgen aller Organisationsdefizite tragen, die zuvor außerhalb des OP-Saals verursacht wurden. Dazu zählen unkalkulierbare Verzögerungen beim Abruf der Patienten und der Operateure. Es kommt zu Problemen in der Patientenvorbereitung, beim Patiententransport, bei der Einleitung und Freigabe der Anästhesie, der Saalvorbereitung, der Pflege, beim pünktlichen Erscheinen der Operateure oder der fachgerechten Lagerung.

Der Ansatz der Team-Prozess-Performance im OP verlagert die Kontrolle, Selbststeuerung und Prozessoptimierung im OP-Prozess wieder zum OP-Saalteam. Dies stärkt dessen Agilität, Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Zufriedenheit. Die OP-Planung gibt den Rahmen vor; doch innerhalb dieses Rahmens agiert das Saalteam wieder wie eine Organisationsfamilie, selbst wenn Personal von OP zu OP wechselt. Basis dafür sind die folgenden drei Prinzipien:

1. Saalcommitment und Abrufmanagement

Ein Triggerprozess löst viele weitere Prozesse aus und beeinflusst diese. Triggerprozess im Tagesgeschäft eines OPs ist ein einziger Prozess mit drei Teilkomponenten:

  • Minutengenaues Festlegen des OP-Beginns der ersten OP am OP-Tag und sämtlicher Folge-OPs: Das Saalteam, also operativverantwortliche Ärzte, Anästhesie, OP-Funktionspflege und OP-Anästhesiepflege, legt den Beginn der Folge-OP mit angemessenem Vorlauf noch während der laufenden OP als Commitment fest. Als Beginn gilt nicht der Schnitt, sondern die erste Intervention des operativen Teams am Patienten nach Freigabe der Anästhesie. Der geplante Beginn der Folge-OP wird als „t0“ definiert.
  • Telefonischer Abruf auf der Station mit Angabe des genauen Zeitpunkts der Ankunft des Patienten an der Schleuse beziehungsweise in der Holding Area.
  • Telefonischer Abruf des Folge-Operateurs oder der Folge-Operateurin mit Angabe des genauen Zeitpunkts der Ankunft im OP.

Weitere von diesem Triggerprozess ausgelösten Abläufe werden nicht näher beschrieben. Dazu gehören beispielsweise die Patientenvorbereitung, der Patiententransport, der Aufenthalt in der Holding Area, das Schleusenmanagement, die Ein- und Ausleitung, die Saalreinigung und Saalvorbereitung oder die Lagerung. Diese Abläufe liegen in der agilen Steuerungskompetenz der Station, des OP-Teams und des operativen Teams der Klinik.

2. Quick-Check-Feedback und Whiteboard

Viele OP-Manager verfügen über eine enorme Fülle an Daten sowie ein ausgefeiltes Kennzahlensystem und OP-Reporting, das sie gelegentlich in OP-Konferenzen vorstellen. Doch in einer agilen Organisation brauchen OP-Teams zeitnah Rückmeldungen über ihren Erfolg im Tagesgeschäft, am besten aktuell von OP zu OP.

In der Team-Prozess-Performance gibt es nur eine einzige Kennzahl: die Abweichung zwischen dem geplanten Beginn einer Folge-OP „t0“ und dem realen Beginn der Folge-OP „t1“. Diese wird auf einem Whiteboard im OP-Saal erfasst. Bei einer Abweichung von mehr als fünf Minuten müssen die Gründe dafür, verschlüsselt nach festgelegten Wartezeitkategorien, auf dem Whiteboard für alle sichtbar erfasst werden.

Die Effekte dieser maximal zeitnahen Transparenz von Prozesszeiten und kritischen Abweichungen sind enorm. Denn dann greift der sogenannte Hawthorne-Effekt, der erstmals in den 1920er-Jahren in industriellen Produktivitätsstudien in den USA nachgewiesen wurde. Er besagt, dass Prozesse effizienter und Menschen in einer Organisation produktiver sind, wenn sie an einer Untersuchung teilnehmen. Der Dokumentationsaufwand ist eher gering, der Effekt indes groß. Alle Beteiligten wollen ihren Beitrag zu einem Prozesserfolg leisten und ungern als Verursacher vermeidbarer Verzögerungen gelten.

3. Agile Selbststeuerung im Team

Die Saal- und die Ärzteteams der operativen Kliniken werden ermuntert, auch auf die saalexternen Prozesse selbst Einfluss zu nehmen. Sie treffen mit dem stationären Pflegedienst verbindliche Vereinbarungen über optimale Vorlaufzeiten für den Abruf der Patienten auf den Stationen oder klären Probleme der Patientenvorbereitung und des Patiententransports. Sie halten mitunter „Huddles“ ab, das sind maximal siebenminütige Kurzbesprechungen im Stehen im OP. Dort werden die aktuellen Probleme mit Blick auf das Whiteboard analysiert und Möglichkeiten vereinbart, die Prozesseffizienz zu verbessern.

Der Ansatz der Team-Prozess-Performance sieht vor, dass die OP-Teams ihre Effizienz kontinuierlich von OP zu OP und dauerhaft über längere Zeiträume messen. In OP-Projekten wurde nachgewiesen, dass das die Warte- und Wechselzeiten reduziert. Ständiges Rückkoppeln und transparente Prozesskennzahlen verbessern ohne lange Analysen und Changeprojekte fast unbemerkt die Performance im OP.

Dtsch Arztebl 2024; 121(20): [2]

Der Autor

Thomas Röhrßen
Dipl.-Psychologe
Managementcoach und Unternehmensberater
roehrssen consult GmbH
49074 Osnabrück

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