Arbeitgeberattraktivität: Warum Kliniken Megatrends berücksichtigen sollten

12 Dezember, 2023 - 07:43
Prof. Dr. Margit Geiger und Prof. Dr. Heinz Siebenbrock
Arbeitgeberattraktivität Symbolbild

Megatrends sind Phänomene, die weltweit beobachtbar sind und dynamische Wechselwirkungen aufweisen. Arbeitgeber sollten sie erkennen, um frühzeitig ihre Führungs- und Personalstrategien anzupassen. Denn als Treiber von Veränderung werden Megatrends nicht spurlos am klinischen Alltag vorübergehen.

Das Zukunftsinstitut hat zwölf Megatrends identifiziert. Der Megatrend „Gesundheit“ unterstreicht die Bedeutung aller Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten. Doch nicht immer sind Mitarbeitende von professionellen Strukturen umgeben. Und allzu oft geht das klinische Personal an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Die Gesundheit anderer zum Beruf zu machen, erfordert ein Umfeld, in dem die Leistungsträger gesund bleiben.

Die veränderten Rollenmuster und das Aufbrechen von Geschlechterstereotypen stellt der Megatrend „Gender Shift“ in den Vordergrund. Der Megatrend „Konnektivität“ zeigt auf, inwieweit das Prinzip der Vernetzung auf Basis digitaler Strukturen die Verhaltensmuster und Lebensstile verändert. Die Digitalisierung zeigt die Engpässe und Chancen von Geschäftsmodellen auf.

Individualisierung und New Work

Um als ein attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden, sollten Kliniken die Megatrends „Individualisierung“ und „New Work“ berücksichtigen. Die klassische Karriere verändert sich, die Sinnfrage rückt in den Fokus. Der Drang nach persönlichen Wahlfreiheiten und individueller Selbstbestimmung werden auch im Klinikalltag deutlich. Mitarbeitende fordern eine moderne Führung. Das Arbeitsangebot ist aufgrund des Fachkräftemangels hoch, sodass Leistungsträger in Kliniken abwandern, die moderne Human Ressource Instrumente anwenden und eine professionelle Führungskultur aufweisen.

Der Megatrend „Silver Society“ macht deutlich, dass bereits eine demografische Transformation in der Gesellschaft und Arbeitswelt angekommen ist. Inzwischen arbeiten fünf Generationen, Silver Worker, Boomer, Generation X, Generation Y und Generation Z, zusammen. Altersgemischte Teams und Diversity bieten oft Vorteile gegenüber anderen Teamkonstellationen.

Anwendung von Augmented und Virtual Reality

Die Zunahme der Digitalisierung in der Bildung ist gegenwärtig. Seit der Coronakrise bewirkt sie einen starken Aufwärtstrend. Dieser Megatrend „Wissenskultur“ unterliegt immer mehr einem Wandel. Mit Zunahme der technischen Möglichkeiten in der Anwendung von Augmented und Virtual Reality erreichen das Onboarding, Remote Leadership und Teaching neue Dimensionen.

Die Megatrends „Neo-Ökologie“ und „Mobilität“ sind in hohem Maße im Alltag spürbar. Künftige Mitarbeitende erwarten klare Strategien zur Nachhaltigkeit. Die Orientierung am maximalen Gewinn wird durch die Frage ersetzt, welchen gesellschaftlichen Beitrag eine Klinik leistet. Der Wunsch nach Fahrzeugen und Transportmitteln wird abgelöst durch die simple Frage, wie man Distanzen effizient und effektiv überwunden kann.

Jegliche Veränderung bringt immer auch Gefahren und Risiken mit sich. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Megatrend „Sicherheit“ an Bedeutung. Diesem Bedürfnis lässt sich durch Gemeinschaft, Stärkung von Zugehörigkeit und auf der instrumentellen Ebene durch Teambuilding begegnen. Weltweit platzen die Städte aus allen Nähten. Dem Megatrend „Urbanisierung“ ist eine geeignete Standortpolitik entgegenzusetzen. Dazu gehört auch, dafür zu sorgen, dass Mitarbeitende im Gesundheitswesen diesem Trend folgen können.

Schließlich umfasst der Megatrend „Globalisierung“ die Verflechtung von Wirtschaft, Politik und Kultur. Die weltweite Arbeitsteilung und Spezialisierung haben dazu geführt, dass nicht nur Ein- und Ausfuhr exponentiell gestiegen sind. Selbst der Arbeitsmarkt ist, dank des Megatrends Mobilität, globaler geworden. Mitarbeitende, die ans andere Ende der Welt ziehen, weil sie dort bessere Bedingungen vorfinden, gehören zum beruflichen Alltag und setzen neue Maßstäbe für die Mitarbeiterbindung. Und Mitarbeitende, die vom anderen Ende der Welt kommen, müssen integriert werden, ohne dass man von ihnen erwarten darf, dass sie sich assimilieren.

Herausforderungen fürs Personalmanagement

Betrachtet man die Herausforderungen für das Human Ressource Management im Hinblick auf die Wechselwirkungen dieser Megatrends, sind folgende Handlungsfelder aufzugreifen:

  • Der demografische Wandel wirkt auf die Megatrends „Silver Society“ und „Individualisierung“. Kliniken vernachlässigen häufig Altersstrukturanalysen und erleben bereichsbezogene Renteneintrittsalterswellen oft als Überraschung. Der Aufbau einer strukturierten Fach- und Führungsnachfolgeplanung ist erforderlich, um den klinischen Alltag mit guter medizinischer Qualität aufrechtzuerhalten. Oft gibt es zwar standardisierte Laufbahnmodelle, doch werden sie nicht konsequent umgesetzt.
     
  • Der Megatrend „New Work“ wird stark geprägt durch die Zunahme der digitalen Vernetzung (Konnektivität). Die Möglichkeiten der Flexibilisierung von Arbeitszeitmodellen, Job Sharing und hybriden Arbeitsformen ist abhängig vom klinischen Kontext. Die Anforderungen der jüngeren Generationen, den Klinikalltag in neuen Arbeitswelten zu bestreiten, ist bekannt und wird in jenen Kliniken berücksichtigt, deren Arbeitgeberattraktivitätsmerkmale hoch sind. An Kennzahlen wie der Fluktuationsrate und hohen Vakanzen ist die Arbeitgeberattraktivität objektivierbar.
     
  • In der Personalentwicklung verändert sich das Wissensmanagement grundlegend. Anstelle traditioneller Seminarformate wird das Mentoring und Coaching ausgebaut. Digitale Formate nehmen zu. Diese sind jedoch stark von der IT-Infrastruktur in der Klinik und den digitalen Skills der Beteiligten abhängig. Oft fehlt es an geeigneten Plattformen und Ressourcen in den IT-Bereichen.
     
  • Der Megatrend „Gender Shift“ wirkt bei der Nachfolgeplanung der künftigen Ärzteschaft. Lebensphasenorientierte Laufbahnmodelle müssen stärker berücksichtigt werden.

19.12.2024, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
Zürich 1

Entscheidend für das erfolgreiche Umsetzen dieser Maßnahmen ist eine angepasste Führungskultur. Wissensmanagement und New Work gedeihen nicht auf der Grundlage einer Anweisungs-Kontrolle-Kultur. Der US-amerikanische Manager Robert Greenleaf empfahl bereits in den 1970er-Jahren, dass gute Führung auf dem Gedanken der dienenden Führung basiert, während der Schweizer Organisationswissenschaftler Knut Bleicher zur gleichen Zeit für die „Vertrauensorganisation“ warb.

Das Autorenteam:

Prof. Dr. Margit Geiger
Prof. Dr. Heinz Siebenbrock

Hochschule Bochum, Fachbereich Wirtschaft
44801 Bochum

Dtsch Arztebl 2023; 120(50): [2]

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