Personalmanagement: Wie sich die Arbeitswelt in Kliniken verändert

6 Oktober, 2020 - 07:14
Prof. Dr. soc. Margit Geiger
Arzt mit Mundschutz, Handschuhen und Tablet, dazu rote Corona-Viren

In vielen Branchen hat sich die Arbeitswelt seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie verändert. Das ist auch im Klinikalltag zu spüren, wie eine aktuelle Umfrage ergab.

Der Lockdown hat viele Unternehmen dazu gezwungen, ihre Arbeitsstrukturen und Arbeitsprozesse zu überdenken. Homeoffice war plötzlich notwendig, Bedenkenträger wurden eines Besseren belehrt. Onlinebesprechungen waren aufgrund des Lockdowns nötig und auch möglich mit Plattformen wie Webex, Zoom oder MS-Teams. Viele Mitarbeitende und Führungskräfte forderten bereits seit Langem flexible Arbeitsformen. Nun waren die optimale Nutzung und die Chancen der Digitalisierung, die auch das Arbeiten auf Distanz ermöglicht, plötzlich gegeben.

Selbstbestimmung statt Lohnarbeit

Die Krise hat die Unternehmen gelehrt, dass Bewältigungsstrategien notwendig sind, um den Herausforderungen der Pandemie gewachsen zu sein. Bereits in den 70er-Jahren kam die sogenannte Bewegung New Work auf. Der Begründer dieser „Neuen Arbeit“, Frithjof Bergmann, hatte deutlich gemacht, dass sich die Einstellung zur Arbeit verändern wird. Seine These: Die Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung werden anstelle von unterdrückender Lohnarbeit ihren Weg von starrer Hierarchie hin zur persönlichen Weiterentwicklung und Entfaltung finden. Sofern Unternehmen und Organisationen sich den neuen Arbeitswelten stellen, werden auch soziale Aspekte und Humanisierung der Arbeitswelt vorangebracht. Mit New Work sollten sich sowohl die berufliche wie auch die private Selbstverwirklichung verändern.

New Work braucht also ein verändertes Führungsverständnis und -verhalten. Führung 4.0 bedeutet weg von Kontrollinstanzen hin zur Unterstützung und Befähigung der Mitarbeitenden zur Eigenverantwortung. Die Zusammenarbeit in New Work ist partnerschaftlich und auf Augenhöhe.

Das Fraunhofer Institut zeigt in seiner Studie „Arbeiten in der Corona-Pandemie – auf dem Weg zum New Normal“ relevante Handlungsfelder auf, um Krisen gut zu meistern. Aus der Sicht von knapp 500 befragten Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen waren eine gute Zusammenarbeit und eine starke Kultur die wichtigsten Robustheitsfaktoren, um Krisensituationen zu bewältigen. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Die Unternehmen, die kurzfristig das Arbeiten auf Distanz erfolgreich umgesetzt haben, wie beispielsweise das Umstellen auf Onlinemeetings, hatten bereits optimale Softwareumgebungen sowie gesicherte Zugriffe auf lokale Netze des Unternehmens.

COVID-19: Einfluss auf die Arbeit im Klinikalltag

Das Institut New Work der Berner Fachhochschule erfasste anhand von 40 Experteninterviews und eines online durch - geführten Stimmungsbarometers mit Ärzten unterschiedlicher Fachgruppen, inwieweit COVID-19 Einfluss auf die Arbeitswelt, Arbeitsstrukturen und den klinischen Arbeitsalltag hatte. Ziel war es, mögliche Handlungsfelder für künftige Ausnahmesituationen aufzuzeigen. Insgesamt wurde deutlich, dass die zeitnahe Information in der Klinik, insbesondere Rückmeldungen zum Patientenfluss und zur medizinischen Ausstattung, verbessert werden kann.

Die Ergebnisse im Einzelnen: Es zeigte sich, dass die Arbeitsintensität während des Lockdowns geringer war als vor Corona. Mehrheitlich gaben die befragten Ärztinnen und Ärzte an, die freien Kapazitäten während des Lockdowns genutzt zu haben, um Prozesse zu optimieren sowie Altlasten und Überzeiten abzubauen. Weniger relevant war es, die Freiräume für Publikationen und Forschung zu nutzen. Vereinzelt wiesen die Befragten darauf hin, dass sie mehr Zeit für Patienten, Angehörige und Hausarztgespräche hatten.

Unsicherheiten und Ängste

Aus der Sicht der Befragten hat sich das Arbeitsklima unter den Ärzten und zu den Pflegekräften während des Lockdowns weder verbessert noch verschlechtert. Die Ungewissheit darüber, wie viele Patienten mit Coronainfektionen zu versorgen sein würden, verursachte jedoch bei vielen Unsicherheiten und Angst. Ebenso berichteten die Befragten über Ängste, sich mit COVID-19 anzustecken. Sie hatten auch die Befürchtung, dass in der Klinik nicht ausreichend Schutzbekleidung vorhanden sein könnte. Die Sorge, die Intensivbetten in der Klinik könnten nicht ausreichen, hatten 60 Prozent. Eigens für Corona eingerichtete Stationen führten zu Mehrbelastung und Mehraufwand beim Klinikpersonal.

Während des Lockdowns haben die Kliniken interne Fortbildungen mehrheitlich ausgesetzt. Lediglich 20 Prozent gaben an, dass interne Fortbildungen durchgeführt wurden. Nur drei Prozent der Befragten berichteten, dass interne Fortbildungen im Onlineformat abgehalten wurden. Nur zehn Prozent gaben an, dass Chefärzte und Oberärzte auf digitale Kongresse hingewiesen und diese finanziert hätten. Externe Kongresse und Fortbildungen boten die Kliniken während des Lockdowns verstärkt an. Die Teaching-Maßnahmen am Patienten haben die Kliniken während dieser Zeit reduziert und nicht intensiviert. Viele Befragte sehen einen großen Handlungsbedarf, was die Fortbildung vorrangig zu aktuellen Themen in Bezug auf COVID-19 betrifft. Sie halten Hinweise zu Webinaren oder Publikationen für wünschenswert.

Mehr Besprechungen im Onlineformat

Wie auch in Studien außerhalb der Klinikbranche veränderten sich die Besprechungsformate. So gaben die Befragten an, Besprechungen mit weniger Teilnehmern und verstärkt im Onlineformat abzuhalten. Handlungsbedarf sehen sie mehrheitlich, was die IT-Strukturen und Softwareumgebungen in den Krankenhäusern betrifft.

Die verstärkten Sicherheits- und Hygienemaßnahmen haben die Befragten mehrheitlich rückgemeldet. Die Informationen dazu fanden die meisten ausreichend. E-Mails und Newsletter waren dabei die wichtigsten Kommunikationskanäle. 70 Prozent der Befragten gaben an, dass die Informationen Sicherheit gaben und Informationsdefizite ausgeräumt hätten.

Für die interne Kommunikation nutzten die Häuser insbesondere White Boards und tägliche morgendliche Besprechungen. Problematisch bewerteten die Befragten vor allem Informationen, die nicht zielgruppenadäquat eingesetzt wurden oder die betreffenden Mitarbeitenden unzureichend oder überhaupt nicht erreichten. Unterschiedlich bewerteten sie die Krisengremien oder Krisenzirkel. Teilweise wurden diese nur wenig wahrgenommen oder aber sie wirkten sich sehr positiv aus.

Die Ergebnisse zeigen denkbare Entwicklungsperspektiven für Kliniken auf, die es jetzt im Nachgang des Lockdowns aufzugreifen gilt.

Dtsch Arztebl 2020; 117(41): [2]
 


Die Autorin:

Prof. Dr. soc. Margit Geiger
Berner Fachhochschule
Fachbereich Wirtschaft, Institut New Work
3005 Bern
Schweiz

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