Betriebsbedingte Kündigung: Wer muss gehen?

14 Februar, 2020 - 14:15
Cornelia Stapff
Pikogramm einer Gruppe Menschen, darüber eine Lupe

Wenn Krankenhäuser restrukturiert, neu erworben oder geschlossen werden, stellt sich immer auch die Frage, ob und nach welchen Kriterien die Arbeitgeber Beschäftigte kündigen können.

Sind in einem Unternehmen mehr als zehn Beschäftigte in Vollzeit angestellt, gilt das Kündigungsschutzgesetz. In diesen Unternehmen ist eine Kündigung nur gerechtfertigt, wenn es einen wirksamen Grund gibt. Nach dem Gesetz ist eine Kündigung gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe in der Person, im Verhalten oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 1 Absatz 1 KSchG). Bei der Schließung oder Restrukturierung einer Klinik kommt nur eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Der Arbeitgeber muss die betrieblichen Gründe in der Kündigung noch nicht konkret beschreiben. Doch sollte der Beschäftigte eine Kündigungsschutzklage erheben, muss der Arbeitgeber im Prozess die betrieblichen Gründe darlegen.

Eine betriebsbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine Weiterbeschäftigung im Unternehmen nicht mehr möglich ist, weil der Arbeitsplatz weggefallen ist. Das muss der Arbeitgeber zunächst darlegen. Im Falle Klinikschließung wird dieser Beweis möglich sein. Soll allerdings aus Kostengründen Personal reduziert werden und ist zum Beispiel geplant, in einer Abteilung mit zehn Ärzten drei Stellen abzubauen, muss der Arbeitgeber beweisen, dass genau drei Arbeitsplätze weggefallen sind. Das wird ihm kaum gelingen. Wird eine Abteilung geschlossen, muss der Arbeitgeber prüfen, ob nicht eine Weiterbeschäftigung in einer anderen Abteilung möglich ist.

Soziale Kriterien betriebsbedingter Kündigungen

Ferner muss der Arbeitgeber darlegen, dass er eine ordnungsgemäße Sozialauswahl vorgenommen hat. Folgende Kriterien müssen dabei berücksichtigt werden:

  • die Dauer der Betriebszugehörigkeit,
  • das Lebensalter,
  • Unterhaltspflichten (z. B. für Kinder) sowie
  • Schwerbehinderungen.

Ohne Berücksichtigung dieser sozialen Kriterien ist eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam. Meist haben die jungen und kinderlosen Beschäftigten das Nachsehen. Bei der Bewertung der einzelnen Kriterien hat der Arbeitgeber jedoch einen gewissen Spielraum. Mithilfe eines Punkteschemas kann er zugunsten der jüngeren Beschäftigten einen Ausgleich schaffen, weil diese oftmals noch unterhaltspflichtige Kinder haben.

Die Sozialauswahl findet nur zwischen den Beschäftigten statt, die nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen eine vergleichbare Arbeit ausüben. Keine Sozialauswahl gibt es hingegen zwischen Ärzten und Pflegenden. Will ein Arbeitgeber Beschäftigte mit besonderen Kenntnissen, Fähigkeiten oder Leistungen in der Klinik halten, kann er solche Leistungsträger von der Sozialauswahl ausnehmen, wenn er darlegt, dass die Weiterbeschäftigung im Interesse der Klinik dringend notwendig ist.

Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung

Manche Tarifverträge, zum Beispiel der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Tarifgebiet West, regeln, dass Beschäftigte unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr ordentlich kündbar sind. Kommt dieser Tarifvertrag zur Anwendung, ist ein Beschäftigter, der über 40 Jahre alt ist und mehr als 15 Jahre in der Klinik beschäftigt war, nicht mehr ordentlich kündbar, sondern nur mehr außerordentlich.

Eine außerordentliche Kündigung kommt bei betriebsbedingten Kündigungen nur in Betracht, wenn es absolut unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, zum Beispiel bei einer Klinikschließung. Werden nur einzelne Abteilungen nicht mehr weiterbetrieben, zum Beispiel die Geburtshilfe, kommt eine solche außerordentliche Kündigung nicht infrage.

Darüber hinaus gibt es Mitarbeitergruppen, denen der Arbeitgeber nicht ordentlich kündigen kann. Alle Beschäftigten, die einen Sonderkündigungsschutz genießen wie Betriebs- oder Personalratsmitglieder, Schwangere oder Datenschutzbeauftragte kann das Unternehmen nur außerordentlich kündigen.

Wird ein Krankenhaus an ein anderes Unternehmen verkauft, kann ein Arbeitsverhältnis nicht betriebsbedingt gekündigt werden. Die Arbeitsverhältnisse gehen auf den Erwerber über. Wenn der neue Arbeitgeber im Rahmen seiner Neuausrichtung der Klinik Stellen abbaut, dann kann er ein Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigen, aber nicht wegen des Betriebsübergangs. Doch muss der neue Arbeitgeber beweisen, dass der konkrete Arbeitsplatz des gekündigten Beschäftigten weggefallen ist.

Kündigungsschutzklage: ja oder nein?

Für einen Mitarbeiter lohnt es sich oft, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Allerdings muss er diese spätestens drei Wochen erheben, nachdem ihm die Kündigung zugegangen ist. Sonst ist die Kündigung wirksam. Doch haben Beschäftigte nicht, wie viele irrtümlich denken, automatisch einen Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hat. Gibt es keinen Sozialplan und ist die Kündigung wirksam, besteht kein Anspruch auf eine Abfindung.

Der Mitarbeiter kann im Rahmen der Kündigungsschutzklage auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses klagen oder gegebenenfalls eine Abfindung erstreiten. Viele Verfahren enden in der ersten Güteverhandlung einvernehmlich gegen Zahlung einer Abfindung. Nach einer Kündigung will meist auch der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis beenden und der Arbeitgeber ist bestrebt, das Arbeitsverhältnis schnell und rechtssicher zu beenden. Ob und in welcher Höhe der Mitarbeiter eine Abfindung durchsetzen kann, bestimmt sich nach den Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage. Jede Partei trägt vor dem Arbeitsgericht ihre Anwaltskosten selbst, auch wenn sie den Prozess gewinnt.

Trotz Aufhebungsvertrags keine Sperrzeiten

Meist versucht ein Arbeitgeber, ein Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag zu beenden, bevor er eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht. Hält er die ordentliche Kündigungsfrist ein und beträgt die Abfindung nicht mehr als 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr, kann der Beschäftigte trotz des einvernehmlichen Endes des Arbeitsverhältnisses sofort Leistungen von der Agentur für Arbeit in Anspruch nehmen. Er erhält keine Sperrzeit für den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Es empfiehlt sich dennoch, vor der Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags Rat bei einem Rechtsanwalt einholen. Denn ist der Vertrag unterschrieben, ist grundsätzlich kein Widerruf mehr möglich. Pacta sunt servanda!

Dtsch Arztebl 2019; 116(1-2): [2]
 


Die Autorin:

Dr. Cornelia Stapff
Fachanwältin für Arbeitsrecht
FASP Finck Sigl & Partner
80336 München