Recht: Wie eine gut durchdachte Bürokratie Ärzte entlastet

26 September, 2023 - 07:26
Dr. Andreas Staufer und Kristin Kirsch
Symbolbild Bürokratie

Ein erheblicher Störfaktor im Klinikalltag ist die Bürokratie. Das gilt vor allem für unstrukturierte, sich wiederholende oder solche Formulare, deren Nutzen nicht sofort ersichtlich ist. Eine durchdachte Gestaltung von Abläufen und eine Automatisierung von Prozessen erleichtern Ärztinnen und Ärzten den Arbeitsalltag.

Bürokratie umfasst eine ordnende Denk- und Handlungsweise des Verwaltungsapparats, der durch den Versuch gekennzeichnet ist, Mitarbeitenden klare Hierarchien, Vorgaben und Kompetenzen zu vermitteln. Bürokratie ist eine Verbindung des französischen Worts für „Schreibtisch“ und des altgriechischen Suffixes für „Macht“, sie ist also die „Schreibtischmacht“. Aus ärztlicher und pflegerischer Sicht sollten jedoch die Patienten im Mittelpunkt eines jeden Krankenhauses stehen. Papierkram, auch in deren elektronischer Ausformung, scheint diesem Ziel kaum zuträglich und wird zuweilen als hinderlich empfunden. Interne Vorgaben können sich, wenn man sie genau betrachtet, als überflüssig erweisen. Dann verursacht Bürokratie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand an Kosten, Zeit und Kraft zulasten zügigen und einfachen Handelns.

Eine pauschalierende Normierung der Verwaltung wird dem Einzelfall zudem nur selten gerecht. Ein Beispiel dafür sind die Diagnosis Related Groups, kurz DRG. Patienten werden zu Gruppen mit vergleichbarem ökonomischem Aufwand in möglichst auch medizinisch-klinisch homogenen Gruppen zusammengefasst, für ein möglichst pauschalierendes Entgeltsystem, das Ärztinnen und Ärzte zunehmend in ihrer täglichen Arbeit belastet.

Sinnvolles Gestalten wiederkehrender Abläufe

Dagegen kann Bürokratie gut durchdacht die Handelnden entlasten, beispielsweise durch die sinnvolle Gestaltung wiederkehrender Abläufe und vorgegebene Regeln, daraus resultierende Patienten- und Rechtssicherheit, Rationalisierung und dem folgend die Effizienz steigern.

09.10.2024, SRH Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH
Sigmaringen
09.10.2024, MVZ Praxisklinik Peine GbR
Peine

Doch dazu müssten Ärzte, Verwaltung und IT zusammenarbeiten und den jeweils anderen Ansatz verstehen: Dokumentation dient der Gedächtnisstütze. Sie erinnert an Vorerkrankungen, Einschränkungen des Patienten, Unverträglichkeiten, Medikation, soziales Umfeld mit möglichen Hinweisen auf die Compliance. Sie informiert über beabsichtigte und bestätigt bereits ergriffene Maßnahmen, beispielsweise bei der Medikamentengabe. Sie verhindert ein Vergessen und dient damit der Patientensicherheit. Die Dokumentation informiert nachbehandelnde Leistungserbringer und sichert den Therapieverlauf.

Rechenschaftsbericht für die Abrechnung

Zugleich dient die Dokumentation als Rechenschaftsbericht für die Abrechnung sowie als Nachweis durchgeführter Maßnahmen und erhobener Befunde im Arzthaftungsverfahren. Anträge, beispielsweise im Rahmen von Versicherungsleistungen, setzen inhaltlich die den Anspruch begründenden Angaben voraus. Diese zu prüfen bedarf nachvollziehbarer Belege. Daten einer Vielzahl von Patienten sind darüber hinaus wertvoll für die medizinische Forschung, wenn sie systematisiert vorliegen.

Ein gutes Formular erfasst nicht nur die erforderlichen Daten in einer nachvollziehbaren, weiterverwertbaren Struktur, sondern lässt in geeigneter Weise Freiraum für untypische oder kreative Behandlungsabläufe.

Sorgfalt bei der Dokumentation ist von Vorteil, wobei dieser im Klinikalltag der Faktor Zeit entgegensteht. Dem kommt der Datenschutz zugute: Beim Gestalten der Formulare müssen die Grundsätze der Datenschutz-Grundverordnung an die Datenminimierung, Privacy by Design und Privacy by Default berücksichtigt werden. Es bietet sich also an, von den Mitarbeitenden per default nur erforderliche Daten abzuverlangen. Es bietet sich an, Formulare in sich schlüssig und möglichst dem Arbeitsablauf des Behandlers folgend zu konzipieren. Bei interdisziplinärer Dokumentation können farbige Flächen den unterschiedlichen Disziplinen zugeordnet sein, um die Dokumentationsfelder schneller aufzufinden. Bestenfalls sind sie für die spätere Auswertung maschinenlesbar.

Digitalisierung bringt Erleichterung

Die Digitalisierung bietet, richtig eingesetzt, weitere Erleichterung. So würde es sich nicht nur anbieten, Patientendaten automatisiert in die gängigen Formulare vorzudrucken. Da Probleme mit dem Drucken nicht selten sind, könnten Formulare auch vorgedruckte, einzigartige maschinenlesbare Codes enthalten, die dem Patienten zugeordnet werden, bevor man sie verwendet. Befunde könnten automatisiert und ohne weitere Veranlassung der Mitarbeitenden in die Akte einfließen. Das verhindert ein Vergessen der Einträge in der Akte.

Ein sorgfältig durchdachtes Konzept der Nutzungsrechte ermöglicht den zugriffsberechtigten Mitarbeitenden Einsicht und eine rechtskonforme weitere Verarbeitung, beispielsweise wenn externe Stellen Patientendaten anfordern. Bei  wiederkehrenden Sachverhalten können Freigabeberechtigungen unnötige Rückfragen der Mitarbeitenden verhindern. Verweigert das Programm die Freigabe, sollte eine verständliche Erläuterung die Gründe nennen. In eiligen Fällen muss der Zugriff dennoch gewahrt bleiben. Bei Forschungsvorhaben kann die voreingestellte automatisierte Anonymisierung der Daten unnötige Nacharbeiten verringern.

Erhobene Befunde liegen bestenfalls in gängigen, lesbaren Formaten vor, ohne dass weitere Programme zum Betrachten erforderlich sind. Das vermeidet, die Anwendung wechseln zu müssen. Verschiedene Rechtsträger sollten die Kompatibilität ihrer Schnittstellen absprechen. Ein gutes Beispiel bietet die Übermittlung des elektronischen Notfallprotokolls des Rettungsdienstes an die Notaufnahmen der beteiligten Kliniken. Aus Gründen der Cybersicherheit und der Redundanz ist ein Ausfall der IT stets zu berücksichtigen.

Unnötige Arbeitsschritte reduzieren

In Zeiten des Fachkräftemangels sollte es oberste Priorität haben, unnötige Arbeitsschritte zu reduzieren, ohne den Patientenkontakt weiter zu verringern. Dabei hilft eine Handlungsbedarfsanalyse. Diese sollte sich an den Arbeitsabläufen der Mitarbeitenden orientieren und dabei gesetzliche Mindestanforderungen berücksichtigen. Alle darüber hinaus gehenden Arbeitsschritte sollten auf ihren Nutzen und die Rechtsgrundlage hinterfragt werden.

Dtsch Arztebl 2023; 120(39): [2]

Das Autorenteam

Dr. Andreas Staufer, Fachanwalt für IT-Recht Fachanwalt für Medizinrecht
Kristin Kirsch, LL.M. Legal Tech, Fachanwältin für IT-Recht
Staufer Kirsch GmbH
80336 München

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