So bereiten sich Kliniken aufs Vorstellungsgespräch vor

8 April, 2020 - 11:57
Gerti Keller
Christina Krey
Christina Krey ist Personalberaterin und beschäftigt sich mit der Auswahl und Besetzung von Führungspositionen in der Gesundheitswirtschaft.

Geeignete Bewerber sind rar. Umso erfolgsversprechender, wenn sich auch Kliniken im Vorstellungsgespräch von ihrer besten Seite zeigen. Der erste Schritt dafür: eine gute Vorbereitung. Was hier zu beachten ist, erläutert Christina Krey, Personalberaterin im Gesundheitswesen.

Vorbei sind die Zeiten, da potenzielle Arbeitgeber nach Gutsherrenart zur Audienz baten. Heute müssen sich künftige Chefs ebenso bei ihren Kandidaten bewerben – was auch der Vorbereitung auf die Kennenlernrunde größere Bedeutung verleiht.

„Das wichtigste für ein gelungenes Bewerbungsgespräch ist eine vertrauensvolle Atmosphäre. Nur dann fühlt sich ein Kandidat wohl und man lernt ihn authentisch kennen“, erklärt die routinierte Headhunterin Christina Krey. Um den Grundstein dafür zu legen, ist es erforderlich, die Bewerbungsunterlagen noch genauer zu studieren. Denn die Fakten der Vita sollten beim Termin einigermaßen im Kopf sein. Erfahrungsgemäß bleibt die Aufmerksamkeit beim Abgleich dann nicht in den Dokumenten „hängen“, sondern man kann den Bewerbern von Anfang an in die Augen blicken.

Tipp: Bereits im Vorfeld nach Gemeinsamkeiten suchen

Überhaupt ist der Aufbau einer persönlichen Beziehung der Königsweg: „Am besten sind die Gespräche, in denen beide Seiten fast vergessen, dass es eine künstliche Situation ist“, sagt Krey. Dafür sollte bereits im Vorfeld nach Gemeinsamkeiten gesucht werden. Das kann ein gemeinsamer Kontakt sein, wie ein Professor aus dem Studium, oder eine Fortbildung, die beide besucht haben. Dazu ist auch der Blick in soziale Business-Medien, wie Xing oder LinkedIn, hilfreich. „Solche Anknüpfungspunkte sind perfekte Eisbrecher“, betont die Mitgeschäftsführerin von SOLUTE recruiting.

Spannende Fragen an Bewerber stellen

Der starre Fragenkatalog ist nicht mehr zeitgemäß. „Ein gestelztes oder gezwungenes Ping-Pong-Frage-Antwort-Spiel mit abgelesenen Fragen gilt als No-Go“, warnt Krey. Stattdessen empfiehlt sie ein sogenanntes teilstrukturiertes Interview, das Orientierung und Flexibilität zugleich bietet. Heißt: Es werden Kernkompetenzen definiert, die für die ausgeschriebene Stelle nötig sind. Dazu gehören etwa Teamfähigkeit oder Führungsstil sowie zusätzliche „Nice-to-haves“. Diese sollten bei allen Bewerbern auf eine Stelle gleich sein, um anschließend besser vergleichen zu können.

Konkrete Fragen zu notieren, ist dafür nach wie vor ratsam. Der alte „Abhakpunkt“ nach Stärken und Schwächen gilt jedoch als out, denn auf diese bereiten sich die Kandidaten ohnehin gut vor. Spannender ist es, Szenarien zu entwerfen und dann retroperspektivisch zu fragen: Haben Sie das vielleicht schon mal erlebt? Und wie haben Sie das Problem dann gelöst? Oder den Blick in die Zukunft richten und in den Raum werfen: Was würden Sie in dem Fall tun? Auf diese Weise lassen sich bei Nachwuchskräften Unsicherheiten und Potenziale abklopfen. „Meine persönliche Lieblingsfrage zurzeit ist: Was müsste ich als Vorgesetzter tun, damit Sie sofort kündigen? Damit lockt man Bewerber aus der Reserve und bekommt richtig authentische Antworten“, empfiehlt Krey.

Expertin: Vereinbarkeit der Werte von Klinik und Bewerbern prüfen

Auch die Definition der eigenen Werte ist zuvor nötig, um sie mit denen des Bewerbers abzugleichen. Denn: „Wenn ich zuverlässig bin, Termintreue hochhalte und mein Gegenüber ist nur karriereorientiert, wird das crashen“, erläutert die 37-Jährige, die schon hunderte Bewerbungsgespräche geführt und analysiert hat. Im Detail kommt es natürlich immer auf das Level der vakanten Position an. Und vor allem: Handelt es sich um besonders gefragte Talente, bei denen Klinken unter Umständen mehr Kompromisse machen müssen? In diesen Fällen sollte überlegt werden, was das Wichtigste ist. Wenn zum Beispiel ein Chirurg fachlich sehr gut ist, menschlich aber nicht sehr überzeugend wirkt, bleibt abzuwägen: Hat er Patientenkontakt oder vergrault er womöglich mein Team?

Kliniken müssen die eigenen USPs kennen

Darüber hinaus ist es unerlässlich, die USPs (Unique Selling Propositions), also die „Verkaufsmerkmale“, des Trägers zu kennen. „Das haben viele Kliniken tatsächlich nicht auf dem Schirm. Sie wissen gar nicht, was sie besonders macht“, so die Berlinerin. Und das ist sehr schade! Denn genau damit können Arbeitgeber die Werbetrommel rühren. Ganz geschickt gelingt dies übrigens mit der Frage: „Was wäre Ihnen als zukünftiger Kollege wichtig?“. Passt die Antwort zum Portfolio der Klinik, ist der Satz „Oh da werden Sie sich aber bei uns wohlfühlen“ ein guter Köder.

Außerdem ist die Vorbereitung auf Bewerberfragen notwendig. Diese wollen im Allgemeinen wissen: Welches Instrumentarium ist vorhanden, mit wem wird kooperiert, Fall- und Eingriffszahlen, Größe der Abteilung, Dienstbelastung, die Kultur des Trägers und die Weiterbildungsermächtigungen des Vorgesetzten. Und über Fachliches, vorzugsweise auch in der Tiefe, wird immer gerne geplaudert.

Wie viele Kollegen sollten am Vorstellungsgespräch teilnehmen?

„Ich bin ein Freund kleiner Runden, um das erste Gespräch so niedrigschwellig wie möglich zu halten“, rät Krey. Das gilt vor allem für Krankenhäuser, in denen die Terminkalender der Entscheider voll sind. Allerdings ist es dann umso wichtiger, dass allen Beteiligten bewusst ist, dass es sich um ein beidseitiges Verkaufsgespräch handelt. Auf keinen Fall darf der Eindruck eines Tribunals erweckt werden. „Das kommt leider immer noch häufig vor, ist aber ein echter Killer im umkämpften Gesundheitsmarkt“, informiert Krey, die seit Jahren Führungskräfte in der Gesundheitswirtschaft eignungsdiagnostisch unter die Lupe nimmt und für Kunden vorauswählt. Und auch die Logistik will vorbereitet sein, was im Eifer des Gefechts gerne mal vergessen wird. Also: Weiß die Sekretärin, dass Frau XY auftaucht? Wo wartet sie? Stehen Getränke bereit? Ist der Besprechungsraum vorbereitet?

Wer weniger routiniert ist, kann sich dabei an folgender groben Struktur- und Zeiteinteilung orientieren. Vorstellungsgespräche laufen klassischerweise in fünf Phasen ab: Begrüßung/Smalltalk zum Warmwerden (5 Minuten), Vorstellungsrunde aller Gesprächsteilnehmer (5 bis 10 Minuten), Vorstellung durch und Fragen an den Kandidaten (30 bis 40 Minuten), Unternehmensvorstellung (5 bis 10 Minuten), Rückfragen des Bewerbers (10 Minuten), Abschluss (5 Minuten).

Wichtiger Tipp: Lob oder Tadel wirken nachhaltig

Bewerber teilen ihre Erfahrungen immer öfter in den sozialen Medien und auf Arbeitgeberbewertungsportalen mit. Also lieber ein paar Minuten mehr als weniger in die Vorbereitung investieren!
 


Die Expertin:

Christina Krey ist seit 2014 als Personalberaterin bei SOLUTE recruiting in der Auswahl und Besetzung von Führungspositionen in der Gesundheitswirtschaft tätig. Sie führt neben zahlreichen Interviews auch regelmäßig Assessment Center für Kunden durch. Als ausgebildeter Coach und weitergebildete Organisationsberaterin begleitet sie zudem Klienten und Unternehmen in Veränderungsprozessen.

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