Beim Abschluss von Zielvereinbarungen lauern viele Fallen. Nur klare und verbindliche Regelungen verhindern unnötigen Streit zwischen Chefarzt und Krankenhausträger.
Inzwischen sind Zielvereinbarungen ein beliebtes Instrument und fester Bestandteil von Chefarztdienstverträgen. Sie bilden die dritte Säule der Chefarztvergütung, neben der Festvergütung und den variablen Vergütungsbestandteilen in Form der Beteiligungsvergütung oder des Liquidationsrechts. Während solche Bonusregelungen in der Wirtschaft schon lange ein zugleich beliebtes und umstrittenes Instrument sind, waren sie im Gesundheitswesen lange Jahre unbekannt. Dies änderte sich mit dem Umstieg vom herkömmlichen Liquidationsrecht auf die Beteiligungsvergütung.
Sonderregelung für Krankenhäuser
Anfangs haben die Krankenhäuser die aus der freien Wirtschaft stammenden Zielvereinbarungen auf die Situation im Krankenhaus übertragen, ohne den Besonderheiten des Gesundheitswesens Rechnung zu tragen. So wurden Ziele formuliert, die zuvorderst auf eine Leistungsausweitung zielten, sei es in Form eines Fallzahlzuwachses oder einer Verbesserung des Case-Mix-Indexes. Nach einigen Jahren des „Wildwuchses“ griff der Gesetzgeber ein und erließ eine Sonderregelung für Krankenhäuser, die finanzielle Anreize für Leistungsausweitungen verhindern soll (§ 135 c SGB V). Erst die Einführung dieser Regelung, verbunden mit einer Offenlegungspflicht der Krankenhäuser (§§ 135 c Abs. 2, 136 b SGB V) hat zu nennenswerten Änderungen der Vertragspraxis geführt, obwohl die Berufsordnungen der Landesärztekammern Ärzten schon vorher die Vereinbarung von Zielen untersagt hatten, die sie in ihrer ärztlichen Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten.
Mit der zwischenzeitlich noch einmal verschärften Regelung wurden die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Bundesärztekammer (BÄK) verpflichtet, einvernehmliche Empfehlungen zu verabschieden, die sicherstellen, dass Zielvereinbarungen ausgeschlossen sind, die „auf finanzielle Anreize insbesondere für einzelne Leistungen, Leistungsmengen, Leistungskomplexe oder Messgrößen hierfür abstellen“. Die Empfehlungen sollen insbesondere die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen sichern. Die BÄK veröffentlichte gemeinsam mit dem Verband der leitenden Krankenhausärzte Einschätzungen zur rechtlichen Zulässigkeit zahlreicher Formulierungsbeispiele.
In ihrem jährlichen Qualitätsbericht müssen die Krankenhäuser zudem angeben, ob sie sich an diese Vorgaben halten (§§ 135 c Abs. 2, 136 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V). Zulässig sind insbesondere Ziele, die keinen unmittelbaren Bezug zur eigentlichen ärztlichen Leistung haben. Beispielhaft zu nennen sind Vorgaben zum zeitnahen Absetzen der Arztbriefe oder zur Einführung neuer Behandlungsmethoden.
Sinnvoll: klar definierte und erreichbare Ziele
Doch die rechtliche Zulässigkeit eines Ziels sagt noch nichts darüber aus, ob dieses Ziel auch sinnvoll ist. Damit die Zielvereinbarung nicht allseitig frustriert, ist entscheidend, dass die zwischen Krankenhausträger und Chefarzt vereinbarten Ziele klar definiert und tatsächlich erreichbar sind. Allgemein hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Ziele nach der sogenanntenn SMART-Formel vereinbart werden sollten. Die Buchstaben stehen für die Aspekte spezifisch, messbar, ausführbar, realistisch und terminiert.
Unspezifische Ziele, also Ziele, die nicht ins Aufgabengebiet des Chefarztes zielen, sind ungeeignet. Weiter muss die Zielerreichung klar messbar sein. Auch ausführbar, sprich erreichbar, muss das vereinbarte Ziel sein. Nicht ausführbare Ziele steigern nicht die Leistung, sondern die Frustration. Solche realistischen Ziele, die darüber hinaus terminiert sind, können geeignet sein, die Leistungsfähigkeit der Abteilung zu erhöhen, ohne dabei das Wohl der Patienten oder der Mitarbeitenden zu gefährden. Daher sollten Chefärzte insbesondere darauf achten, dass vereinbarte Ziele messbar sind. Ungeeignet und ein Quell von Streit sind „weiche“ Ziele wie Patientenzufriedenheit, Qualitätsverbesserung oder Reputation des Klinikums.
Klare Regelungen im Chefarztdienstvertrag
Entscheidend ist letztlich, wie diese Erkenntnisse im Arbeitsvertrag und den jährlich abzuschließenden Zielvereinbarungen umgesetzt werden. Bereits die Frage, wer wen zum Zielvereinbarungsgespräch einladen muss, wirkt sich auf die rechtliche Position im Falle einer Auseinandersetzung aus. Ein denkbarer Schadensersatzanspruch des Chefarztes gegen den Krankenhausträger kann schon an dieser Frage scheitern, ohne dass es auf die Frage des Erreichens der Ziele noch ankäme. Solche Fehler sind im späteren Arbeitsverhältnis kaum noch zu korrigieren. Auch die jährlich abzuschließenden Zielvereinbarungen müssen konkret gefasst werden, um späteren Streit zu vermeiden. Nur klare und verbindliche Regelungen im Chefarztdienstvertrag verhindern unnötigen Streit zwischen Chefarzt und Krankenhausträger.
Eindeutig geregelt werden sollte insbesondere:
- Mindesthöhe des zu erreichenden Bonus,
- konkrete Vorgaben für die jeweils zu vereinbarenden Ziele,
- klare Verfahrensregeln dafür, wie die jährliche Zielvereinbarung zu beschließen ist, insbesondere Fristen, bis wann Gespräche geführt werden müssen und wer wen zum Gespräch einladen muss,
- klare Verfahrensregeln für den Fall, dass eine Zielvereinbarung dennoch nicht zustande kommt, zum Beispiel Anspruch des Chefarztes auf Bonus in Mindesthöhe, falls die Zielvereinbarung aufgrund Verschuldens des Krankenhausträgers nicht zustande kommt.
Zielvereinbarung: Konkrete Ziele fürs Folgejahr
In der eigentlichen, jedes Jahr neu abzuschließenden Zielvereinbarung sind sodann die konkreten Ziele für das Folgejahr zu vereinbaren. Zu prüfen ist, ob die Ziele, die der Krankenhausträger vorschlägt, spezifisch, messbar, ausführbar, realistisch und terminiert sind. Nicht beeinflussbare oder unerreichbare Ziele sollten Chefärzte nicht vereinbaren. Auch sollten sie Regelungen vermeiden, die bereits in der Vertragsklausel enthalten sind. Ein solches doppeltes Erwähnen führt schnell zu widersprüchlichen Regelungen und Streitigkeiten. Die Zielvereinbarung sollte sich auf die Vereinbarung der zu erreichenden Ziele und die damit zusammenhängenden Verdienstmöglichkeiten beschränken.
Schließlich sollten Chefärzte auch darauf achten, dass das Verhältnis stimmig ist zwischen fester Vergütung, variabler Vergütung und dem Anteil der Vergütung, den sie über die Zielvereinbarung erzielen können. Ist dies der Fall, steht einer langjährigen Zusammenarbeit nichts mehr im Wege.
Dtsch Arztebl 2020; 117(37): [2]
Der Autor:
Dr. iur. Torsten Nölling
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
04229 Leipzig