Ärztinnen und Ärzte in Führung: Konflikte leichter lösen

4 August, 2021 - 08:06
Dr. med. Sonja Güthoff, MBA
Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Führungskräfte-Trainerin, Stress- und Burnout-Coach und leitet die Leaders Academy Augsburg - Garmisch Partenkirchen
Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Führungskräfte-Trainerin, Stress- und Burnout-Coach und leitet die Leaders Academy Augsburg - Garmisch Partenkirchen

Im Studium lernen Mediziner und Medizinerinnen nicht, andere zu führen. Dabei ist Führung ab dem ersten Tag der Assistenzarztzeit ein Thema. In der Reihe "Ärztinnen und Ärzte in Führung" gibt die Ärztin und Führungskräfte-Trainerin Dr. med. Sonja Güthoff Tipps. Im ersten Teil geht es darum, wie sich Konflikte leichter lösen lassen.

Wir Mediziner und Medizinerinnen sind akademisch hervorragend ausgebildet, lernen aber nicht, wie man sich und andere führt. Wir starten ambitioniert, idealistisch und motiviert in den Klinikalltag… und schon finden wir uns mittendrin zwischen den Patienten und Patientinnen, den Wünschen des Chefarztes oder der Chefärztin, führen schon zu Beginn der Assistenzarztzeit die Station, geben den Gesundheits- und Pflegekräften Anweisungen, ohne disziplinarische Handhabung, leiten Studierende an und versuchen uns noch irgendwie selber zu führen.

Aber wie lernt man eigentlich, sich und andere zu führen? Wie kann man bessere Entscheidungen treffen, Konflikte im Team managen, sich gut positionieren, die Zeit optimal nutzen, gut mit Fehlern umgehen und sich selbst sowie andere in der Klinik motivieren?

In der neuen Reihe „Ärztinnen und Ärzte in Führung“ gebe ich Ihnen konkrete Tipps, wie Sie Ihre Führungskompetenz noch verbessern können – für mehr Souveränität, Gelassenheit und Freude in Klinik und Praxis. Den Anfang der Reihe stellt das Thema "Konflikte besser lösen" dar.

Konflikte entstehen überall – auch in Klinik oder Praxis

Wo Menschen miteinander arbeiten, entstehen auch immer wieder Konflikte. Davon sind wir Ärzte und Ärztinnen auch in der Klinik oder der Praxis betroffen. Aber gerade im medizinischen Umfeld sind wir auf gute Zusammenarbeit mit vollem Fokus auf die Patienten und Patientinnen angewiesen. Daher ist es absolut sinnvoll, Konflikte zu erkennen und souverän mit ihnen umzugehen. Welche Konflikte gibt es in Ihrem Umfeld? Wie wirken die Konflikte auf die allgemeine Stimmung? Wie werden Konflikte bei Ihnen auf der Station, im OP oder in der Praxis in der Regel gelöst?

Wir bringen immer unsere eigenen Muster mit, wie wir gelernt haben, auf Konflikte zu reagieren. Nach der Methode „Konfliktnavigation“ von Christoph M. Michalski unterscheidet man vier Konfliktmuster, die verhaltenspsychologisch angelegt sind.  

Merke

Wir reagieren in der Regel nach vier verschiedenen Konfliktmustern, wobei eines je nach Persönlichkeit führend ist. Im Laufe eines längeren Konfliktes können sich die Reaktionsmuster jedoch auch ändern.

Tabelle "Konfliktmuster nach Christoph M. Michalski" zum Download (jpg, 455 kB)

Konfliktmuster erkennen

Grundsätzlich können wir alle Muster anwenden, jedoch dominiert meist je nach Verhaltensprägung ein Muster, das vor allem bei impulsiven Konflikten zum Tragen kommt. Besonders viel Explosionspotential besteht, wenn in einem Konflikt verschiedene Muster aufeinanderstoßen. Das zu erkennen, kann bereits der erste Schritt sein, um das eigene Verhalten, aber auch das des anderen Konfliktparts zu verstehen.

Unabhängig vom Auslöser des Konflikts werden in der Konfliktnavigation als Kern des Konfliktes drei Grundbedürfnisse definiert. Sobald man ein Grundbedürfnis bei sich und am besten auch bei den anderen eruiert hat, ist die Basis geschaffen, den Konflikt gemeinschaftlich zu meistern.

Toolbox Führung

Überlegen Sie, welches Grundbedürfnis bei Ihnen selber und vermutlich auch bei dem anderen Konfliktpart zugrunde liegen. Man unterscheidet:

  • Bedürfnis nach Sicherheit
  • Bedürfnis nach Zugehörigkeit
  • Bedürfnis nach Wachstum

Mit neutralen, ehrlich gemeinten Fragen können Sie herausbekommen, ob Sie mit der Vermutung des Grundbedürfnisses des Gegenübers recht haben.

Beispiel aus der Praxis

Ein Assistenzarzt der Allgemeinchirurgie in einem Kreiskrankenhaus wird offensichtlich häufiger als die anderen Assitenzärzte und -ärztinnen im OP eingeteilt. Die Benachteiligten reden bereits hinter dem Rücken des Assistenzarztes. Sobald er aus dem OP kommt, muss er Entlassbriefe diktieren, die ihm die anderen „übriggelassen“ haben. Er ärgert sich und schimpft, dass alle relativ pünktlich gegangen sind, nur er noch auf der Station festsitzt. Er beschwert sich bei der Stationsoberärztin, dass nur er die ganze Arbeit machen muss, was wiederum die anderen ärgert. Als er eine Einladung zum Gin-Tasting mit Freunden erhält, die er wegen seiner langen Arbeitszeiten viel zu selten sieht, versucht er, seinen Dienst mit jemanden zu tauschen. Aber niemand ist bereit, ihm diesen Gefallen zu tun. Die Stimmung ist explosiv und eskaliert.

Die Oberärztin bittet den Assistenzarzt zu sich ins Büro, um mit ihm und später mit Vertretern der anderen persönlich unter vier Augen zu sprechen. Sehr schnell wird ihr mit freundlichen, offenen und verständnisvollen Fragen der Kern des Problems klar. Der Assistenzarzt fühlt sich erschöpft und ausgestoßen – sein Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit ist verletzt. Die anderen Assistenzärzte und -ärztinnen fühlen sich benachteiligt, weil sie selbst weniger in den OP dürfen – ihr Bedürfnis nach beruflichem Wachstum ist verletzt. Ein gemeinsames Gespräch mit allen bringt den Konflikt auf eine vernünftige Ebene. Der geschäftsführende Oberarzt verspricht eine fairere OP-Einteilung.

Konfliktgespräche – auf die Planung kommt es an

Konfliktgespräche sollten gut geplant werden – unabhängig davon, ob ich selber in einen Konflikt involviert bin oder zwischen anderen Konfliktparteien vermitteln möchte. Dabei sollte geklärt werden, wo das Gespräch stattfindet (im Büro, im Arztzimmer, gibt es einen neutralen Ort oder ist ein Spaziergang möglich)? Wer soll alles am Konfliktgespräch teilnehmen (unter vier Augen, im Team, gemeinsam mit Oberarzt oder Chefärztin)?

Wann findet das Gespräch statt (morgens vor der Visite, nach der Mittagspause, nachmittags)? In welcher Form findet das Gespräch statt (persönlich, schriftlich, telefonisch)? Welche Grundeinstellung habe ich zum Konflikt? Kann ich selber freundlich, offen und verständnisvoll in das Klärungsgespräch gehen? Denken Sie daran, dass unsere Körpersprache geprägt von Körperhaltung, Mimik und Gestik den größten Teil unserer Kommunikation ausmacht. Fragen Sie sich vor dem Gespräch, ob Sie Ihre Einstellung zum Konflikt noch optimieren können.

Tipp

Wenn es Ihnen möglich ist, bereiten Sie den Rahmen für ein Konfliktgespräch gut vor.

  • Wo?
  • Mit wem?
  • Wann?
  • Wie?
  • Mit welcher Einstellung?

Konflikte-Management ist immer auch Emotions-Management. Allerdings bietet Ihnen jeder Konflikt auch die Chance einer Verbesserung. Sie haben unter anderem auch die Möglichkeit, sich selbst und Ihr Team besser kennen und verstehen zu lernen. Viel Freude und Souveränität beim Konflikte lösen!

Die Autorin:

Dr. med. Sonja Güthoff, MBA ist Ärztin, Führungskräfte-Trainerin, Stress- und Burnout-Coach. Auf ärztestellen.de gibt sie regelmäßig Tipps zu Führungs-Themen. Als Leiterin der Leaders Academy Augsburg - Garmisch Partenkirchen begleitet sie Ärztinnen und Ärzte, aber auch Führungskräfte aus anderen Branchen dabei, sich und andere besser zu führen.

Sie möchten mehr erfahren? Das Modul „Konflikte lösen leicht gemacht“ mit Christoph M. Michalski als Experte für Konfliktnavigation ist eines der Module im Führungskräfte-Jahresprogramm der Leaders Academy.

Mehr Infos unter www.leaders-academy.com.

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