Arbeitsrecht: Arbeiten beim Kooperationspartner – wo Fallstricke lauern

16 März, 2021 - 08:32
Frank Hermeyer
Symbol-Grafik Arbeitsrecht: Zahnräder mit Paragrafen

Die Arbeitnehmerüberlassung ist eine rechtlich zulässige, aber administrativ aufwendige Lösung, angestellte Ärztinnen und Ärzte für einen bestimmtem Zeitraum in einer kooperierenden Klinik einzusetzen.

Auf Ebene der Chefärzte kommt oft die Idee auf, mit anderen Krankenhäusern zusammenzuarbeiten. So kann eine Kooperation eine Lösung sein, um sich mit der Bündelung von Fällen bewusst auf Kernkompetenzen zu konzentrieren. Doch was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, steckt voller rechtlicher Fallstricke. Bereits in der Konzeptionsphase einer Kooperation ist an praktikable und arbeitsrechtlich zulässige Mechanismen zu denken.

Modelle für den Austausch von Ärzten

Sollen angestellte Ärztinnen und Ärzte beim Kooperationspartner tätig werden, ist auf die vertragliche Grundlage zu achten. Die rechtlich einfachste Variante ist die Teilanstellung. Mitarbeitende haben für den Zeitraum der Kooperation zwei Arbeitgeber. Oft möchte man dem Kooperationspartner, der immer auch Konkurrent auf dem Arbeitsmarkt ist, die eigenen Beschäftigten dann aber doch nicht als Arbeitnehmer anbieten. Dann fallen schnell Schlagworte wie Honorar- und Dienstleistungsvertrag oder auch die Arbeitnehmerüberlassung. Doch welches Modell ist geeignet?

Ärzte im Krankenhaus sind weisungsgebunden tätig und in eine Arbeitsorganisation eingegliedert. Das hat das Bundessozialgericht im Jahr 2019 in mehreren Urteilen bekräftigt. Sie sind daher nicht als Selbstständige anzusehen, sondern als abhängig Beschäftigte mit der Folge der Sozialversicherungspflicht. Wer dennoch Honorarärzte beschäftigt, läuft Gefahr, dass der Rentenversicherungsträger Sozialversicherungsbeiträge nachfordert. Im schlimmsten Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen. Auch das Modell eines Dienstleistungsvertrags kann kaum angewendet werden. Von einer Dienstleisterbeziehung kann man nur ausgehen, wenn Mitarbeitende des Krankenhauses keinerlei Weisungsrecht gegenüber den Beschäftigten des Dienstleisters haben.

Arbeitnehmerüberlassung: Administrative Hürden

Primär bietet sich für den Einsatz angestellter Ärztinnen und Ärzte beim Kooperationspartner das Modell der sogenannten Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) an. Eine Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn ein Krankenhaus (Verleiher) einen Arzt, mit dem es einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, vorübergehend einem anderen Krankenhaus (Entleiher) überlässt. Vertragspartner des Arztes bleibt der bisherige Arbeitgeber. Vorteil: Arbeitsvertrag und Betriebszugehörigkeit bleiben unangetastet, Bezahlung sowie Altersversorgung werden wie gewohnt weitergeführt. Das entleihende Krankenhaus erhält im Verhältnis zum Arzt ein Direktionsrecht, sodass es diesem gegenüber weisungsbefugt ist und Ort, Zeit und Inhalt der Arbeitsleistung bestimmen kann. Nachteil: Da das Gesetz der Intention folgt, Leiharbeit als atypische und prekäre Beschäftigung zurückzudrängen, sind diesem Modell administrative Hürden vorgeschaltet.

So benötigt das überlassende Krankenhaus zunächst eine gebührenpflichtige Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit (BA). Diese verlangt Einsicht in die Verträge zwischen den Kooperationspartnern. Zunächst vergibt die BA eine befristete Erlaubnis. Im Antragsverfahren sind umfassende Unterlagen vorzulegen, wie Gesellschaftsvertrag, Führungszeugnis der Verantwortlichen, Nachweis über liquide Mittel. Die Bearbeitungszeit eines Antrags beträgt oft drei Monate oder mehr. Das Vertragsverhältnis zwischen ver- und entleihendem Krankenhaus ist schriftlich als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag festzuhalten, die überlassenen Ärztinnen und Ärzte sind namentlich zu nennen.

Gleiche Arbeitsbedingungen, gleiches Gehalt

Die betroffenen Ärztinnen und Ärzte sind darüber zu informieren, dass sie als Leiharbeitnehmer tätig werden. Ihnen ist ein Merkblatt der BA über die Inhalte des AÜG auszuhändigen. Erfahrungsgemäß wirken diese Formulierungen oft so abschreckend, dass das verleihende Krankenhaus einige Überzeugungsarbeit leisten muss, um Verunsicherungen abzubauen. In beiden Häusern sind der Personal- oder der Betriebsrat einzubinden.

Für die Zeit der Überlassung sind den betroffenen Ärztinnen und Ärzten die gleichen Arbeitsbedingungen zu gewähren wie den Ärzten im entleihenden Krankenhaus. Im Fokus steht insbesondere die vergleichbare Bezahlung (Equal Pay). Im Einzelfall kann das aufwendig sein, da die beteiligten Häuser Informationen über Zulagen, Prämien und Zahlungen zur betrieblichen Altersvorsorge austauschen müssen. Krankenhäuser dürfen einzelne Arbeitnehmer einem Kooperationspartner längstens 18 Monate überlassen. Danach sind sie verpflichtet, die Arbeitnehmer aus dem entleihenden Krankenhaus abzuziehen. Nach einer Karenzzeit von drei Monaten und einem Tag kann derselbe Beschäftigte beim entleihenden Krankenhaus für weitere 18 Monate tätig werden.

Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder

Die Nichteinhaltung dieser Vorgaben kann Konsequenzen haben. Wer einen Arzt oder eine Ärztin ohne Erlaubnis der BA im Wege der Arbeitnehmerüberlassung verleiht, muss pro Überlassung mit einem Bußgeld bis 30 000 Euro rechnen. Gleiches gilt bei Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer. Werden Beschäftigte nicht namentlich benannt oder kurzfristig ausgetauscht, führt schon das zu einer Ordnungswidrigkeit. Bei Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz drohen noch höhere Bußgelder. Adressat der Bußgeldverfügung ist die Geschäftsführung. Doch auch Chefärzte können von Bußgeldern bedroht sein, wenn sie in die Koordination der Überlassung verantwortlich eingebunden sind.

Kliniken sollten Kooperationen immer mit ausreichend Vorlaufzeit planen. Die Bearbeitungszeit der BA, eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu erteilen, muss einkalkuliert sein. Zeit für Überzeugungsarbeit bei den Beschäftigten und den Mitbestimmungsgremien ist zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist den gesetzlichen Vorgaben entsprechend zu verfassen. Zu beachten sind die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten und Krankheits- und Urlaubsvertretungen. Rotationsmodelle oder der Einsatz mehrerer Beschäftigter in dieser Zeit können eine Lösung sein. Im hektischen Arbeitsalltag werden die Vorgaben schnell übersehen. Ein mit der Koordination der Arbeitnehmerüberlassung betrauter Mitarbeiter in der Klinik kann Abhilfe schaffen.

Dtsch Arztebl 2021; 118(11): [2]
 


Der Autor:

Frank Hermeyer
Leiter Personaladministration,
Stellvertretender Leiter Geschäftsbereich Personal
Universitätsklinikum Münster
48149 Münster

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