Arbeitszeitgesetz: Ruhepausen – Geht nicht? Gibt’s nicht!

20 Januar, 2020 - 09:43
Dr. Andreas Staufer
Comic eines Zeigefingers, der auf einen roten Knopf zeigt, darüber steht Pause

Das Arbeitszeitgesetz gibt vor, wann und wie lange Ruhepausen sein müssen. Wer davon abweicht, riskiert die Gesundheit seiner Beschäftigten. Zugleich setzt er sich arbeitszeitrechtlichen Konsequenzen aus.

Zu unterscheiden sind Ruhepausen von den Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitstagen. Ruhepausen sind während der Arbeitszeit zu gewähren. Sie müssen im Voraus feststehen. Es genügt allerdings auch ein vorgegebener Rahmen, beispielsweise zwischen 12 Uhr und 14 Uhr. Pausen sind also nicht zu nehmen, wenn es gerade geht. Angestellte müssen wissen, wann Pause ist. Anders ausgedrückt: Sie dürfen sich auch auf ihre Pause freuen. Spätestens wenn die Ruhepause beginnt, muss deren Dauer feststehen.

Pausen schaffen Energie und fördern Motivation

Ruhepause ist dann, wenn angestellte Ärzte von jeder Arbeitsverpflichtung und auch von ihrer Arbeitsbereitschaft freigestellt sind. Angestellte dürfen ihre Ruhepausen an einem Ort ihrer Wahl verbringen. Pausen schaffen Energie, fördern die Motivation und haben eine soziale Funktion. Angestellte dürfen nicht auf Abruf sein, sondern dürfen sich ganz ihrer Pause widmen. Teils wird zwar unter Berufung auf ein Urteil aus dem Jahr 1990 vertreten, ein Euro-Piepser könne mitgeführt werden. Doch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsentwicklung sollte dieser während der Ruhepause ausgeschaltet bleiben.

Arbeitsbereitschaft ist Arbeitszeit, während das Personal beispielsweise auf Patienten wartet. Auch kurze Betriebsunterbrechungen und Bereitschaftsdienste sind Arbeitszeit, sodass Arbeitgeber diese nicht als alternative Ruhepause heranziehen können. Der Zustand der Rufbereitschaft ist dagegen Ruhezeit.

6 bis 9 Stunden Arbeit: 30 Minuten Pause

Wenn Ärzte weniger als sechs Stunden arbeiten, ist arbeitszeitrechtlich zunächst keine Ruhepause erforderlich. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer aber nicht ohne Ruhepause beschäftigen. Bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden beträgt die Ruhepause mindestens 30 Minuten. Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden ist die Arbeit insgesamt für 45 Minuten zu unterbrechen. Die Angestellten können ihre Ruhepausen in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufteilen. Unzulässig ist es, Ruhepausen an den unmittelbaren Anfang oder unmittelbar an das Ende der Arbeitszeit zu legen, sie dürfen aber in der ersten oder letzten Stunde sein. Bei Jugendlichen stellt das Jugendarbeitsschutzgesetz noch höhere Anforderungen.

Für Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Menschen lässt das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zwar Ausnahmen zu, allerdings müssen diese unaufschiebbar sein (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 ArbZG). Auch absehbare Notfälle fallen nicht unter diesen Ausnahmetatbestand, sie sind organisatorisch meist zu handhaben. Kollektivvereinbarungen gestatten Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben, aber nur hinsichtlich der Kurzpausen von weniger als 15 Minuten. Dabei sollte die Pause nicht zu kurz sein; mindestens fünf Minuten sollten es schon sein. Letztlich kann die Aufsichtsbehörde Ausnahmen im öffentlichen Interesse zulassen. Doch muss der Gesundheitsschutz der Beschäftigten gewährleistet bleiben.

Vergütet wird die Ruhepause nicht, wenn nicht Arbeits- oder Tarifverträge anderweitige Regelungen enthalten.

Toilettengang: notwendige Arbeitsunterbrechung

Der Gang zur Toilette ist keine Ruhepause. Er ist eine zulässige und überdies notwendige Arbeitsunterbrechung, soweit er nicht zu anderen Zwecken als der Notdurft benötigt wird (vgl. ArbG Köln, Az.: 6 Ca 3846/09). Im Normalfall sollte der Arbeitgeber übrigens auch sicherstellen, dass kurze Toilettengänge für die Angestellten möglich sind. Das Urinieren eines Anästhesisten in einen Behälter während der OP, vor den Augen des Operationsteams, zeugt meist von einem organisatorischen Verschulden des Arbeitgebers. Das gilt jedenfalls bei fehlender personeller Besetzung und der Vorgabe des Arbeitgebers, dass ein Toilettengang während der Operationszeiten für die Anästhesisten nicht möglich sei.

Ohne die möglichen Konsequenzen zu vertiefen, ist ein Verbot des Toilettengangs während der Arbeitszeit rechtswidrig. Ein solches dürfte nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen zulässig sein, wenn die Arbeit anderweitig nicht sichergestellt werden kann. Als Beispiel kann sicher ein Astronaut im Außeneinsatz dienen. Doch selbst in diesen besonderen Ausnahmefällen müsste der Arbeitgeber Vorsorge tragen, um den menschlichen Bedürfnissen gegebenenfalls technisch Rechnung zu tragen. Vorrangig ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Dienstplan organisatorisch so zu gestalten, dass kurze Abwesenheiten für den Gang zur Toilette möglich sind. Gegebenenfalls sind Pinkelpausen während der Operationen einzuplanen. Ausnahmen sind nur in seltenen Fällen zu begründen.

Ruhepausen lassen sich immer organisieren

Gerade in der Notaufnahme, in der Notfallrettung und bei längeren Operationen stellt sich die Frage: Wie sollen wir die Ruhepausen einhalten? Das ist eine Frage der Organisation. Arbeitgeber müssen eine Personalreserve vorhalten, um einen Spitzenbedarf abzudecken.

Natürlich kann die laufende Tätigkeit nicht unterbrochen werden, wenn der Patient ansonsten zu Schaden kommt. Aber: Ruhepausen lassen sich organisieren. Dabei sind viele verschiedene Modelle möglich. Der Arbeitgeber muss organisatorisch gewährleisten, dass die Ruhepausen eingehalten werden. Ihm stehen unterschiedliche Dienstplanmodelle sowie technische und personelle Delegationsmöglichkeiten zur Verfügung. Er sollte diese Möglichkeiten prüfen. Gewährt der Arbeitgeber Ruhepausen nicht oder nicht rechtzeitig, handelt er zudem ordnungswidrig. Bei Vorsatz macht er sich gegebenenfalls strafbar.

Genehmigt ein Arbeitgeber keine Ruhepause, stehen Arbeitnehmern verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Eine davon kann die Abmahnung des Arbeitgebers (sic!) sein. Bei Nichteinhaltung der Ruhepausen drohen im Schadenfall Schadenersatzansprüche. Ärzte sollten im eigenen Interesse auf die Einhaltung ihrer Ruhepausen achten; sie können darauf nicht verzichten. Das Arbeitszeitgesetz verpflichtet auch sie, Pausen zu beachten. Bei einem Schaden infolge einer Übermüdung wäre ein eigenes Verschulden des Arztes nicht ausgeschlossen. Anzuraten ist daher, Ruhepausen in Arbeitszeitmodellen konsequent zu berücksichtigen.

Dtsch Arztebl 2019; 116(45): [2]
 


Der Autor:

Dr. jur. Andreas Staufer
Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und für Informationstechnologierecht
FASP Finck Sigl & Partner
80336 München

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