Ärzte und Krankenhausträger sind gut beraten, wenn sie die Software, die sie einsetzen, daraufhin prüfen, ob diese ein mit einer CE-Kennzeichnung versehenes Medizinprodukt ist.
Schon längst sind digitale Hilfen bei der Behandlung von Patienten aus dem Krankenhausalltag nicht mehr wegzudenken. Ein wichtiger Baustein sind dabei Krankenhausinformationssysteme, die unterschiedlichste Funktionen haben. Neben der reinen Organisation und Verwaltung integrieren viele Krankenhäuser Medikationssysteme mit medizinischen Funktionen.
Ist dies der Fall, stellt das Medizinprodukterecht besondere Anforderungen an die Sicherheit und den Nachweis. Ein entsprechendes Problembewusstsein ist nicht nur für den Hersteller, sondern auch für den anwendenden Arzt ratsam. Für Ärzte bedeutet das, dass sie unbedingt darauf achten sollten, dass sie das Produkt so anwenden, wie es der Hersteller vorschreibt. Denn nur in diesem Fall wird der Hersteller für das ordnungsgemäße Funktionieren verantwortlich zeichnen.
Software als Medizinprodukt
Wann eine Software ein Medizinprodukt ist, richtet sich nach ihrer Zweckbestimmung. Maßgeblich ist die gesetzliche Definition im Medizinproduktegesetz. Medizinprodukte sind danach alle einzeln oder miteinander verbunden verwendete Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände. Dazu gehört auch Software, die der Hersteller zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmt oder für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinprodukts einsetzt. Die Software wird angewendet, um:
- Krankheiten zu erkennen, verhüten, überwachen, behandeln oder zu lindern,
- Verletzungen oder Behinderungen zu erkennen, überwachen, behandeln, lindern oder zu kompensieren,
- einen anatomischen Aufbau oder physiologischen Vorgang zu untersuchen, ersetzen oder zu verändern oder
- der Empfängnisregelung zu dienen.
Wann die Zweckbestimmung medizinisch ist, entscheidet jeweils der Einzelfall. Die europäischen Hilfestellungen sehen Abgrenzungskriterien vor. Ein medizinischer Zweck liegt demnach vor, wenn die Software die Diagnose- oder Prognosefindung unterstützt oder die Behandlung eines Patienten. Das trifft zu auf Software:
- mit dem Zweck der Planung einer Strahlentherapie und Hilfe bei der Dosierung und bei der Errechnung der Diagnose, jeweils bezüglich eines speziellen Patienten,
- zur Dosisberechnung einer Dosierung von Zytostatika oder
- zur Diagnosefindung (Beispiel: das automatische Lesen und Bewerten von Röntgenbildern).
Die rein für administrative Zwecke eingesetzte Software ist ausdrücklich kein Medizinprodukt.
Medizinische Funktionen
Zunächst ist das Ziel, die Behandlung zu dokumentieren. Wichtige Parameter sind die vorgegebenen Patientendaten und Werte, die für die Diagnose und Therapie oder für die an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen wesentlich sind. Im Zusammenhang mit der Diagnose werden Messwerte von medizinischen Geräten oder Labor-Informationssystemen in das Medikationssystem übertragen. Darin sind bereits Daten und ein Berechnungsalgorithmus hinterlegt. Diese Daten werden verarbeitet. So kann das Medikationssystem Alarme, Hinweise, Labor- und Vitaldaten anzeigen. Auf diese Weise wird die ärztliche Diagnosestellung unterstützt. Neben der Diagnose unterstützen die Systeme auch die Therapie, primär durch automatische Wirkstoffdosierungen oder Infusionsraten nach Volumen, Körpergewicht oder -oberfläche. Grundlage sind entweder eingegebene oder schon im Medikationssystem vorhandene Daten. Für einzelne Medikamente können die Systeme konfigurierbare Standarddosierungen vorschlagen.
BGB: Ärztliche Verantwortung
Der Arzt ist seinem Patienten verpflichtet. Das Gesetz sieht vor, dass er die zum Zeitpunkt der Behandlung fachgerechte Behandlung schuldet (§ 630 a BGB). Zwar ist im Krankenhaus der Krankenhausträger in der Regel der rechtliche Vertragspartner des Patienten. Nichtsdestotrotz ist der behandelnde Arzt dem Patienten gegenüber auch deliktsrechtlich verpflichtet, genau wie das nicht-ärztliche Personal.
Für die Behandlung ist in der Regel technische Unterstützung erforderlich. Diese kann, wie ausgeführt, ein Medikationssystem leisten. Entsteht dem Patienten aufgrund der Behandlung ein Schaden, stellt sich die Frage, wer für den Schadenersatz verantwortlich ist. Dies wiederum wird davon abhängen, wem der Fehler passiert ist. Primär ist der Arzt erster Ansprechpartner des Patienten. Ist das im Zusammenhang mit der Behandlung genutzte Gerät fehlerhaft, kann auch der Hersteller in der Pflicht sein. Wenn es sich um Medizinprodukte handelt, gilt das Haftungsregime für Medizinprodukte. Geht es nicht um solche, gelten die allgemeinen Regeln der Haftung.
Das Krankenhaus und die Ärzte sind im Rahmen der Organisationspflicht generell gehalten, die Software so auszuwählen, dass den Patienten keine Schäden entstehen. Zu dieser Organisationspflicht würde beispielsweise auch die Organisation der Hygiene gehören, die personelle Ausstattung oder der ordnungsgemäße apparative Standard.
Nicht-Medizinprodukt als Medizinprodukt
Wenn Ärzte eine Software einsetzen, die nicht als Medizinprodukt klassifiziert ist, hat dies rechtliche Auswirkungen. Zum einen kann man den Arzt als Nutzer der Software dann als Betreiber des Medizinprodukts ansehen. Dann sind zum Beispiel auch die Regelungen der Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV) zu beachten. Medizinprodukte dürfen nur ihrer Zweckbestimmung entsprechend und nach den Vorschriften dieser Verordnung und den allgemein anerkannten Regeln der Technik betrieben und angewendet werden (§ 4 MPBetreibV). Veränderungen des Produkts sind nicht erlaubt. Unter Umständen stellt der Arzt durch die Umwidmung selbst ein Medizinprodukt her und wäre dann verantwortlich.
Wenn Kliniken Medikationssysteme für medizinische Zwecke nutzen, obwohl dieses kein Medizinprodukt ist, existiert ein Haftungsrisiko sowohl für den Krankenhausträger als auch für die anwendenden Ärzte. Der Anwender ist dann nicht nur Betreiber, er kann auch als Hersteller eines neuen Medizinprodukts angesehen werden. Zwar ist das erlaubt, doch muss dann das korrekte Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden sein. Ansonsten ist die Sicherheit nicht nach den Regularien geprüft und entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben.
Dtsch Arztebl 2019; 116(8): [2]
Der Autor:
Dr. iur. Oliver Pramann
Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Medizinrecht
Kanzlei 34
30175 Hannover