Die aktuelle Corona-Krise verlangt Klinikmitarbeitern viel ab – nicht nur denen, die auf Intensivstationen und in Notaufnahmen arbeiten. In so einer Situation liegt es auch in der Verantwortung der Arbeitgeber, sich um das Wohl ihrer Belegschaft zu kümmern – körperlich, aber auch psychisch. Wie das gelingen kann, beschreibt Dr. Daniela Zahnen, Ärztliche Direktorin und Chefärztin der CIP Tagesklinik München Nymphenburg, im Interview.
Frau Dr. Zahnen, Sie sind Ärztliche Direktorin einer Tagesklinik für Patienten mit psychosomatischen Erkrankungen. Wie hat sich durch die Corona-Krise die Situation in dieser Klinik verändert?
Dr. Daniela Zahnen: In den vergangenen Wochen hat sich die Situation in unserer Tagesklinik definitiv verändert. Inzwischen finden wir aber so langsam in eine Routine innerhalb dieses Ausnahmezustandes. Bei vielen Mitarbeitern gab es eine große Verunsicherung – das liegt sicher auch an der medialen Berichterstattung zum Thema Corona. Eine Frage war zum Beispiel: Kann es bei uns in der Klinik weitergehen – und wie? Da haben wir versucht, durch viel interne Kommunikation und Information unseren Mitarbeitern mehr Sicherheit zu geben. Vor allem die Information, dass wir weiterarbeiten können, hat für viel Erleichterung gesorgt. Eine maßgebliche Veränderung für die Mitarbeiter ist sicherlich, dass wir unser Therapieprogramm grundlegend umgestellt haben, um unsere Patienten und die Mitarbeiter umfassend schützen zu können.
Wie haben Sie das Therapieprogramm an die aktuelle Situation angepasst, um auch die nötigen Sicherheitsabstände einhalten zu können?
Dr. Daniela Zahnen: Unsere Patienten kommen derzeit nur noch halbtags in einem Schichtsystem in die Tagesklinik – dadurch sind weniger Menschen gleichzeitig im Haus. Wir nutzen größere Gruppenräume, um die Abstände zwischen den einzelnen Personen möglichst groß zu halten. Da ist jetzt viel Flexibilität notwendig. Aber mithilfe unserer sehr engagierten Mitarbeiter ist es uns gelungen, die Konzepte entsprechend anzupassen. Wichtig war uns dabei, immer wieder in die Teams zu gehen und mit den Mitarbeitern zu sprechen. Da gab es viele Eins-zu-Eins-Gespräche – aber auch Runden mit den ganzen Teams. Unsere PR-Abteilung hat uns dabei sehr unterstützt und schriftliche Mitarbeiterinformationen zusammengestellt, in denen die Maßnahmen vom RKI nochmal genau erklärt wurden. Und so haben wir die externen Empfehlungen für uns angepasst und umgesetzt. Uns ist es wichtig, dabei so viel Transparenz wie möglich zu schaffen, um die Verunsicherung der Mitarbeiter aufzufangen.
Welche Sorgen treiben die Mitarbeiter derzeit denn konkret um?
Dr. Daniela Zahnen: Viele nehmen eine Diskrepanz wahr zwischen den Ausgangsbeschränkungen draußen und den deutlich mehr Menschen, die bei uns in der Klinik aufeinandertreffen. Da arbeiten wir unter ganz anderen Bedingungen, als z.B. Menschen, die sich im Home-Office viel leichter von Kontakten fernhalten können. Das war anfangs für viele Kollegen nicht leicht. Aber mit unseren Umstellungen können die Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Und ganz klar: Wir haben einen Versorgungsauftrag. Da viele ambulante und teilstationäre Angebote in unserem Bereich derzeit wegbrechen, besteht eine hohe Nachfrage für die verbleibenden Angebote. Die Mitarbeiter bei uns motiviert es sehr, dass sie eine wichtige und sinnstiftende Aufgabe haben. Wir müssen für unsere Patienten da sein, die ohnehin belastet sind und die in dieser besonderen Situation viel mehr Unterstützung brauchen. Für die Mitarbeiter erleichtert es vieles, wenn sie das Gefühl haben, auch gesamtgesellschaftlich ein wichtiges Rädchen im Gesundheitssystem zu sein.
Können Sie die Patienten denn noch in dem gleichen Umfang behandeln wie sonst?
Dr. Daniela Zahnen: Aktuell kommen nur noch die schwerer belasteten Patienten zu uns. Diejenigen, die auch ambulant weiterbehandelt werden können, haben wir in Abwägung des jeweiligen Einzelfalls und nach Rücksprache mit dem Patienten vorzeitig entlassen. Unsere Patienten kommen jetzt nur noch vormittags oder nur noch nachmittags. Wir haben die Größen der Therapiegruppen auf maximal fünf Patienten angepasst. Die geringere Gruppengröße führt dazu, dass wir doppelt so viele Gruppen wie sonst abdecken müssen, wodurch die Therapiedosis für den einzelnen Patienten etwas reduziert wurde. Aber so können wir weiterhin eine flächendeckende Versorgung sicherstellen. Auch neue Patienten werden nach sorgfältiger Risikoabwägung aufgenommen, und ihnen wird das angepasste Konzept auch offen kommuniziert. Und die Patienten sind derzeit unglaublich dankbar, dass es überhaupt noch Therapieangebote gibt.
Welche Auswirkungen hat die aktuelle Situation auf die Patienten, die ja psychisch ohnehin schon belastet sind?
Dr. Daniela Zahnen: Gerade bei Menschen mit Depressionen sind sozialer Rückzug und der Wegfall von positiven Aktivitäten ein Auslöser oder verstärkender Faktor. Das fällt gerade natürlich vermehrt ins Gewicht. Das heißt, gerade die Methoden, die sonst gegen eine Depression helfen – also, soziale Kontakte pflegen, aktiv werden, rausgehen – fallen aktuell zu einem großen Teil weg. Deshalb ist es wichtig, den Patienten jetzt neue Strategien zu vermitteln. Und das ist in einem teilstationären Angebot intensiver möglich als z.B. einmal pro Woche per Online-Sprechstunde.
Wie sieht es bei Ihnen aktuell mit der Personaldeckung aus? Haben Sie genug Mitarbeiter, um die derzeitige Situation zu meistern?
Dr. Daniela Zahnen: Wir nehmen die Sicherungsmaßnahmen sehr ernst – das bedeutet auch, dass wir Mitarbeiter und Patienten mit den kleinsten Erkältungssymptomen erstmal zu Hause lassen und auf eine Corona-Infektion testen lassen. Bis das – bislang glücklicherweise immer negative – Ergebnis vorliegt, kommt es natürlich immer wieder zu Ausfällen. Aber wir haben das Glück, dass wir zur Ideamed-Gruppe gehören. Da haben wir tägliche Abstimmungen mit den anderen Kliniken und können so auch von einem anderen Standort Unterstützung bekommen, wenn das nötig ist.
Wie ist die Stimmung aktuell bei Ihnen im Haus?
Dr. Daniela Zahnen: Individuell kann die Stimmung bei jedem auch nach Tagesform stark wechseln – das kennt aktuell wahrscheinlich jeder. Aber die Gesamtstimmung ist erstaunlich gut. An dieser Stelle ein großes Kompliment an die Mitarbeiter, die jeden Tag herkommen und ihre Arbeit sehr gut und engagiert machen. Ihre Sorgen können Sie auch hier platzieren, in allen Einrichtungen der Ideamed-Gruppe gibt es Krisen-Ansprechpartner. Wenn doch mal ein Mitarbeiter Schwierigkeiten hat – sei es beruflich oder im persönlichen Umkreis – gibt es jemanden, an den er oder sie sich wenden kann. Und wenn es jemand Neutraleren braucht, gibt es feste Sprechstunden bei einer sehr erfahrenen Therapeutin und Supervisorin. Uns ist es einfach wichtig, die Mitarbeiter da zu unterstützen. Und es hilft auch, dass aus der Gesellschaft derzeit so viel Anerkennung und Unterstützung für die Mitarbeiter im Gesundheitssystem kommt.