Elektronische Patientenakte: Herzstück digitaler Behandlungsbegleitung

23 März, 2021 - 08:07
Dr. Christian Heitmann und Patrick Winter
Grafik elektronische Patientenakte

Nur wenn die Basisdaten der Gesundheitsversorgung digital vorliegen, lassen sich in Kliniken auch weitere Prozesse digitalisieren. Dadurch ergeben sich für alle Beteiligten Vorteile.

Krankenhäuser in Deutschland haben viele Möglichkeiten, Behandlungspfade durch digitale Transformationsprojekte zu optimieren. Doch sind die Anlaufhürden häufig zahlreich und hoch: Angst vor der einhergehenden Veränderung, Unglaube an Machbarkeit und Effizienz der Maßnahme und vor allem die zu erwartenden Investitionskosten und deren Refinanzierbarkeit. Mit dem Krankenhauszukunftsfonds hat das Bundesministerium für Gesundheit ein Förderprogramm aufgelegt, das die Digitalisierung von Krankenhäusern vorantreiben soll. Das Neue dabei: Wer nicht mitmacht und seine Infrastruktur nicht digitalisiert, muss mit Sanktionen rechnen.

Zentraler patientenorientierter Datenspeicher

Der Umsetzungsstand der elektronischen Patientenakte (ePA) in deutschen Krankenhäusern beträgt nach einer Studie der Stiftung Münch gerade mal 77 von maximal 114 Punkten. Damit hinkt Deutschland im internationalen Vergleich hinterher und belegt im europäischen Ranking Platz 13 von 20. Aber nur wenn die Basisdaten der Gesundheitsversorgung digital umfassend und integriert vorliegen, lassen sich weitere Prozesse und Interaktionen digitalisieren. Die ePA ist das Herzstück der digitalen Behandlungsbegleitung, da sie als zentraler patientenorientierter Datenspeicher Informationen aus allen Fachabteilungen (medizinische Dokumentation) und Stationen (pflegerische Dokumentation) sowie deren jeweiligen Fachapplikationen, vom Laborinformationssystem über das Radiologie-Informationssystem bis hin zum „Picture Archiving and Communication System“ zusammenträgt und so fallbezogen unabhängig von Ort und Zeit abrufbar macht. Damit entfällt das lästige Suchen nach der Akte.

Die ePA ist aber nicht nur ein reiner Datenspeicher, sondern kann viel mehr: So kann die komplette Dokumentation der Fieberkurve digitalisiert werden und somit Medikation, Schmerzverlauf sowie Vital- und Laborwerte jedes Patienten im Verlauf dargestellt werden. Aber auch die Weise der Dateneingabe kann sich durch die ePA verändern.

Vorteile für alle Beteiligten

Damit ergeben sich für alle Beteiligten Vorteile: Patienten können bereits vor Aufnahme ihre persönlichen Gesundheitsdaten digital übermitteln, Formulare ausfüllen und Termine verwalten. Pflegende haben immer aktuellste Informationen zum medizinischen wie pflegerischen Status des Patienten sowie zum prozessualen Behandlungsverlauf zur Verfügung. Dies hilft auch, Dienstübergaben zu vereinfachen. Ärzte können Arztbriefe direkt aus den Befunden in der ePA generieren, ohne zusätzlichen Schreibaufwand zu haben und diese über die Telematikinfrastruktur rechtsverbindlich versenden und empfangen.

Neben Vereinfachungen für die Beteiligten ergeben sich auch Verbesserungen der Patientensicherheit. So können Medikationspläne in der ePA hinterlegt und in ein Closed-Loop-System integriert werden. Dadurch kann das Risiko von Medikationsfehlern signifikant gesenkt werden. Auch ist die ePA Voraussetzung für den Einsatz von Tele-Health-Anwendungen sowie das Nutzen von künstlicher Intelligenz im Klinikalltag.

Ein Team entwickelt Dokumentationsstandard

Die Vorteile einer vollständig eingeführten ePA liegen auf der Hand. Jedoch ist die Umsetzung hochkomplex. Hinzu kommt, dass viele Kliniken noch keine Erfahrungen gesammelt haben. Dabei ist das richtige Vorgehen entscheidend für die spätere Akzeptanz und den Nutzen. Basis einer ePA ist der Standard für die medizinische wie pflegerische Dokumentation.

Vor der Umsetzung ist eine Konzeptionsphase für einen einheitlichen hausweiten Dokumentationsstandard zu entwickeln. Dazu ist es ratsam, ein multiprofessionelles Projektteam zu bilden aus ärztlichen, pflegerischen und verwaltungstechnischen Mitarbeitenden, gepaart mit Mitarbeitenden aus der IT und dem Qualitätsmanagement. Dieses Team entwickelt den hausweiten Dokumentationsstandard und gleicht diesen mit dem Dokumentationsstandard des Krankenhausinformationssystems (KIS) ab.

Daraus ergeben sich die Anforderungen und Aktivitäten dafür, den Dokumentationsstandard im angewendeten KIS in einen Dokumentationsstandard für die ePA zu überführen. Dazu bedarf es eines detaillierten Umsetzungsplans.

Erfolgsfaktoren für die ePA-Einführung

Weitere Faktoren sind bei der Implementierung einer elektronischen Patientenakte wichtig:

  • Die ePA ist keinesfalls nur Sache der IT-Abteilung. Durch den tiefen Eingriff in Prozesse sollte das Projekt zur Chefsache erklärt werden und durch eine multiprofessionelle Projektleitung verantwortet werden.
  • Die analoge Akte darf nicht eins zu eins ins Digitale übertragen werden, sondern die Struktur muss neu gedacht werden. Denn digitale Akten sollten nicht nur ein PDF sein, sondern strukturierte Daten so enthalten, dass sie zum einen für Menschen gut lesbar und verständlich sind, zum anderen auch maschinenlesbar sind, um Daten automatisiert weiterverarbeiten zu können.
  • Die Beteiligten sollten darauf achten, dass die Standards des KIS für alle Geltung haben und Anwendung finden. Eine zu hohe Individualisierung, zum Beispiel für einzelne Fachabteilungen, hemmt die hausweite Einführung.
  • Je mehr Fach-/Subsysteme an die ePA angebunden werden, desto größer ist der Nutzen und desto geringer die Medienbrüche und der verbleibende analoge und manuelle Aufwand.
  • Fach-/Subsysteme sollten über standardisierte Schnittstellen angebunden werden, die eine Interoperabilität sicherstellen und die Abhängigkeit von einzelnen Softwareanbietern reduzieren.
  • Die ePA im KIS sollte das führende System sein. Das bedeutet: Das ist der Ort, an dem der aktuellste Datenstand vorgehalten wird, auf den sich alle verlassen können und auf den sich andere Systeme beziehen.
  • Digitale Akten ermöglichen eine sichere und leistungsstarke Archivierung sowie eine besser auszudifferenzierende Berechtigungsstruktur. Diese sollte von Anfang an mitgedacht werden. Berechtigungen sollten möglichst restriktiv vergeben werden, ohne jedoch die Behandlung einzuschränken oder zu gefährden.
  • Die Ergänzung des klassischen Klinischen Arbeitsplatzsystems durch mobile Anwendungen ermöglicht, mobil am Patientenbett zu dokumentieren. Das verbessert die Dokumentationsqualität und -geschwindigkeit. Zusätzlich erlauben diese einen orts- und zeitunabhängigen Informationszugriff und bieten einen Mehrwert.

Dtsch Arztebl 2021; 118(12): [2]
 


Die Autoren:

Dr. Christian Heitmann
Partner, Leiter Geschäftsbereich Unternehmensberatung

Patrick Winter
Berater
Curacon GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
48155 Münster

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