Viele Führungskräfte im Gesundheitswesen erlernen ihr Führungsverhalten durch Trial & Error. Keiner ist zur Führungskraft geboren, doch ist das Ausfüllen dieser Rolle im Arbeitsalltag unbedingt notwendig, um Abläufe zu organisieren, Mitarbeitende zu steuern und zu entwickeln sowie Missverständnisse zu klären.
Um eine Führungsrolle zu erlernen, zu reflektieren und gut auszufüllen, gibt es unterschiedliche Unterstützungsinstrumente, zum Beispiel die Führungskräfteentwicklung und das Coaching. Die Führungskräfteentwicklung umfasst grundlegendes Handwerkszeug, das Coaching hingegen ist ein Spezialwerkzeug. Beide Methoden sind sinnvoll und wirkungsvoll, wenn die Führungskräfte das erlernte Verhalten in die Praxis übertragen und im nächsten Schritt die damit gemachten Erfahrungen reflektieren. Die beiden Werkzeuge unterscheiden sich indes in der Fragestellung und den angebotenen Lösungsmöglichkeiten.
Methode Führungskräfteentwicklung
Beispiel 1: Ein Leitender Oberarzt agiert bei Widerständen oder Gemecker seiner Assistenzärzte aus dem Bauch heraus, versucht bestmöglich mit den Handelnden und den Situationen umzugehen und zu schlichten. Dadurch verschlimmert sich jedoch die Situation, da die Meckernden sich in ihrem Gemecker bestärkt fühlen.
In diesem Fall des Umgangs mit Widerständen oder Gemecker unterstützt die Führungskräfteentwicklung dabei, Unsicherheiten zu beseitigen und Ideen und Handlungsalternativen zum Umgang mit diesen Mitarbeitenden zu erlangen. Eine Gruppe von erfahrenen oder auch Nachwuchsführungskräften wird dabei unterstützt, beispielsweise ihre Führungsrolle und Führungsverantwortung zu definieren, die Aufgaben einer Führungskraft zu diskutieren, den Umgang mit schwierigen Mitarbeitenden zu erlernen und die Führungsinstrumente anwenden zu lernen.
Seminare erläutern Hintergründe
Seminare zur Führungskräfteentwicklung stellen verschiedene Situationen des Führungsalltags dar, sie geben Lösungen und erläutern Tipps und Tricks, basierend auf theoretischen Hintergründen. Die Seminare helfen, das Verhalten der Mitarbeitenden und das eigene Verhalten einzuordnen sowie mögliche Vorgehensweisen und Perspektiven zu erlangen. Diese Seminare sollten immer zum Ziel haben, den Führungskräften in ihrem Führungsalltag in der Praxis zu helfen sowie Grundlagen und Rahmen zu bieten. Im Beispiel des Umgangs mit Widerständen oder Gemecker bedeutet dies, theoretische Hintergründe, Tipps und Tricks zu erhalten, was die Ursachen von Widerständen oder Gemecker sein können (Wahrnehmung und Einstellung der Beteiligten) und welche Reaktionen und Instrumente hilfreich sein können (zum Beispiel Gespräche führen, Rückmeldung der Kollegen einholen und Reflektieren).
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Führungskräfteentwicklungsseminare ist, dass die Teilnehmenden die gelernten Inhalte in die Praxis übertragen. Die Erfahrung, wie die Inhalte und das Verhalten in der Praxis angekommen sind und welche Konsequenzen daraus resultieren, sollten im nächsten Seminar aufgegriffen und reflektiert werden. Das Anwenden des geänderten Verhaltens und das Erleben der damit verbundenen Konsequenzen in der Praxis ist das wesentliche Instrument, um das neu erlernte Wissen und Verhalten zu vertiefen und zu festigen.
Methode Coaching
Beispiel 2: Ein Assistenzarzt steht im Konkurrenzkampf mit seinen Assistenzarztkollegen um jene Aufgaben und Arbeiten, in denen man am meisten lernen kann. Der zuständige Leitende Oberarzt möchte jedoch nicht durchgreifen, da er befürchtet, dass sich der Konflikt dadurch noch verschlimmert.
In diesem Fall gilt es, ein Missverständnis oder einen Konflikt im Arbeitsalltag zu lösen. Dabei ist ein Coaching ein gutes Mittel der Wahl. Coachings bieten sich an, um individuelle, speziell auf die Führungskraft und die Situation zugeschnittene Fragen oder Konflikte zu klären oder zu lösen. Der systemische Ansatz des Coachings ist einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren. Er erklärt das Verhalten von Menschen im Zusammenhang mit deren Beziehungen und Interaktionen untereinander und zu ihrer Systemumwelt. Insofern beachtet er nicht nur das Verhalten des Individuums, sondern auch die Konsequenzen des Verhaltens auf die Umwelt und deren Reaktion.
Verhalten in die Praxis übertragen
Zu Beginn eines Coachings sollten der Coachee, also derjenige, der das Coaching in Anspruch nimmt, der Coach und die Führungskraft des Coachees das Ziel klären. Sie sollten gemeinsam festlegen, was das Coaching bewirken soll, welches Ergebnis erwünscht ist und wie viele Sitzungen für dieses Ergebnis notwendig sind. Im Coaching reflektieren die Beteiligten das Verhalten des Coachees im Abgleich zu den gewünschten Ergebnissen. Zudem betrachten sie die Wirkung und Konsequenzen des Verhaltens auf die Umwelt, aber auch die Reaktionen der Umwelt auf ein geändertes Verhalten. Ein weiterer Erfolgsfaktor des Coachings ist, das gewünschte Verhalten in die Praxis zu übertragen und auszuprobieren. Im nächsten Schritt besprechen und reflektieren Coach und Coachee diese Erfahrungen und passen das Verhalten gegebenenfalls an.
Am Beispiel des Konkurrenzkampfes der Assistenzärzte bedeutet dies festzulegen, welches Ergebnis der Leitende Oberarzt erzielen will, also das Beilegen des Konkurrenzkampfes. Um das Ergebnis zu erreichen, sollte der Leitende Oberarzt erkennen, dass sein Nichteingreifen die Situation nicht ändert. Im nächsten Schritt werden mögliche Verhaltensweisen reflektiert und gemeinsam überlegt, mit welchem Verhalten der Leitende Oberarzt es am schnellsten und sichersten erreicht, den Konkurrenzkampf beizulegen. Er setzt dieses Verhalten in die Praxis um, zum Beispiel spricht er mit den konkurrierenden Assistenzärzten und legt gemeinsam eine Lösung fest. Die Reaktion der Assistenzärzte und die weiteren Schritte werden wiederum in der nächsten Coachingsitzung besprochen. Am Ende des Coachings sollten sich alle Beteiligten zusammenfinden, die zu Beginn das Ziel definiert haben. Coachee, Coach und die Führungskraft des Coachees legen dann gemeinsam fest, ob das Ziel erreicht wurde und welche nächsten Schritte notwendig sind.
Dtsch Arztebl 2022; 119(47): [2]
Die Autorin
Petra Schubert
Geschäftsführerin
Schubert Management Consultants GmbH & Co. KG
88662 Überlingen
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)