
Stehen Veränderungen an, ist es wichtig, alle Beteiligten einzubinden. Mitarbeitende lassen sich heutzutage nicht mehr nur durch den Titel und die Hierarchie dazu bewegen, Neues begeistert umzusetzen.
In Veränderungssituationen ist es wichtig, schnell, rechtzeitig und verbindlich zu kommunizieren, alle Zielgruppen zu beteiligen und rechtzeitig Entscheidungen zu treffen. Auch ist es entscheidend, Verbesserungen umzusetzen wie Prozesse, Verantwortlichkeiten oder Aufgaben. Beispiel Coronapandemie: Gerade in der Anfangsphase war es enorm wichtig, alle Mitarbeitenden zu informieren, die relevanten Zielgruppen zu beteiligen (Pflegekräfte für die Intensivstation), Prozesse zu ändern (separierte Eingänge/Aufnahmen der COVID-19-Patienten) und schnelle Entscheidungen zu treffen.
Gefahr des eingeschränkten Blicks
Besonders bei Aufgaben, bei denen es mehrere Beteiligte gibt, sind viele Verantwortlichen der Meinung, es sei schneller und effektiver, Inhalte allein oder in einer kleinen Gruppe auszuarbeiten. Oft werden die anderen Beteiligten kurz und einmalig informiert mit dem Glauben oder der Hoffnung der Verantwortlichen, dies genüge, um sie von den Inhalten zu überzeugen und für die Umsetzung zu gewinnen.
Doch gerade in Veränderungssituationen ist dies zu kurz gedacht. Inhalte und Konzepte werden wahrscheinlich schneller und effektiver in kleinen Gruppen oder allein erarbeitet. Es besteht jedoch die Gefahr, einen eingeschränkten Blick zu haben, den mehrere Beteiligte vielleicht erweitert hätten. Vier Augen sehen mehr als zwei. Auch wird die Umsetzung bei einer solchen Vorgehensweise oft arg zäh. Mitarbeitende lassen sich eben nicht mehr nur durch die Hierarchie bewegen, Themen umzusetzen. Nötig ist ein anderes Vorgehen der Beteiligung und des Mitnehmens, um schlussendlich Veränderungen erfolgreich umzusetzen. Veränderungen machen den Beteiligten häufig Angst und führen zu „Reaktanz“, also eine komplexe Abwehrreaktion, die als Widerstand gegen äußere oder innere Einschränkungen aufgefasst werden kann, oder zu dem Gefühl der Hilflosigkeit. All dies ist für eine erfolgreiche Umsetzung hinderlich.
Abteilung auf den neuesten Stand bringen
Nehmen wir das Beispiel einer Abteilung innerhalb eines Krankenhauses: Der neue Chefarzt der plastischen Chirurgie bemerkt, dass in seiner Abteilung zwar taugliche, aber vom Entwicklungsstand veraltete Implantate verwendet werden. Sein Ziel ist es, seine Abteilung auf den neuesten Stand zu bringen. Er entscheidet, dass neue, weiterentwickelte Implantate zu verwenden sind. Die Mitarbeitenden äußern sich dazu nur sehr verhalten, ein paar argumentieren, dass es mit den gewohnten Implantaten doch auch gehe und alle sich damit auskennen würden. Der Chefarzt geht davon aus, dass die Mitarbeitenden sich an die neuen Implantate gewöhnen werden und geht nicht weiter darauf ein. Er argumentiert, es wäre gut, sich auf dem neuesten Entwicklungsstand zu bewegen.
Um den Mitarbeitenden den Umgang mit dem neuen Implantat zu zeigen, lädt er die Mitarbeiter seiner Abteilung ein, sich der Reihe nach die Anwendung in einer seiner Operationen anzuschauen. Dies nehmen die meisten Mitarbeitenden wahr. Nach drei Wochen hört er von der mit ihm zusammenarbeitenden Pflegedienstleitung, dass die operierenden Ärztinnen und Ärzte in seiner Abteilung extrem unzufrieden seien, sich übergangen fühlten und überlegten, einen neuen Arbeitgeber zu suchen. Der Chefarzt ist schockiert und enttäuscht, er versteht nicht, dass seine Mitarbeitenden unzufrieden sind und hat das Gefühl, dass diese sich „widersetzen“.
Chefarzt stellt sich als Machthaber dar
Was ist passiert? Aus Sicht der Mitarbeitenden hat der Chefarzt über ihren Kopf hinweg entschieden, die neuen Implantate anzuwenden. Er ist nicht auf die Bedenken und Ängste eingegangen. Auch gab es nur eine kurze Schulung. Die Mitarbeitenden fühlten sich nicht genügend eingebunden und mitgenommen. Der Chefarzt erfragte zu wenig die Bedenken der Mitarbeitenden. Mit seiner Expertise in der Anwendung der neuen Implantate stellte er sich in den Augen seiner Mitarbeitenden überdeutlich als Chef und Machthaber dar. Daher trauten sich viele nicht mehr, ihrem Chef zu widersprechen. Viele beobachteten, wie er mit denjenigen umging, die Gegenargumente einbrachten. Da er diese Argumente abbügelte, dachten die Mitarbeiter, es hätte keinen Sinn, etwas zu sagen.
Veränderungen erfolgreich gestalten
Um Veränderungen erfolgreicher zu gestalten und dafür Mitarbeitende stärker einzubinden, sind folgende Schritte zu empfehlen:
- Wertschätzung und Einbindung: Der neue Chefarzt hätte sich zu Beginn mit den Mitarbeitenden zusammensetzen und diese fragen sollen, was aus ihrer Sicht das bisher genutzte, veraltete Implantat ausmacht, warum sie es anwenden und was die Vorteile sind. Anschließend hätte er darstellen müssen, welche Erfahrung er mit dem neuen Implantat gemacht hat und was der Nutzen ist.
- Darstellen des Nutzens: Um die Mitarbeitenden mit den Neuerungen vertraut zu machen, sollten sie die Möglichkeit haben, sich damit zu beschäftigen, selbst die Vorteile und gegebenenfalls die Nachteile kennen zu lernen und im konkreten Fall das neue Implantat selbst anzuwenden. Erst dann können die Mitarbeitenden sich selbst ein Urteil bilden. In einem gemeinsamen Termin sollte der Chefarzt die Beteiligten nach ihrer Meinung und Erfahrung fragen. Alle gemeinsam sollten den Nutzen auflisten, gegebenenfalls die Nachteile erfassen und Lösungen diskutieren.
- Einbindung bei der Entscheidung: Der Chefarzt sollte die gemeinsame Entwicklung eines möglichen Vorgehens anstoßen, indem er zum Beispiel sagt: „Vielleicht gibt es Fälle, in denen es Sinn macht, das veraltete Implantat zu nutzen, sowie Fälle, in denen das neue Implantat deutlich mehr Nutzen hat?“ Fälle und Vorgehensweisen können gemeinsam aufgelistet und das Vorgehen zur flächendeckenden Einführung des neuen Implantats gemeinsam erarbeitet werden.
- Befähigung aller Beteiligten im Detail: Zur Einführung sollten alle Beteiligten genügend Zeit haben, sich mit der Neuerung auseinanderzusetzen und diese mit Unterstützung anzuwenden.
- Evaluation und Reflexion nach Zeitpunkt X: Nach einem festgelegten Zeitpunkt sollten alle gemeinsam evaluieren, wie die Erfahrung mit dem neuen Implantat ist und wie sie die weniger guten Erfahrungen verbessern können.
Dtsch Arztebl 2020; 117(46): [2]
Die Autorin:
Petra Schubert
Geschäftsführerin
Schubert Management Consultants GmbH & Co. KG
51063 Köln
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)