![Zeichnung einer Hand die einen roten Regenschrim hält, 3 Tropfen Wasser](https://aerztestellen.aerzteblatt.de/sites/default/files/styles/daev_career_guide_article/public/resilienz_c_hvostik16_adobe_0.jpg?itok=zCvXX-V9)
Inzwischen wird Resilienz, die psychische Widerstandsfähigkeit von Menschen, auch als Kompetenz betrachtet, Teams und Unternehmen nachhaltig durch Krisensituationen manövrieren zu können.
Die Belastungen im klinischen Alltag sind hinlänglich bekannt: Arbeitsverdichtung, Zeitdruck, steigende Komplexität und eine Vielzahl unterschiedlicher Berufsgruppen. Auch die steigenden Informations- und Aufklärungsbedürfnisse der Patientinnen und Patienten erfordern Kompetenz und Zeit für Kommunikation und Kooperation.
Wesentlich: Sinn der Arbeit
Ein wesentlicher Faktor für Resilienz oder zur Stärkung von Resilienz ist der Sinn der Arbeit. Insofern könnte es im Gesundheitswesen allein dadurch beste Voraussetzungen für resiliente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Unternehmen geben. Individuell sind Reflexionsfähigkeit, das Wissen um eigene Stärken und Werte, intrinsische Motivation und ein empathischer Umgang mit sich selbst neben einem mentalen und physischen Ausgleich förderlich.
Insbesondere die Resilienz einer Führungskraft und deren Fähigkeit, die psychische Widerstandsfähigkeit ihrer Mitarbeiter positiv zu beeinflussen, hat bereits heute eine hohe Bedeutung und wird weiter an Relevanz gewinnen. Nur wer es schafft, sich und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geistig agil, emotional belastbar sowie im Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten gesund zu erhalten, handelt klug und zukunftsorientiert.
Reibungsverlust durch schlecht abgestimmte Prozesse, Unstimmigkeiten im Team und fehlende Rückendeckung durch Führungskräfte oder negatives Führungsverhalten vermindern dagegen Resilienz. Eine fehlende oder negativ verlaufende berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit wirkt sich stark negativ für alle Beteiligten aus, da es die Prozesse stört, das Klima untereinander beeinträchtigt und damit destruktiv wirkt.
Vier Schlüssel der Teamresilienz
Die Bedeutung eines positiven Arbeitsklimas und funktionierenden Teams für die Arbeitszufriedenheit, und damit auch für die Resilienz, sind bekannt. Was macht Teams stark und hilft ihnen, auch Schwierigkeiten gut zu bewältigen und an Krisen zu wachsen:
- Psychologische Sicherheit: gemeinsame Wertebasis sowie Zielvorstellungen und eine positive Fehlerkultur.
- Umgang mit Neuem/Unerwartetem: Sicht auf Stärken und Möglichkeiten statt auf Schwächen und Probleme sowie Ansatz des „Gestaltenwollens“ und der flexible Umgang mit neuen Anforderungen.
- Verarbeitung kritischer Situationen: konstruktiver Umgang mit Rückschlägen und Niederlagen, Lösungsorientierung.
- Ganzheitliche Sicht: Balance zwischen Einzel- und Teamleistung, klare Strukturen und Regeln.
Klassisches Qualifizierungsinstrument
Kliniken haben diverse Möglichkeiten, die Widerstandskraft der Mitarbeitenden, der Teams und damit des ganzen Unternehmens zu erhalten und zu stärken. Das Resilienztraining ist ein klassisches Qualifizierungsinstrument über eine Dauer von einem bis drei Tagen. Es ist ideal zu kombinieren mit Web Based Trainings, in denen Mitarbeitende zum Beispiel ihr persönliches Resilienzprofil erarbeiten ebenso wie den Zusammenhang zwischen den individuellen Denk- und Handlungsmustern sowie den Umgang mit persönlichen Grenzen. Ziel sollte sein, die individuellen Ressourcen zu erkennen, persönliche Ziele zu erarbeiten und Handlungsstrategien für eine gestärkte Resilienz abzuleiten. Das Erweitern der Wahrnehmungs- und Handlungsoptionen ist zentraler Bestandteil dieser Trainings.
Einige Kliniken setzen ausgebildete Resilienztrainer ein, um die Mitarbeitenden niederschwellig zu unterstützen. Im Klinikum Itzehoe beispielsweise haben diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine zwölftägige Grundqualifikation durchlaufen und stehen einzelnen Mitarbeitern oder Teams beratend oder prozessbegleitend zur Verfügung. Sie werden aus unterschiedlichsten Bereichen und Berufsgruppen mit diversen Themenstellungen angefragt. Dazu zählen zum Beispiel das Gefühl der permanenten Überforderung, eine sich auf das Klima negativ auswirkende Arbeitsbelastung oder die Konzentration nur auf Probleme und Schwächen. Die Resilienztrainer entwickeln mit dem jeweiligen Team zum Beispiel in verlängerten Übergaben oder in extra festgelegten Settings Handlungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten. Dieses Verfahren kann sehr effizient und effektiv sein. Es eignet sich jedoch nur bei nicht allzu komplexen Themen.
Für einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es darüber hinaus das institutionalisierte Angebot von acht Mal eineinhalbstündigen Kurzschulungen, in denen sie Resilienz mit praktischen Übungen gezielt trainieren.
Positive Führungs- und Fehlerkultur
Dagegen ist der Weg zu einem resilienten Unternehmen ungleich komplizierter. Dabei bedarf es neben klaren Strukturen und Prozessen einer positiven Führungs- und auch Fehlerkultur. Zusammenfassend lassen sich folgende Merkmale resilienten Verhaltens im klinischen Alltag beschreiben:
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Sie sehen Veränderungen und ihre persönliche Entwicklung positiv und kennen die eigenen Belastungsgrenzen und Ressourcen. Sie kommunizieren aktiv, sorgen für sich (Pausen, Ausgleich), gestalten Veränderungsprozesse aktiv mit. Sie sind realistisch („Es ist, wie es ist.“)
- Führungskräfte: Sie haben eine klare, vertrauensvolle Beziehung zu ihren Mitarbeitern, fördern Eigenverantwortung und geben Gestaltungsspielräume. Sie kommunizieren auch unangenehme Sachverhalte klar und transparent. Sie entwickeln Ziele und beziehen die Mitarbeiter ein. Sie haben Vorbildfunktion.
- Unternehmen: Sie sichern belastbare Prozesse ab, haben Strategien und Lösungsansätze in schwierigen Situationen und weisen eine transparente Kommunikations- und Informationspolitik auf. Sie berücksichtigen neben der sachlichen auch die menschliche Ebene und Unternehmenskultur.
Für Krankenhäuser ist die Investition in das Thema Resilienz zweifellos lohnenswert und zukunftsorientiert. Schon allein unterstützende Aktivitäten wie die Schulung des Personals wirken stabilisierend, können Ausfallzeiten verringern und die Kommunikation und Kooperation verbessern. Allerdings sollte ein Unternehmen nicht dabei stehen bleiben, sondern sich darüber hinaus die Prozesse ansehen, die regelmäßig zu Reibungsverlusten und einer schwierigen Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen führten.
Dtsch Arztebl 2019; 116(26): [2]
Die Autorin:
Gunda Dittmer
Personalleiterin und stellvertretende Krankenhausdirektorin des Klinikums Itzehoe
25524 Itzehoe
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)