Personalmanagement: Warum Chefärzte fähig sein müssen, strategisch zu führen

14 Januar, 2020 - 10:16
Frank Erwig
Ein Menschen aus Zahnrädern schwebt über der Handfläche eines Arztes

Wem die Position eines Chefarztes nach Jahren praktischer ärztlicher Tätigkeit übertragen wird, vollzieht den nächsten Karriereschritt. Damit wachsen der persönliche Einfluss und die persönliche Verantwortung.

Ein neuer Chefarzt mag sich fragen: Welche konkreten Aufgaben muss ich zwingend erfüllen? Was sind die Erwartungen des Trägers? Inwieweit sind meine Aufgaben vereinbar mit meinen eigenen Zielen? Und wie gelingt es mir, diese Aufgaben auf meine Mitarbeiter zu übertragen? Daneben gibt es Aufgaben, die zwar erledigt werden müssen und notwendig sind, aber möglicherweise über den originären Kompetenzbereich eines Arztes hinausgehen.

Mehr Verantwortung, steigende Anforderungen

Die wichtigsten Verantwortungsbereiche eines Chefarztes sind sicherlich die medizinische Leistungserbringung, die wirtschaftliche Führung der ärztlichen und funktionstechnischen Bereiche, die ärztliche Weiterbildung und die medizinische, strategische und organisatorische Weiterentwicklung der Klinik oder der Abteilung. Dabei sind die Ansprüche an eine hohe Patientenorientierung bei gleichzeitig wachsenden Anforderungen an eine wirtschaftliche Arbeitsweise eine große Herausforderung für jeden neuen Chefarzt. Diese kann er nur in Zusammenarbeit mit allen anderen Playern, insbesondere dem eigenen Team, bewältigen.

Regelungen der Krankenhausversorgung, des ärztlichen Berufsrechts, zum Datenschutz und zur Hygiene sind Beispiele vieler sich weiterentwickelnder rechtlicher Rahmenbedingungen im Umfeld von Chefärzten. Inwieweit damit verbundene Dokumentationsaufgaben zu den bevorzugten oder weniger attraktiven Aufgaben gehören, mag jeder individuell beurteilen. Darüber hinaus wird sich die Philosophie von öffentlichen, kirchlichen oder privaten Krankenhausträgern unterscheiden. Daraus erwachsen mehr oder weniger teils unterschiedliche Erwartungen der Träger an die Chefärzte.

Eigene Ziele, eigenes Rollenverständnis

Doch passen diese Erwartungen zu den jeweils individuellen Vorstellungen, die ein Chefarzt selbst mit seiner Rolle verbindet? Er mag sich fragen: Was treibt mich eigentlich an, diese Rolle zu übernehmen? Ganz gleich wie das eigene Fazit ausfällt, es bleibt die Frage, ob die eigenen Werte übereinstimmen mit denen, die mit einer konkret angebotenen Rolle als Chefarzt einer Klinik in einem Krankenhaus verbunden sind.

Schon bei der Aufstellung des Dienstplans gilt es zu klären: Alles Chefsache oder ist es eher zielführend, einen ärztlichen Kollegen, zum Beispiel einen der Oberärzte, damit zu beauftragen? Sind ausreichend viele Ärzte an Bord, die die gewünschte und erwartete Kompetenz haben, um den Behandlungsauftrag sicherzustellen? Wenn nein, wer kümmert sich? Ist neues Personal zu gewinnen ausschließlich Sache des Chefs? Oder lassen sich geeignete Ärzte über das Netzwerk der eigenen Mitarbeiter oder mithilfe der Personalabteilung rekrutieren? Wer bildet den Medizinernachwuchs aus, wer entwickelt die Kompetenzen der Ärzte weiter? Wie kann ich die Klinik weiterentwickeln? Brauche ich neue Medizintechnik und habe ich das geeignete Personal, diese Ressource zu nutzen? Kann ich die finanzielle Realisierung allein einschätzen oder wie kann ich mir darüber ein konkretes Bild verschaffen?

Gezielte Kommunikation mit allen Beteiligten

Es gilt, diese und weitere Herausforderungen im beruflichen Alltag zu bewältigen. Eine gezielte Kommunikation mit den potenziell Beteiligten und eine aktive Mitarbeiterführung bieten erhebliches Potenzial, sich den zunehmend wachsenden Herausforderungen zu stellen.

Nicht nur für Chefärzte, sondern generell für jede Führungskraft ist es von wesentlicher Bedeutung, dass sie über die Fähigkeit zur Selbstführung verfügt: Für welche Werte stehe ich? Habe ich ein positives Menschenbild? Welche Erwartungen stelle ich an mich und an andere? Habe ich ein gutes Zeitmanagement? Bin ich mutig bei Entscheidungen? Erkenne ich die Grenzen des Machbaren?

Die Fähigkeit strategisch zu führen, ist als Chefarzt unabdingbar. Über Strukturen und Arbeitsabläufe bieten sich vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten Ziele zu erreichen. Zum Beispiel gilt es zu entscheiden, ob eigene Teil- und Funktionsbereiche mit eigener oberärztlicher Leitung gebildet werden oder die jeweiligen Aufgabenschwerpunkte unter der Leitung des Chefarztes bleiben. Auch ist zu prüfen, welche Prozesse gut laufen, welche stockend und wo dringend optimiert werden muss oder welche Mitarbeiter an welcher Stelle verantwortlich eingebunden werden und welche Partner dazu nötig sind.

Mitarbeiter fordern und fördern

Auch wenn Ärzte im Krankenhaus kontinuierlich Situationen erfassen, einschätzen und schnelle Entscheidungen treffen müssen, sind Chefärzte hinsichtlich ihrer Entscheidungskompetenz besonders gefordert. Die Tragweite ihrer Entscheidungen geht oft über den Einzelfall eines Patienten hinaus und ist Orientierung für die nachgeordneten Ärzte. An dieser Schnittstelle zur Personalführung wird auch der Vorbildcharakter im ärztlichen Handeln deutlich. Die Kunst der Führung besteht in der Praxis darin, konkrete Aufgaben an die jeweils dafür geeigneten Ärzte oder anderes medizinisches Fachpersonal zu delegieren. Idealerweise können Chefärzte damit auch eine weitere wesentliche Führungsaufgabe umsetzen: die eigenen Mitarbeiter zu fordern und zu fördern. Das Beauftragen mit herausfordernden Tätigkeiten oder das Übernehmen konkreter Projekte oder Vorhaben fordert die nachgeordneten Mitarbeiter heraus. Schnell werden individuelle Kompetenzen und Potenzial transparent. Diese Erkenntnisse können Chefärzte dann für weitere Aufgaben nutzen und Entwicklungspotenziale angehen.

Eine gezielt fordernde und fördernde Führung nachgeordneter Ärzte und weiterer Mitarbeiter ermöglicht sowohl individuelle Weiterentwicklungen als auch Verbesserungen hinsichtlich der Strukturen und Prozesse. Dabei gilt es, digitale Möglichkeiten und agile Arbeitsweisen zu nutzen. Aus seiner Führungsverantwortung heraus kann der Chefarzt somit wesentliche Schritte zur Weiterentwicklung des gesamten Krankenhauses initiieren und damit einen wesentlichen Beitrag leisten, die Patientenversorgung zu optimieren.
 


Der Autor:

Frank Erwig
Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See
Leiter Koordinierungsstelle Gesundheitsmanagement
44799 Bochum
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)

 

Dtsch Arztebl 2019; 116(3): [2]

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