Personalmanagement: Agiles Arbeiten – was in der Krise möglich ist

28 Mai, 2020 - 08:52
Klaus Wawrzyniak
Zeichnung von Ärztinnen und Ärzten im Krankenhaus mit Maske

Die Anweisung, sich auf Patienten mit COVID-19 vorzubereiten und die Zahl an Intensiv- und Beatmungsplätzen zu erhöhen, hat in den Kliniken zu erstaunlichen Veränderungen in der Organisation geführt.

Zurzeit findet erstmals in nahezu jedem deutschen Krankenhaus ein aktives Krisenmanagement statt durch tägliche Konferenzen mit der Unternehmensleitung, allen Verantwortlichen für Ärzte, Pflege, Logistik, Reinigung, IT, Medizintechnik, Mitarbeitervertretung und Hygiene. Auch haben die Häuser ihre klassische Organisationsstruktur stark verändert.

Mitarbeitenden wird hohe Flexibilität abverlangt

Die bislang sich an einzelnen Kliniken orientierenden Strukturen sind zugunsten einer zentralen Steuerung sehr kurzfristig geändert worden. Sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte werden nun berufsgruppenübergreifend eingesetzt, Hilfskräfte den neu strukturierten COVID- und Intensivstationen zugeordnet sowie Arbeitszeiten angepasst. So sind Ärzte seit Beginn dieser Maßnahmen zum Teil erstmals im Schichtdienst im Einsatz. Bestimmte Kompetenzen werden auf einmal systemrelevant und damit Mitarbeiter mit diesen Kompetenzen zu Schlüsselfiguren.

Teams werden neu zusammengestellt und nach den jeweils aktuellen Anforderungen und der Belegung in den neuen Einheiten eingesetzt. Den Mitarbeitenden wird eine hohe Flexibilität abverlangt: ständig neue Kollegen im Team, völlig neue zum Teil sehr aufwendige Abläufe zum Schutz der Patienten, aber auch zum Eigenschutz.

Diese Situation, die schon einige Wochen andauert, ist für alle belastend. Gleichzeitig machen aber auch viele sehr positive Erfahrungen in der interdisziplinären und der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit. Diese agilen Arbeitsformen, die tagtäglich auf geänderte Bedingungen sowohl reagieren als auch agieren, waren vor Beginn der Coronapandemie nur Gedankenspiele und fern einer realen Umsetzung im Krankenhaus.

Sicherheit wird zur zentralen Aufgabe

Das Thema Hygiene und Schutz vor Ansteckung führt zu völlig umgestalteten Arbeitsabläufen bei nahezu allen Beschäftigten. Die Sicherheit von Mitarbeitenden und Patienten wird zur zentralen Aufgabe. Mitarbeiter werden in Teams mit unterschiedlichen Arbeitszeiten aufgeteilt, einerseits um das Ansteckungsrisiko zu verringern, andererseits um Bereiche im Verdachtsfall einer Ansteckung weiter arbeitsfähig zu halten. Die Übergabe in den Kliniken erfolgt nur noch in ausreichendem Abstand mit der Konzentration auf das Wesentliche.

Gleichzeitig gehen Kommunikationsstrukturen verloren. Es gibt kein gemeinsames Mittagessen mehr, weder in der Kantine noch im Stationszimmer. Auch in der Klinik gilt Abstand halten und Mund-Nasen-Schutz tragen. Besprechungen gibt es nur noch per Telefon oder in Räumen mit großer Distanz zueinander.

Plötzlich ist Homeoffice möglich, ja sogar zum Schutz von Mitarbeitenden mit hohem Risikopotenzial zwingend notwendig. Ehemals als Experiment eingeführte Homeoffice-Lösungen werden nicht mehr infrage gestellt, sondern als unumgänglich betrachtet. Jetzt ist nur wichtig, ob die IT-Abteilung diese Änderungen zügig umsetzen kann. Mitarbeiter, die sich bisher nicht vorstellen konnten, jemals im Homeoffice zu arbeiten, stellen fest, dass es doch geht und dass es zum Teil sogar produktiver sein kann. Künftig wird auch das Thema Digitalisierung, auch und gerade in der Verwaltung, einen anderen Stellenwert erhalten.

Verlierer in diesem andauernden Veränderungsprozess sind unter anderem Innovationsprojekte, für die ein stabiles Umfeld und verlässliche Strukturen nötig sind. Hinfällig sind zum Beispiel Projekte, in denen schon stattgefundene Workshops inklusive Begleitung durch kompetente Berater darauf aufbauen, dass die Umsetzung im Anschluss auf einer Pilotstation erprobt wird. Ob es die Gelegenheit und die Chance geben wird, solche Projekte später wieder aufzunehmen und fortzuführen, ist zweifelhaft. Wie lange dauert die Krise? Wie lange sind dann die ehemals umgesetzten Maßnahmen her? Sechs, neun oder gar zwölf Monate? Lassen sich die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden wieder auf den vorherigen Stand bringen? All das ist zu hoffen, aber eher unwahrscheinlich.

Interne Kommunikation wird Schlüsselelement

Die Interne Kommunikation wird zum Schlüsselelement der Unternehmensführung. Wenn sie innerbetriebliche Maßnahmen transparent erläutert, konkrete Handlungsanweisungen gibt und empathisch ist, kann sie Stress reduzieren und Orientierung geben in einer Zeit allgemeiner Verunsicherung. So gibt es regelmäßige und zeitnahe Coronaupdates, um über neue Maßnahmen zu informieren oder Handlungsanweisungen zu vermitteln. Diese Transparenz schafft Vertrauen in die Führung.

Ein zuvor geplantes Projekt, das die Einführung einer Mitarbeiter-App vorsah, um das veraltete Intranet zu ersetzen, wurde kurzfristig vorgezogen und innerhalb von vier Wochen an den Start gebracht. Jetzt können alle Mitarbeitenden per Push-Nachricht auf dem Laufenden gehalten werden und nicht nur die, die regelmäßig ins Intranet schauen. Zu lösen waren sowohl technische als auch die inhaltlichen Themen. Wie sollen die ersten Inhalte aussehen? Was ist im zweiten Schritt zu beachten, damit die App auch langfristig als Informationsmedium wahrgenommen wird? Engagierte Mitarbeitende aus Projektmanagement, Mitarbeitervertretung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Personalabteilung und Unternehmensleitung stellen inzwischen die Inhalte zusammen und sorgen so dafür, dass alle Beschäftigten auf dem aktuellen Stand sind. Dabei nicht zu kurz kommen dürfen Goodies in Form von Mitarbeitervorteilen.

Viele brauchen jetzt die Aufmerksamkeit und Unterstützung der Personalabteilung und der Führungskräfte, egal ob es um Beschäftigte im Homeoffice geht, Ärzte die nicht operieren können, Mitarbeitende, die sich Sorgen um ältere Familienangehörige machen, mit der Organisation der Kinderbetreuung belastet sind oder denen es schwer fällt, sich an die neue Organisation und geänderte Aufgaben zu gewöhnen.

Gold wert: Alle ziehen an einem Strang

Dennoch: Die Erfahrungen, die die Mitarbeitenden in der interdisziplinären und berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit zurzeit machen, nämlich dass alle an einem Strang ziehen – und das bei geänderten Abläufen, sind Gold wert. Zu hoffen ist, dass die Krankenhäuser viel von diesen Erfahrungen in eine „Zeit danach“ übernehmen können.

Dtsch Arztebl 2020; 117(22-23): [2]
 


Der Autor

Klaus Wawrzyniak
Leiter Personalabteilung
Evangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende
37075 Göttingen
Mitglied im Initiativkreis neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)

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