
Um als Führungspersönlichkeit wirken zu können, müssen Ärzte unterschiedliche Herausforderungen bewältigen. Einerseits geht es um die Erwartungen und Interessen der Mitarbeitergenerationen, andererseits um die Vernetzung einer modernen Arbeitswelt in der digitalen Transformation.
Leitende Ärzte sind heute mehr denn je als Impulsgeber einer zukunftsweisenden Führungskultur gefordert. Sie müssen sich im Führungsverhalten mit Widersprüchen und Spannungen auseinandersetzen. Auf der Unternehmensebene tragen Klinikmanagement und Führungskräfte dafür Sorge, dass die Unternehmenskultur auch geprägt wird durch das Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber den Patienten.
Verschiedene Rollen des Impulsgebers
Zentrale Impulsgeber sind die Leader. Leadership umfasst die Führung von einzelnen Mitarbeitenden und Teams bis hin zum visionären Denken und Handeln von Führungskräften für die gesamte Organisation. Leader zeichnen sich dadurch aus, dass sie Mitarbeitende motivieren und inspirieren. Sie erkennen die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeitenden und spornen diese mit Anreizen zu Bestleistungen an. Demnach berücksichtigt ein Leader diese unterschiedlichen Bedürfnisse, um Leistungsfähigkeit, Engagement und Wohlbefinden von Mitarbeitenden zu fördern.
Leadership stellt die am Führungsprozess beteiligten Leitenden Ärzte selbst als Impulsgeber in deren Kliniken ins Zentrum. Die Rolle als Impulsgeber einer zukunftsweisenden Führungskultur umfasst auf der organisationalen Ebene Wertehaltungen und Verhaltensweisen, Patientenzentrierung, Mitarbeiterorientierung, Strukturen und Prozesse. Auf der Individualebene umfasst die Rolle das Fördern ethisch verantwortlichen Handelns und ressourcenbewusste Entscheidungen. Dies alles erwächst aus sozial-kommunikativen Führungskompetenzen.
Arbeitswelt wird immer komplexer
Die Komplexität der Arbeitswelt nimmt durch technologische, demografische und gesellschaftliche Veränderungen zu, auch in der unmittelbaren Führungsbeziehung. Die rasante Geschwindigkeit und das Managen von Veränderungen wirken sich auf die Führungskompetenzen und auf das Führungsverhalten aus. Kliniken und Leitende Ärzte werden in eine sogenannte VUCA-Welt katapultiert; VUCA steht für Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity. Im Gesundheitswesen zeigt sich diese Welt mit volatilen, ungewissen, komplexen und mehrdeutigen Einwirkungen. Die rasante Entwicklung ist in allen Perspektiven von großer Ungewissheit, Unberechenbarkeit und vielfältigen disruptiven Brüchen gekennzeichnet. Sie potenziert sich durch die Digitalisierung. Disruptive Veränderungen erfordern von Führungskräften viele Kompetenzen auf persönlicher Ebene sowie auf Team-, Unternehmens-, Organisations- und Netzwerkebene.
Die Digitalisierung verändert den klinischen Alltag zunehmend. Automatisierung, Robotik, Big Data und künstliche Intelligenz geben sukzessive den Takt vor. Was digital geprägtes Kommunikationsverhalten angeht, sind Patienten, nachgeordnete Ärzte und Mitarbeitende die Taktgeber, die den Leitenden Arzt als Leader fordern, sich neuen Trends anzupassen, diesen aber auch mit kritischer Reflexion zu begegnen. Agilität führt meist zu schnelleren Entscheidungsprozessen und reduziert Hierarchieebenen. Das heißt, dass auch Mitarbeitenden mehr Tatkraft abverlangt und Selbstverantwortung übertragen werden wird. Optimale Ressourcennutzung und flexible Strukturen ermöglichen Eigenverantwortung und Entfaltungsmöglichkeiten der nachgeordneten Mitarbeitenden, sofern der Leitende Arzt dies zulässt.
Die gesellschaftliche Alterung führt zu einem steigenden Fachkräftebedarf und wachsender internationaler Personalakquise für medizinische Berufe. Mithin entsteht eine neue Vielfalt in der Personalstruktur, die durch Multikulturalität und Internationalität geprägt ist. Unterschiedlichste individuelle Aspekte wie Generationszugehörigkeit, Geschlecht, Herkunft, Qualifikation, Kompetenz, Persönlichkeit, Lebensentwürfe und religiöse Überzeugung kennzeichnen den Führungsalltag des Leitenden Arztes. Ein optimaler Wissenstransfer muss gewährleistet werden, um die Diversität in Teams mit jungen und erfahrenen Ärzten gestalten zu können.
Führen mit Inspiration und Orientierung
Die Coronapandemie hat gezeigt, dass moderne Führung kulturprägend ist. Für viele Kliniken war die Pandemie Auslöser, neue Arbeitsweisen zu integrieren wie mobiles Arbeiten, Videokonferenzen oder digitale Kongresse. Die erste Phase der Pandemie hat deutlich die Vorteile transformationaler Führung offengelegt und Leitende Ärzte teils zu mehr Mut, Führungsdialog und Vorbildfunktion inspiriert. Kulturwandel erfordert das Verlassen herkömmlicher Routinen und das Sicheinlassen auf Neues und Unbekanntes. Durch Führen mit Inspiration, Orientierung, Zielsetzung, Priorisierung und individuellem Eingehen auf die Mitarbeitenden entsteht emotionale Nähe und Zugehörigkeit. Sie zeigt sich darin, dass die Mitarbeitenden dem Leitenden Arzt trotz ungewisser Zeiten loyal folgen.
Der Leitende Arzt ist maßgeblich für Stimmung, Kommunikation und Zusammenarbeit im Team verantwortlich. Zudem hat er großen Einfluss auf die Kultur und den Ton, der in seinem Team herrscht. Transparente, klare Führungs- und Kommunikationsstrukturen sowie Verlässlichkeit sorgen dafür, dass eine Vertrauenskultur und ein Miteinander entstehen. Auch berufsgruppenübergreifend kann der Leitende Arzt die Interaktion zwischen Pflege, Medizin und Management befruchten, indem er medizinische Entwicklungen als auch Fähigkeiten und Fertigkeiten im Team kommuniziert und entwickelt.
Authentisch und ehrlich in der Ansprache
Der Leitende Arzt ist in hohem Maße Impulsgeber für die Kulturentwicklung. Er muss mit seinem Team Projekte und Veränderungen einleiten, die Zukunft gestalten und kulturelle Vielfältigkeit fördern. In der Außenwirkung hat er das Image, derjenige zu sein, der die Patienten in die Klinik bringt und die Kultur im Sinne der Klinik transportiert. Das Erleben der Mitarbeitenden prägt die Sozialisierung im Klinikbetrieb. Der Leitende Arzt kann viel bewirken, wenn er in seiner Ansprache und Positionierung von Themen authentisch, ehrlich und damit glaubwürdig ist.
Dtsch Arztebl 2021; 118(31-32): [4]
Die Autorin:
Karin Burtscher
Leiterin Personalwesen
Klinikum Ingolstadt GmbH
85049 Ingolstadt
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)