
In den vergangenen Jahren hat sich eine innovative Methode in der Medizin immer stärker etabliert: Gamification. Die Verbindung von Spielprinzipien und medizinischer Anwendung verspricht nicht nur Spaß und Unterhaltung, sondern auch konkrete gesundheitliche Vorteile.
Gamification in der Medizin bezieht sich auf die Integration spielerischer Elemente und Prinzipien in den Gesundheitskontext, wie Gesundheitsanwendungen, medizinische Software oder digitale Gesundheitsplattformen. Das Ziel ist es, die Motivation, das Engagement und die Benutzerbeteiligung zu fördern, um positive Verhaltensänderungen zu unterstützen. Das zugrunde liegende psychologische Prinzip besagt, dass Menschen dazu neigen, besser und engagierter bei Aufgaben zu sein, wenn sie dabei Spaß haben – was sich positiv auf den Verlauf von Therapien auswirken kann.
Das therapeutische Spiel nutzt die Freude der Menschen am Wettbewerb, um gesunde Gewohnheiten zu fördern. Durch Apps und Plattformen können Nutzende Herausforderungen annehmen, Punkte sammeln und sich mit anderen messen. Ob beim Erreichen von Fitnesszielen, der Einhaltung von Medikamentenplänen oder dem Ernährungsmanagement – der spielerische Anreiz kann die Motivation erheblich steigern.
Auf der Nutzerseite dürfte es keine größeren Schwierigkeiten geben, Gamification in die Medizin einzubringen – immerhin sind Games keineswegs nur für Junge interessant. Das Phänomen ist längst im Mainstream angekommen: Laut dem Newzoo Global Games Market Report wurden im Jahr 2022 weltweit rund 3,2 Milliarden Gamerinnen und Gamer gezählt. Das Durchschnittalter von Gamern liegt bei 35 Jahren und es spielen inzwischen sogar fast so viele Frauen (47 Prozent) wie Männer (53 Prozent). In Deutschland zockt mittlerweile fast die Hälfte der Bevölkerung. Das Grundprinzip ist also gelernt, warum also nicht die Vorteile auf andere gesellschaftliche Bereiche anwenden?
Erfolgreiche Gamification in der Rehabilitation
Ein Bereich, in dem Gamification bereits Erfolge verbucht, ist die Physiotherapie. Hier tut sich vor allem die Rehabilitation hervor. Ein aktuelles Beispiel ist das BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin, das in seiner neuen Reha-Klinik einen vollständig digitalisierten Therapieraum namens "ukb Brain Cloud 1.0" eingerichtet hat. Dieser setzt auf Gamification, indem er Patientinnen und Patienten durch digitale Therapieanwendungen, basierend auf Virtual- oder Mixed-Reality-Brillen und Spielekonsolen, therapeutisch unterstützt. Die Anwendungen werden individuell an jeden Patienten bzw. jede Patientin angepasst. Die Gamification-Elemente wie Levelaufstieg und High-Scoring steigern die Motivation und Therapie-Adhärenz, da das Erreichen von Therapiezielen sichtbar gemacht wird.
Solche Projekte müssen in der Regel speziell auf bestimmte Patientengruppen zugeschnitten werden. So ist die Raumgestaltung der "ukb Brain Cloud 1.0" speziell auf die Bedürfnisse neurologisch beeinträchtigter Patientinnen und Patienten abgestimmt. Erreicht wird dies mit regulierbaren Therapieplätzen, gedimmtem Licht und einem reizarmen Ambiente, um die Konzentration auf die Übungen zu fördern. Die digitalen Therapieangebote, einschließlich VR-Brille, Tablet und Smart-App, sind barrierefrei.
Ein Vorteil bei den Online-Games: Die digitalen Übungen können auch als Tele-Rehabilitation zu Hause fortgesetzt werden, um den Therapieerfolg nachhaltig zu sichern – und weil die Therapie Spaß macht, ist es leichter, die Patientinnen und Patienten bei der Stange zu halten.
Der Vorteil von Games ist, dass sie den Spieltrieb und damit die intrinsische Motivation des Menschen ansprechen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler oder eine Spielerin weitermacht, denn lediglich von außen kommenden Belohnungen nutzen sich schnell ab. Um jedoch die richtigen Spiele für eine Zielgruppe zu entwickeln ist es wichtig herauszufinden, welcher Spielertyp angesprochen werden soll. Fachleute unterscheiden bis zu sechs Typen, wobei Menschen nicht nur einen sondern in der Regel eine Mischung verschiedener Typen verkörpern.
Sechs verschiedene Spielertypen
- Disruptor (Störer): Disruptoren könnten Spieler sein, die Freude daran haben, bestehende Spielmechaniken, Strategien oder Regeln zu durchbrechen oder zu stören. Sie mögen es, Unruhe zu stiften und das Spiel auf unkonventionelle Weise zu erleben.
- Free Spirit (Freigeist): Freigeister sind wahrscheinlich Spieler, die sich durch ihre Unabhängigkeit und Freiheit auszeichnen. Sie bevorzugen möglicherweise Spiele, die ihnen viele Entscheidungsfreiheiten lassen und ihnen erlauben, die Spielwelt nach ihrem eigenen Ermessen zu erkunden.
- Achiever (Errungenschaftsorientierter): Der Begriff "Achiever" entspricht dem gleichnamigen Spielertyp von Richard Bartle. Diese Spieler sind motiviert durch das Erreichen von Zielen, das Sammeln von Belohnungen und das Abschließen von Herausforderungen.
- Player (Spieler): Der Begriff "Player" ist allgemein und könnte sich auf jeden Spieler beziehen, der das Spiel aus verschiedenen Gründen genießt, sei es zur Unterhaltung, als Zeitvertreib oder aus Wettbewerbsgründen.
- Socializer (Sozialorientierter): Socializer sind Spieler, die den sozialen Aspekt von Spielen schätzen und Freude daran haben, mit anderen zu interagieren. Sie könnten sich für Spiele entscheiden, die starke Gemeinschaften oder soziale Elemente bieten.
- Philanthropist (Philanthrop): Philanthropen könnten Spieler sein, die Freude daran haben, anderen zu helfen oder soziale Zwecke innerhalb des Spielkontexts zu fördern. Sie könnten Spiele bevorzugen, die wohltätige Elemente oder kooperative Aspekte betonen.
Diese Kategorien sind nicht streng, und viele Spielende weisen Merkmale mehrerer Typen auf. Die Einteilung dient eher dazu, unterschiedliche Spielermotivationen zu verstehen und Spiele entsprechend zu gestalten, um eine breitere Zielgruppe anzusprechen.
Serious Games
Serious Games für Bildungszwecke eröffnen auch im Bereich der Gesundheitsbildung und Prävention innovative Möglichkeiten. Diese speziellen Spiele mit Bildungsfokus haben das Potenzial, komplexe medizinische Konzepte auf eine leicht verständliche Weise zu vermitteln. Von virtuellen Anatomie-Apps bis hin zu Simulationen von Krankheitsszenarien ermöglicht die spielerische Herangehensweise eine tiefergehende Integration von Wissen und vermittelt ein umfassendes Verständnis für Gesundheitsthemen.
Bereits heute sind Serious Games fester Bestandteil der medizinischen Ausbildung. An der Universitätsmedizin Göttingen wird beispielsweise seit 2016 eine digitale Simulation einer Notaufnahme im Rahmen der Pflichtlehre eingesetzt. In Kleingruppensitzungen mit 18 bis 50 Studierenden übernimmt jeder Teilnehmende die ärztliche Tätigkeit in der virtuellen Notaufnahme, wobei bis zu zehn Patientinnen und Patienten gleichzeitig behandelt werden müssen. Erfahrene Ärztinnen und Ärzte begleiten die Termine und stehen den Studierenden sowohl für technische als auch für inhaltliche Fragen zur Verfügung. Die besonderen Stärken von Serious Games liegen vor allem darin, dass die Studierenden lernen können, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, ohne dabei echte Patientinnen und Patienten zu gefährden.
Fazit
Trotz vielversprechender Perspektiven von Gamification in der Medizin gibt es jedoch auch Herausforderungen. Datenschutzbedenken müssen adressiert werden, und es ist entscheidend, die Anwendungen unter Berücksichtigung ethischer Grundsätze sorgfältig zu entwickeln. Dennoch könnte die zunehmende Integration von spielerischen Elementen in der medizinischen Praxis dazu beitragen, die Patientenversorgung zu verbessern und präventive Maßnahmen effektiver umzusetzen.