High Performance Teams: Wie Ärztinnen und Ärzte gemeinsam Exzellenz anstreben

11 Juni, 2024 - 07:04
Prof. Dr. med. Alexander Ghanem
Exzellenz, Symbolbild

Mitte des 20. Jahrhunderts betrug die medizinische Wissensverdopplungszeit knapp 50 Jahre, mittlerweile sind es nur noch 50 Tage. Leistungsfähige Strukturen werden daher immer relevanter. Aristoteles‘ Erkenntnis, das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile, zeigt, wie nötig es ist zusammenzuarbeiten.

Die zentralen Aspekte in High Performance Teams sind eine ganzheitliche Teamentwicklung, die Priorisierung der Fort- und Weiterbildung und das gemeinsame Engagement für Exzellenz. Führungskräfte sollten sich darauf konzentrieren, eine ganzheitliche Teamentwicklung zu unterstützen, die klare Kommunikation, interprofessionelle Zusammenarbeit, kontinuierliche Fortbildung, etablierte Teamstrukturen und eine empathische Teamkultur umfasst. So können sie sicherstellen, dass ihre Teams wirksam und sicher zusammenarbeiten. Ebenso sollten sie auf eine empathische Teamkultur achten und sich bewusst in die interprofessionelle Zusammenarbeit einbringen.

Im Klinikalltag helfen fünf Prinzipien dabei, die Qualität der Patientenversorgung zu maximieren und gleichzeitig die Performance und die Sicherheit von Teams in der Medizin zu fördern.

1. Transparente und klare Kommunikation

Eine transparente und klare Kommunikation ist entscheidend für den Erfolg medizinischer Mannschaften. Beispielhaft dafür ist die „Klinikbesprechung“. Das Team kommt täglich kurz zusammen, um aktuelle Patientenfälle zu besprechen und sich über bevorstehende Aufgaben abzustimmen. Einerseits fördert dies das gemeinsame Verständnis von Therapiezielen und verbessert die Koordination im Team. Andererseits bietet die Zeit zwischen diesen Foren Fokuszeiten für die Arbeit in interdisziplinären oder interprofessionellen Schnittstellen. So ermöglicht eine konzise Planungsbesprechung am Ende des Tages, die Indikationen und Personalressourcen von Minute eins an zu überprüfen, um den Folgetag optimal vorzubereiten.

2. Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit der verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen und Professionen ist für eine ganzheitliche Patientenversorgung unerlässlich. Ein Beispiel dafür ist das Team in einer geriatrischen Tagesklinik oder einer interdisziplinären Intensivstation, bestehend aus Ärztinnen und Ärzten diverser Fachabteilungen, dem Fachpflegepersonal, den Therapeuten und weiteren Spezialisten. Diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit ermöglicht es, unterschiedliche Perspektiven zu nutzen, um für Diagnostik und Therapie möglichst präzise und individualisierte Pläne auszugestalten. Das Zusammenspiel von Disziplinen und Professionen sollte patientenzentriert orchestriert sein. Dafür empfiehlt es sich, vorhersehbare Zielkonflikte zu antizipieren und für alle Beteiligten positive Anreize einer wirksamen Zusammenarbeit zu schaffen.

3. Kontinuierliche Fortbildung

Angesichts der Rasanz des medizinischen Fortschritts kommt die kontinuierliche Fortbildung von Hochleistungsmannschaften notwendigen Aktualisierungen des Betriebssystems unserer Computer gleich. Updates ermöglichen nicht nur einen erleichterten Umgang mit der Komplexität neuer Inhalte. Nur sie schützen uns vor Schadware und Hackerangriffen. High Performance Teams sind quasi verpflichtet, auf dem neuesten Stand zu bleiben, um zuverlässig und resilient performant bleiben zu können.

Synchrone Präsenzveranstaltungen ermöglichen die Interaktion untereinander und haben neben der fachlich-inhaltlichen, auch eine wichtige soziale Komponente. Auf Abruf konsumierbare E-Learnings leisten ergänzend einen wichtigen Beitrag, beispielsweise bei den regelmäßigen Pflichtunterweisungen im Strahlen- oder Arbeitsschutz. Eine Kombination aus beiden Formaten (Blended Learning) ermöglicht die Vermittlung von Kompetenzzielen, beispielsweise in der Facharztweiterbildung. Andererseits coacht es Lernende und Lehrende, denn es unterstützt nicht nur die Wissensvermittlung und -überprüfung, sondern sorgt auch für ausreichende Adhärenz beider Seiten entlang des Curriculums.

Kontinuierliche Fortbildung verbessert High Performance Teams nachhaltig, denn sie hat direkte positive Effekte auf Personalentwicklung, Qualität und Wirtschaftlichkeit. Nachwuchskräfte sollten erkennen, wie wichtig kontinuierliche Fortbildung ist und sich aktiv darum bemühen, ihr Wissen auf dem neuesten Stand zu halten.

4. Etablierte Teamstrukturen

Strukturierte Prozesse und klare Rollendefinitionen stellen sicher, dass jedes Teammitglied seine Aufgaben versteht und diesen wirksam nachgeht. Anschaulich wird es im OP, wo präzise Koordination und Kommunikation lebenswichtig sind. Der präoperative „Team Time-out“ überprüft Aufgaben, Ziele und Rollen, verbessert so die Zusammenarbeit und minimiert mögliche Fehler. Die Rollenzuweisung sorgt dafür, dass alle ihr Fachwissen optimal einsetzen können, während strukturierte Prozesse sicherstellen, dass keine wichtigen Schritte übersehen werden. Checklisten stellen rechtzeitig sicher, dass alle erforderlichen Instrumente und Materialien vorhanden sind, die Anamnese überprüft wurde und alle Schutzmaßnahmen ergriffen wurden.

28.02.2025, Praxis
Aschaffenburg
28.02.2025, BAG MVZ medic: GmbH und Bülent Adasoglu
Leverkusen

Etablierte Strukturen steigern die Wirksamkeit von medizinischen Teams und tragen so zur Sicherheit der Patienten bei. Diese sind in Anbetracht knapper Personalressourcen nicht nur in stressigen Notfallsituationen wichtig. Essenziell sind etablierte Teamstrukturen insbesondere in der „Alltagstristesse“.

5. Empathie und Teamkultur

Eine förderliche und empathische Teamkultur ist für die Zufriedenheit der Teammitglieder entscheidend und wirkt sich daher indirekt auf die Qualität der Patientenversorgung aus. Regelmäßige Team-Feedback-Sitzungen sind ein konkretes Anwendungsbeispiel. In solchen Meetings kann das Team positive Beiträge der Mitglieder würdigen und konstruktive Verbesserungsvorschläge erörtern. Dies fördert nicht nur ein offenes Kommunikationsklima, sondern trägt auch dazu bei, dass sich alle wertgeschätzt fühlen und aktiv zur Teamdynamik beitragen.

Die positive Teamkultur stärkt das Vertrauen untereinander, was wiederum die Effektivität der Zusammenarbeit verbessert. Darüber hinaus trägt eine unterstützende Teamumgebung zur emotionalen Gesundheit der Teammitglieder bei, was sich positiv auf ihre Leistung und das Wohlbefinden der Patienten auswirken kann.

Der Autor:

Prof. Dr. med. Alexander Ghanem
Chefarzt Innere Medizin II
Kardiologie & internistische Intensivmedizin
Asklepios Klinik Nord
22417 Hamburg

Dtsch Arztebl 2024; 121(12): [2]

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