
Überstunden, Personalmangel und keine Pausen: All das prägt den Arbeitsalltag junger Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des Hartmannbundes. Doch es gibt auch Lichtblicke, insbesondere bei der Fortbildung und der Digitalisierung. Wir haben die wichtigsten Zahlen und Fakten für Sie zusammengefasst.
An der Umfrage beteiligten sich insgesamt 487 Assistenzärztinnen und Assistenzärzte. Die Ergebnisse liefern aufschlussreiche Einblicke in die Arbeitsbedingungen und Herausforderungen, denen junge Medizinerinnen und Mediziner in Deutschland gegenüberstehen. Besonders problematisch ist weiterhin die Arbeitszeit.
Keine Pausenzeiten und viele Überstunden
Die Mehrheit der befragten Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung arbeitet in Vollzeit (79 Prozent), während 19 Prozent in Teilzeit tätig sind. Nur zwei Prozent gaben an, derzeit nicht berufstätig zu sein. Einige der Befragten arbeiten in einem reduzierten Umfang: Rund sieben Prozent arbeiten 80%, drei Prozent arbeiten 75%, und drei Prozent arbeiten 60%.
Alarmierend sind die Ergebnisse der Umfrage im Hinblick auf Pausen: Etwa 70 Prozent der Befragten geben an, die gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten nicht einhalten zu können. Ein weiteres Dilemma sind die Überstunden. 41 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung sagen, dass sie ihre Überstunden nicht problemlos dokumentieren können. Und dass, obwohl es eine entsprechende EU-Gesetzgebung für deren Dokumentation gibt. Die Gründe dafür liegen meistens entweder bei den digitalen Systemen, die einen Nachweis der Überstunden verhindern, oder bei den Vorgesetzten. „Wer Überstunden macht, ist nicht auf Facharztniveau und bekommt kein Zeugnis vom Chef“, lautet hier eine von vielen Freitextantworten. Es brauche einen längst überfälligen Kulturwandel in Krankenhäusern, kritisiert Dr. med. univ. Caroline Rinkel, Sprecherin des Ausschusses für Assistenzärztinnen und -ärzte des Hartmannbundes. „Die bestehenden Personalprobleme in der Patientenversorgung können wir nicht langfristig durch unbezahlte Überstunden ausgleichen, sondern nur durch ein effizienteres System, eine optimierte Arbeitsweise und – mehr Personal“, erklärte sie.
Mangelhafte Personalsituation
Generell sind die Teilnehmenden der Umfrage mit der Personalsituation an ihrem Arbeitsplatz unzufrieden. Rund 41 Prozent bezeichnen die Situation als mangelhaft, 34 Prozent als ausreichend und nur etwa 23 Prozent als gut oder sehr gut. Besonders auffällig ist der Mangel laut Umfrage bei Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung (39 Prozent) und Fachärztinnen und -ärzten (26 Prozent). An dieser Stelle macht sich der Ärztemangel weiter bemerkbar. Denn mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) bestätigen, dass es unbesetzte ärztliche Stellen bei ihnen gebe.
Arbeitsbedingungen und Gedanken über Berufswechsel
Es gibt allerdings auch positive Ergebnisse. So geben drei Viertel der Medizinerinnen und Mediziner an, dass auf die Arbeitszeitwünsche von Mitarbeitenden geachtet werde. Gleichzeitig ist für 83 Prozent die Urlaubsplanung verlässlich. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen stark variiert. Auf einer Skala von 1 (sehr zufrieden) bis 6 (sehr unzufrieden) gaben rund 29 Prozent der Befragten eine 3 an, während 22 Prozent eine 4 wählten. Hier ist es nicht verwunderlich, dass mehr als ein Drittel (36 Prozent) der Assistenzärztinnen und -ärzte aufgrund unzufriedenstellender Arbeitsbedingungen bereits über einen Berufswechsel nachgedacht haben. Die Medizinerinnen und Mediziner beklagen besonders eine hohe Dienstbelastung, unzureichende Weiterbildung, wenig Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mangelnde Wertschätzung. „Pünktliche Feierabende sind seltener als Einhörner“ und „Ich war so überarbeitet, dass ich mich in stationärer Therapie wegen Burnout befinde. Ich bin nicht die erste, die deswegen kündigen wird, und die Führungsriege lernt nicht dazu“, so beschreiben Teilnehmende ihre Situation.
Digitalisierung in der Warteschleife
Trotz dieser offensichtlichen Probleme scheint sich an den Arbeitsbedingungen nur sehr wenig zu ändern. Die Möglichkeit, remote zu arbeiten, um beispielsweise Arztbriefe oder Befunde zu schreiben, besteht für 86 Prozent der Befragten nicht. Außerdem geben 76 Prozent an, dass ihr Arbeitgeber keine Angebote zur Stressreduktion oder Prävention biete. Ebenso bleiben für rund 70 Prozent teambildende Maßnahmen nur ein Wunschtraum. Bei Prozessoptimierungen werden nur 17 Prozent einbezogen.
Auch in Sachen Digitalisierung läuft es eher schlecht als recht. Etwa 70 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung geben an, dass Doppeldokumentation bei ihnen an der Tagesordnung sei. Etwa die Hälfte kann auf ein Diensthandy zurückgreifen, nur zehn Prozent auf ein Tablet. Die Standardausstattung bleibt für rund 95 Prozent der PC-Arbeitsplatz. Dabei sind für 92 Prozent technische Probleme Teil des Arbeitsalltags. Eine Künstliche Intelligenz (KI) kommt nur bei etwa zehn Prozent der Befragten zum Einsatz. „Die Arbeitgeber und die technische Ausstattung vieler Kliniken sind irgendwo im vergangenen Jahrzehnt stehengeblieben“, sagt Jan Baumann, ebenfalls Sprecher des Ausschusses. Die Bedingungen entsprechen nicht mehr unserer Zeit. Es braucht funktionierende Arbeitszeitmodelle, New Work-Ansätze, Homeofficemöglichkeiten und eine riesige Veränderung in Sachen Digitalisierung, damit junge Ärztinnen und Ärzte auch nach Erreichung des Facharztes gerne in den Kliniken weiterarbeiten.
Die Umfrage macht sehr deutlich: Es braucht jetzt Veränderungen. Wenn junge Medizinerinnen und Mediziner mit den Arbeitsbedingungen so unzufrieden sind, dass sie möglicherweise dem Arztberuf den Rücken kehren wollen, ist eine Bewältigung der Patientenversorgung kaum möglich.