In Arztpraxen ist es schon ein Thema, im stationären Bereich noch ausbaufähig: interprofessionelles Arbeiten. Dabei kann Delegieren im Klinikalltag viele Vorteile bringen, allerdings bedarf es dazu ein paar Umstellungen und auch die Kommunikation muss stimmen.
Das Arbeitsspektrum vieler bestehender Berufe im Krankenhaus wie das der Pflegekräfte hat sich erweitert. Gleichzeitig ist auch die Medizin komplexer geworden und stellt immer höhere Anforderungen an Ärztinnen und Ärzte. Sie müssen sich einem stetig ändernden Versorgungsalltag anpassen. Dadurch sind immer mehr Krankenhausmitarbeitende überlastet und die Burnout-Zahlen steigen dramatisch an.
Eine Lösung für das Problem sehen viele Experten in der Delegation medizinischer Aufgaben auf andere Berufe und die Bildung interprofessioneller Teams. Diese sollen die Behandlung der Patienten und Patientinnen übernehmen. Erstes Anzeichen dafür, dass die Entwicklungen in diese Richtung gehen, zeigen die neuen medizinischen Berufe, die in den vergangenen Jahren im Klinikbereich neu entstanden sind: Dazu zählen beispielsweise der Physician Assistant, der Medizincontroller oder der Data Scientist. Jeder Beruf hat seine eigenen Qualitäten und kann diese in die Teamarbeit einbringen.
Wie kann interprofessionelle Teamarbeit gelingen?
Damit die Versorgung von Patientinnen und Patienten in interprofessionellen Teams funktioniert, müssen alle Beteiligten offen für die Teamarbeit sein. Darüber hinaus sind Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Kompetenzen aus dem Gesundheitsbereich notwendig. Eine klare Rollenverteilung ist unumgänglich für reibungslose Abläufe, ebenso wie eine gemeinsame Führung. Interprofessionelles Arbeiten stellt höhere Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit der beteiligten Mitarbeitenden. Der professionelle Umgang mit Konflikten muss möglicherweise eingeübt und/oder durch eine Supervision begleitet werden. Auch die Einführung von gemeinsamen Lerneinheiten, in denen mit- und übereinander gelernt wird, hilft, Vorurteile abzubauen und die Expertise des anderen anzuerkennen. Gemeinsames Ziel sollte eine optimale Patientenversorgung sein.
Woran krankt die Umsetzung?
Derzeit wird viel über das Thema Delegation und Arbeit in interprofessionellen Teams gesprochen, jedoch krankt es noch an der Umsetzung. Noch immer halten viele Medizinerinnen und Mediziner an einem althergebrachten Rollenverständnis fest. Hier ist Umdenken gefordert. Sie müssen bereit sein, Verantwortung abzugeben und ihre Furcht, durch eine Delegation von Aufgaben überflüssig zu werden, ablegen. Vonseiten der Politik braucht es Versorgungskonzepte, die die verschiedenen Berufe und ihren Beitrag zu Patientenversorgung wertschätzen, Abrechnungsziffern anpassen und rechtlich sichere Rahmenbedingungen schaffen, sodass Aufgaben übertragen werden können.
Erst Ansätze für eine breitere Einführung des interprofessionellen Arbeitens gibt es schon, z. B. mit dem Projekt „Magnet4Europe“. Finanziert wird es durch die Europäische Union. Ziel ist es, das interprofessionelle Zusammenwirken von ärztlichen Berufen, Pflegefachkräften sowie anderen im Krankenhaus arbeitende Gruppen zu fördern und eine bessere Arbeitsumgebung zu schaffen.
Dazu haben die Projektverantwortlichen eine Interventionsstudie angestoßen, an der 60 Krankenhäuser aus sechs europäischen Ländern teilnehmen – 21 davon kommen aus Deutschland. Die Untersuchung soll noch bis Ende 2023 laufen. Als Vorbild dienen US-Krankenhäuser, in denen bereits bessere Arbeitsbedingungen geschaffen wurden – mit positiven Ergebnissen: Die Burnout-Raten und die Personalfluktuation sanken, während die Arbeitszufriedenheit stieg. Und schließlich konnte eine Verbesserung bei der Patientensicherheit und den medizinischen Ergebnissen erreicht werden – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.