Über wichtige Erfahrungen, gewonnene Einsichten und ausgefallene Wünsche spricht aerztestellen.de mit erfolgreichen Ärztinnen und Ärzten. Dieses Mal stellt sich Prof. Dr. med. Sebastian Kerber unseren Fragen. Seit 1. Januar 2022 ist er neuer Ärztlicher Direktor des Rhön-Klinikums Campus Bad Neustadt.
Herr Professor Kerber, warum eigentlich sind Sie Kardiologe geworden?
Prof. Dr. Sebastian Kerber: Während meines Medizinstudiums, Start 1980, war ich Doktorand an der Kardiologischen Abteilung des Universitätsklinikums Münster. Dort entwickelten wir eine Methode der Belastungsechokardiographie bei Patienten mit Koronarer Herzerkrankung. Schon damals gewann ich den Eindruck, dass in der Kardiologie sehr viele Krankheitsbilder mit invasiven und nicht-invasiven Verfahren sehr präzise erfasst werden können und man daraus eine spezifische, exakte Differenzialtherapie ableiten kann. Alles erkennen, um alles möglichst exakt behandeln zu können, war für mich faszinierend. Ich war mir sicher, dass diese Faszination für meinen gesamten beruflichen Weg tragfähig sein würde.
Was ist für Sie unabdingbar, damit Sie gut arbeiten können?
Prof. Dr. Sebastian Kerber: Die Betreuung von Patienten in einem großen Klinikum bedingt, dass viele Teams extrem vernetzt, teilweise unter schwierigen Rahmenbedingungen wie Notfallsituationen miteinander arbeiten. Unabdingbar für eine bestmögliche Behandlung der uns anvertrauten Patientinnen und Patienten ist die Bereitschaft, in diesen Teams aus Ärztlichem Dienst, der Pflege und Funktionsabteilungen stets sein Bestes zu geben. Darüber hinaus sind absolute Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Selbstreflexion wichtig.
Wie lautet der beste Rat, den Sie auf Ihrem Karriereweg bekommen haben?
Prof. Dr. Sebastian Kerber: Besonders wegweisend war der Rat meines Chefs, Univ.-Prof. Dr. med. G. Breithardt, stets daran zu denken, dass es häufig immer noch besser gehe. Univ.-Prof. Dr. med. H. H. Scheld, Direktor der Klinik für Herzchirurgie im UKM in Münster, der mich durch seinen persönlichen Einsatz als Herzchirurg sehr beeindruckt hat, gab mir mit auf den Weg, im kardiovaskulären Fach extrem vernetzt, interdisziplinär und gemeinsam in den unterschiedlichen Teams zu arbeiten.
Was schätzen Sie an anderen Menschen am meisten?
Prof. Dr. Sebastian Kerber: An anderen Menschen im Berufsalltag schätze ich am meisten ihre aufrechte Ehrlichkeit, einen guten Willen, stets das Beste zu tun, ihre Teamfähigkeit, Feingefühl, ärztliche Intuition und Empathie sowie Wärme im Umgang mit Patienten, Angehören und Mitarbeitenden.
Was treibt Sie an?
Prof. Dr. Sebastian Kerber: Die große Zahl komplexer Patientenverläufe jede Woche sind für mich eine Herausforderung, in dem Sinne, dass jede Woche im Sinne der Patientinnen und Patienten und Mitarbeitenden alles bestmöglich läuft. Meine noch hochbetagte verehrte Mutter stellte mir die gleiche Frage. Ich antwortete ihr, ich sei froh, wenn ich Freitagabend ankomme und alles geklappt habe. Daneben treibt mich an, die wichtigen richtigen Neuerungen, Trends, Visionen zu erspüren, im Team aufzugreifen, weiter zu entwickeln und damit die richtige Dynamik ohne Fehlwege und Übertreibungen im Fachgebiet und im Mitarbeiterteam zu generieren.
Mit wem würden Sie gerne einmal einen Abend verbringen?
Prof. Dr. Sebastian Kerber: Am liebsten würde ich einen Abend mit Antonio Stradivari verbringen, geboren 1644 in Cremona. Dieser phänomenale Geigenbauer entwickelte den Geigenbau zu höchster Könnerschaft, seine Instrumente, etwa 1.000, sind der Maßstab dieses künstlerischen Handwerks. Einmal durfte ich auf einem seiner schönsten Instrumente, der Aurea, in Zürich musizieren und den Zauber, das Geheimnis und die Schönheit des Handwerks am eigenen Ohr erleben.
Was raten Sie jungen Ärztinnen und Ärzten?
Prof. Dr. Sebastian Kerber: Die Anforderungen an die medizinische Tätigkeit sind in den letzten drei Jahrzehnten enorm gewachsen. Allein Arzt zu sein, reicht heute für eine erfolgreiche, gut medizinische Tätigkeit nicht aus. Ärztinnen und Ärzte sollten den Beruf langfristig nur aufnehmen, wenn sie für das eigentliche medizinische Fach tatsächlich brennen und die zusätzlichen Belastungen schultern, tragen und auch dadurch kompensieren können. Und es braucht das innere Feuer, ein guter Arzt oder eine gute Ärztin sein zu wollen, um dieser Last des täglichen Arbeitens Stand zu halten.
Wie gelingt Ihnen eine gesunde Work-Life-Balance?
Prof. Dr. Sebastian Kerber: Aufgrund der zeitlichen Limitationen kann ich nur in einem sehr kleinen engen Freundeskreis fernab der Medizin Teile der Work-Life-Balance generieren. Die Begleitung meiner fast erwachsenen Söhne ist mir nicht nur wichtig, sondern sie bereichert mich. Und schließlich ist es für mich eine große Freude, meine musischen Anlagen mit dem Studium der Violine und der Kenntnis schöner Meisterinstrumente unverändert seit 50 Jahren vertiefen zu dürfen in einem Kreis entsprechender Experten, Lehrer und Musiker.
Woran mangelt es dem deutschen Gesundheitssystem?
Prof. Dr. Sebastian Kerber: Dem deutschen Gesundheitssystem mangelt es an einer größeren Aufmerksamkeit für die enormen Leistungen der stationären Patientenversorgung. Ihre Bedeutung wird unterschätzt und bedarf möglichst zeitnah einen veränderten Personaleinsatz und optimierte Arbeitsbedingungen. Meines Erachtens ist die Ressourcenverteilung im Gesamtsystem, das zweifelsfrei uns alle viel Geld kostet, nicht optimal ausgerichtet.
Wann sind Sie glücklich?
Prof. Dr. Sebastian Kerber: Ich bin glücklich, wenn mir die wichtigen Aspekte meines breiten Aufgabengebiets als Klinikchef und Ärztlicher Direktor im Wesentlichen gelingen. Glück hängt auch davon ab, dass dabei die Mitarbeitenden meines Teams mit mir zufrieden sind, sich inspirieren lassen und es mir gelingt, sie gemäß ihren Wünschen, Fähigkeiten, Ideen und ihrem Potenzial optimal zu fördern. Glück entsteht auch einmal selber, wenn man trotz der hohen Arbeitsbelastung seit Jahrzehnten gesund ist und den Werdegang der Familie und guter Freunde begleiten darf.