
Weibliche Solidarität hilft allen Frauen im Alltag, auch in punkto Seilschaften und Karriere. Doch tatsächlich steht es damit in der Klinik nicht immer zum Besten. Im schlimmsten Fall hat man sogar eine regelrechte Erzfeindin als Kollegin. Wie man mit einer solchen Widersacherin umgehen und was hinter dem Verhalten stecken kann, erklärt die Mediatorin Christiane Fruht.
Frauen sollten doch untereinander solidarisch sein? Sind sie es nicht?
Christiane Fruht: Viele Teams gehen sehr kollegial miteinander um. Trotzdem gibt es immer wieder die ein oder andere Kollegin, die einer anderen das Leben schwer macht. Leider wird dieses Verhalten oft abgetan als „Stutenbissigkeit“ und „Zickigkeit“. Doch das Thema ist viel ernster. Denn die Betroffenen leiden oft extrem; eine solche Widersacherin kann die Psyche ihres Opfers messerscharf verletzen. Das schwappt ja auch in den privaten Bereich über, raubt einem den Schlaf und kann die ganze Lebensqualität trüben.
Welche „Biestigkeiten“ haben Sie schon mitbekommen?
Christiane Fruht: Die Palette an Gemeinheiten ist breit gefächert: von ‚blöden‘ Sprüchen in der Morgenrunde über ständige Sticheleien bis zum Lästern über mangelnde Arbeitsqualität. Solche Gerüchte machen dann die Runde, da die Feindin versucht sich mit anderen zu verbünden. Sie möchte schließlich, dass die zustimmend nicken, wenn sie sagt „Wie will dieses Püppchen denn die (OP)-Haken halten?“. Ich bin immer wieder überrascht, was für archaische und fiese Verhaltensweisen auch in sozialen Einrichtungen wie Kliniken hinter den Kulissen gepflegt werden, mit Anfeindungen unter der Gürtellinie. Das geht bis zum Rufmord.
Was sind die Gründe dafür? Die Karriere?
Christiane Fruht: Das ist ganz individuell. Mittlerweile wird schon oft um die Karriere gerangelt, vor allem wenn die Ressourcen für den nächsten Schritt begrenzt sind. Aber darum geht es nicht nur. Natürlich gibt es nach wie vor den klassischen Neid auf Lebensumstände oder gutes Aussehen. Häufig passiert das aber auch ohne ersichtlichen Grund. Nicht wenige dieser Protagonistinnen sind sich selbst nicht bewusst darüber, warum sie eine bestimmte Kollegin nicht leiden können. Das ist nicht selten reine Projektion. Manchmal nur ein Parfüm, das uns an jemand erinnert. Ebenso häufig ist mangelndes Verständnis, zum Beispiel wenn eine Ärztin Mutter geworden ist und jetzt immer pünktlich nach Hause gehen will. Muss die Kollegin dafür dann länger bleiben, wird oft nach der Devise geschossen „die Teilzeit-Mami lässt um 14 Uhr alles stehen und liegen“. Das betrifft übrigens auch manche Chefin vom alten Schlag, die sich durchgekämpft und auf Familie verzichtet hat – und nun auf einmal auf Assistentinnen mit Kindern Rücksicht nehmen soll.
Was bedeuten solche Konflikte für das Team?
Christiane Fruht: Dieses Verhalten vergiftet das ganze Klima, weil so ein Kleinkrieg meist eben nicht nur zwischen zwei Leuten ausgetragen wird. Das schlägt Wellen, eventuell müssen sich Kollegen und Kolleginnen entscheiden, für wen sie Partei ergreifen. Auch die Arbeit der Vorgesetzten wird erschwert, da das Team unter Umständen ineffektiver arbeitet. Informationen fließen nicht so wie sie sollten, weil die beiden Personen nicht miteinander sprechen. Hinzu kommt: Man riskiert, dass die betroffene Kollegin ernsthaft erkrankt. Dadurch muss nicht zuletzt vielleicht auch die Feindin mehr arbeiten. Am Ende leiden auch die Patientinnen und Patienten.
Inwiefern unterscheiden sich die Regeln männlicher und weiblicher Machtspielchen?
Christiane Fruht: Frauen pflegen eher indirekte Feindschaften, denn sie haben eine sogenannte horizontale Kommunikationsform. Deren „Kit“ ist Zugehörigkeit und daher ist es die größte Strafe eine aus der Gemeinschaft auszustoßen. Bei erfolgreichem „Feldzug“ gehen dann alle auf den Weihnachtsmarkt, nur die eine Kollegin wird eben nicht gefragt. Männer kommunizieren dagegen vertikal, nach der Maxime „oben sticht unten“ oder „welches Auto fährt schneller?“. Da ist es völlig legitim, wenn man mal offen ein hitziges Wortgefecht austrägt. Danach ist der Streit aber auch abgeschlossen. Bei Frauen bleibt er dagegen lange im Raum stehen, mit vielen verletzten Gefühlen. Deswegen gibt’s bei uns auch immer wieder diesen Wunsch sich aussprechen zu wollen, alle Gefühle auf den Tisch zu legen, was oft aber nichts bringt.
Hilft es denn nicht darüber zu sprechen?
Christiane Fruht: Selbstverständlich können Sie versuchen, ein Gespräch zu führen – dann haben Sie es immerhin angeboten. Aber passen Sie auf, dass Sie darin nicht nur abgebügelt werden und fix und fertig wieder rauskommen. Ich rate stattdessen: Suchen Sie die Aussprache nur dann, wenn Sie den Eindruck haben, dass auch die Kollegin wirklich an einer Lösung interessiert ist. Oft ist genau das nämlich nicht der Fall. Da heißt es dann „wieso, ist doch alles okay“ oder „das hast du falsch verstanden“. Das ist übrigens ein weiterer Teil des Problems, der den Leidensdruck zusätzlich erhöht: Das Ganze lässt sich oft sehr schwer greifen. Deswegen rate ich immer, dem eigenen Bauchgefühl zu trauen, gerade auch anfangs, wenn man sich fragt „huch, was ist denn jetzt hier gerade passiert? Das war doch jetzt nicht okay…“ – und sich zu wappnen.
Was kann man denn dagegen tun? Wie sich wehren?
Christiane Fruht: Ich würde keine Energie darauf verschwenden, mich mit dieser Person zu kabbeln, besonders, wenn sie bei Annäherungsversuchen dichtmacht. Stattdessen empfiehlt sich eine Abgrenzungs-Strategie durch eine Mentaltechnik. Sie können zum Beispiel wie im Yoga ein „goldenes Schutzschild“ um sich denken, durch das Sie nur positive Energien lassen. Oder schalten Sie eine innere „Teflon-Funktion“ an, sodass Anfeindungen wie ein Spiegelei an Ihnen abrutschen und keine Spuren hinterlassen. Statt einem anderen Menschen Macht über sich einzuräumen, sollten Sie sich zudem immer wieder auf sich selbst fokussieren: Was sind Ihre Ziele, Ihre liebsten Kolleginnen und Kollegen? Darüber hinaus hilft es, einen passenden Satz zu finden, den man bei Angriffen immer parat hat. Zum Beispiel „das ist nicht lustig“ oder „ich bitte dich, dass wir professionell miteinander arbeiten“. Auch Humor hilft. Ich habe schon wahre Wunder erlebt, als Führungskräfte, die unter einer Mitarbeiterin litten, diese um-konnotiert haben. Dann war sie für sie einfach mal die Katze Azrael von den Schlümpfen, die immer die Krallen ausfährt, weil das eben ihr Wesen ist. Und plötzlich kippte die Situation. Die bösartige Nervensäge wurde nicht mehr so ernst genommen und verlor an Macht, nach dem Motto, die ist halt wie sie ist. Wertvoll ist ferner, sich immer wieder beim Patienten „aufzuladen“ und sich wirklich zu freuen, wenn die sagen „Frau Doktor, Sie haben mir geholfen“.
Können sich solche Angriffe auch gegen Führungskräfte richten?
Christiane Fruht: Sogar verstärkt! Je höher jemand die Hierarchieleiter hinaufklettert, desto mehr kann dieser Mensch zur Projektionsfläche für alles Mögliche werden, sogar für private Unzufriedenheiten. Ein weiterer klassischer Konflikt ist, dass die Kollegin, die auch gerne weitergekommen wäre, nach Ihrer Beförderung nun nicht mehr Ihnen, ihrer neuen Chefin spricht. Generell, ob Chef- oder Assistenzärztin, empfehle ich, den Kontakt mit den netten Kolleginnen und Kollegen bewusst und aktiv zu pflegen. Zeigen Sie ihnen immer wieder, wie sehr Sie die Zusammenarbeit schätzen. Idealerweise haben Sie dann einen guten Draht zu allen anderen, unabhängig von diesem Störfaktor.
Und wenn das alles zu nichts führt?
Christiane Fruht: Man kann versuchen, mit den nächsthöheren Vorgesetzten zu sprechen, ob die vielleicht eine Lösung finden. Der letzte Schritt ist, sich zeitlich oder räumlich zu distanzieren, sofern das möglich ist. Ich habe neulich als Mediatorin zwei ehemalige Jugendfreundinnen in der Verwaltung betreut. Sie hatten sich auseinanderentwickelt, die eine unterstellte der anderen nun Neid auf ihr aktuelles Leben. Dieser Konflikt entfachte ständig aufs Neue. Weil alles nichts half, wurden am Ende die Zwischentüren zwischen ihren zwei Büros zugemauert.