Krank als Arzt oder Ärztin

17 März, 2022 - 07:43
Miriam Mirza
Erschöpfter, kranker Arzt mit Vollbart in seiem Büro, Arzt mit Kopfschmerzen

Ärztinnen und Ärzte kümmern sich täglich um die Gesundheit anderer. Dabei zeigen Studien, dass ihr Umgang mit der eigenen Gesundheit nicht unbedingt als Vorbild taugt: Sie suchen nur ungern Kollegen auf, treiben nicht genug Sport und haben obendrein noch eine Arbeit mit hoher Arbeits- und Stressbelastung.

Ärztinnen und Ärzte sind schlechte Patienten

Ärztinnen und Ärzte geben ihren Patientinnen und Patienten täglich Ratschläge zu ihrer Gesundheit. Sie selbst kümmern sich allerdings nicht sonderlich gut darum. Bereits im Jahr 2015 ergab eine Umfrage der Universität Los Angeles bei nahezu 4.000 Medizinerinnen und Medizinern, dass jeder zweite keinen Hausarzt oder Hausärztin hat. Mehr als die Hälfte sahen es mit dem Impfschutz gegen Hepatitis und Grippe nicht genau und jeder Fünfte betrieb keinen Sport oder andere körperliche Aktivitäten. Auch Vorsorgeuntersuchungen werden oft vernachlässigt und Medizinerinnen und Mediziner neigen zur Selbstmedikation – auch wenn es um Psychopharmaka geht.

29.06.2024, Praxis
Hamburg
28.06.2024, Augenzentrum Fürstenfeldbruck
Fürstenfeldbruck

Der Rat einer Kollegin oder eines Kollegen zur eigenen Gesundheit wird oft nur zögerlich eingeholt. Und finden Betroffene doch einmal den Weg in eine Praxis oder ein Krankenhaus, ist das Rollenverständnis häufig nicht geklärt. Schnell entsteht eine fachlich qualifizierte Diskussion, die eher eine Konsultation unter Kolleginnen und Kollegen denn einem Arzt-Patienten-Gespräch ähnelt.

Psychische Erkrankungen weit verbreitet

Dabei haben gerade Ärztinnen und Ärzte oft einen hohen Bedarf an medizinischer Versorgung. Besonders anfällig ist die Berufsgruppe für psychische Erkrankungen. In der Regel empfinden sie ihrem Beruf als sinnstiftend und erfüllend. Das ist einerseits positiv, andererseits hat es eine hohe Identifikation mit dem Beruf zur Folge. Das wiederum führt schnell dazu, dass Belastungen zu lange ausgehalten werden. Wer unter Dauerstress steht, wird langfristig krank.

Dass auch Mediziner und Medizinerinnen seelisch krank werden, ist lange bekannt. Bereits vor Jahren zeigte eine anonyme Befragung in Rheinland-Pfalz unter 800 Hausärzten auf, dass fast jeder Vierte an Depressionen leidet und jeder Zehnte generell von einer psychischen Erkrankung betroffen ist. Besonders besorgniserregend ist auch, dass die Zahl der Suizide in dieser Berufsgruppe deutlich erhöht ist. Corona hat zu diesen Entwicklungen ihr Übriges beigetragen: Laut einer Medscape-Umfrage von November 2020 unter 1.130 Befragten erklärten 50 Prozent der Teilnehmenden, dass sich die eigenen Burnout-Symptome seit Beginn der Pandemie noch verstärkt haben.

Auch in Bezug auf Suchterkrankungen sind Medizinerinnen und Mediziner gefährdet, wobei Alkohol das Suchtmittel Nummer eins ist. Schätzungen zufolge sind allein in Deutschland mehr als 8.000 Ärztinnen und Ärzte alkoholabhängig. Daneben wird zu weiteren, potenziell süchtig machenden Substanzen gegriffen, wie z.B. Sedativa und Amphetaminen, manchmal auch zu Opiaten und Kokain. Auch das Rauchen ist unter dieser Berufsgruppe weit verbreitet: Laut einer Erhebung der Europäischen Union raucht jeder bzw. jede Vierte.

Gerade in der aktuellen Coronasituation dürften sich viele Betroffene im „Funktionsmodus“ befinden. Das hat zur Folge, dass berufliche und private Ressourcenpflege zum Teil sehr zurückgefahren wird. Ärztinnen und Ärzte sollten sich darüber im Klaren sein, offen sein für Anzeichen einer potenziellen Überlastung und sich möglichst rechtzeitig Unterstützung holen. Inzwischen gibt es sogar eigens für Ärztinnen und Ärzte konzipierte Hilfsangebote. So bieten etwa spezielle Kliniken verschiedene differenzierte Angebote zur Behandlung für Menschen in Heilberufen mit Burn-Out, Depression, Abhängigkeitserkrankungen, Suchterkrankungen und substanzbedingten Störungen an.

Damit sich in Sachen „Ärztegesundheit“ etwas ändert, müssen sich Ärztinnen und Ärzte bewusst machen, dass sie selbst auch krank werden können und aufhören, auch krank weiterzuarbeiten. Sich an die eigenen Ratschläge zu halten ist nicht immer leicht, doch grundsätzlich sollte klar sein, dass sich auch Medizinerinnen und Mediziner um ihre Gesundheit kümmern und sich eingestehen sollten, dass sie auch nur Menschen sind und auch einmal Hilfe brauchen.

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