Management: Wie zeitgemäßes Führen im Krankenhaus gelingt

29 Juni, 2021 - 07:45
Michael Born
Symbolbild Führung: Arzt mit medizinischen Symbolen, blauer Hintergrund

Die rasanten gesellschaftlichen Veränderungen erfordern es, auch das Management und die Führung eines Unternehmens zu verändern. In vielen Branchen ist das schon spürbar. Den Krankenhäusern steht dies vielfach noch bevor.

Unsere Gesellschaft war in den letzten Jahren ständigen Veränderungen ausgesetzt: Internet, Onlinehandel, Globalisierung, demografische Entwicklung, Generationenvielfalt und Digitalisierung. Auf all diese Veränderungen wirkte die Coronakrise wie ein Brandbeschleuniger. Doch wie wirken sich diese Veränderungen auf die Krankenhäuser aus und wie können diese den Wandel erfolgreich gestalten?

Prozessorientierung statt Säulendenken

Die Organisation der Krankenhäuser umfasst die Aufbau- und Ablauforganisation. Die Aufbauorganisation bildet die hierarchische Struktur des Unternehmens ab und hat die Aufgabenteilung im Blick. Die Krankenhäuser sind insbesondere durch drei Säulen geprägt: Ärztlicher Dienst, Pflegedienst und Verwaltung. Die Ablauforganisation legt fest, wann, wo und wie eine Tätigkeit abläuft. Das Unternehmen funktioniert bestens, wenn alles so abläuft, wie in der Aufbau- und Ablauforganisation vorgeschrieben. Doch heute gibt es oft Schnittstellenprobleme zwischen den Säulen. Andere Branchen haben auf diese Probleme so reagiert, dass sie zunehmend auf Prozesse statt auf Säulen blicken. Diesen Weg der Prozessorientierung gehen viele Krankenhäuser inzwischen auch vorsichtig, getrieben durch das Qualitätsmanagement und die Prozessoptimierungen.

10.09.2024, UKM Marienhospital Steinfurt GmbH
Steinfurt
10.09.2024, GFO Kliniken Rhein-Berg
Bergisch Gladbach

Die Aufbau- und Ablauforganisation ist denkbar ungeeignet, um Netzwerke zu steuern. Damit stellt sich die Frage nach den Konsequenzen für das Krankenhausmanagement. Viele Krankenhäuser werden heute noch nach dem Konzept des strategischen Managements von Taylor geführt. Danach sitzen im Management die Denker, die über das Wissen verfügen und einzelne Arbeitsschritte planen, damit am Ende das fertige Produkt für den Kunden steht. An der Basis sind die weitgehend ungebildeten Arbeiter. Sie führen die vom Management vorgeschriebenen einzelnen Arbeitsschritte aus. Dazwischen agieren Führungskräfte. Sie stellen durch Befehl und Gehorsam sicher, dass die Arbeiter die vorgeschriebenen Tätigkeiten genau nach Plan ausführen. Ist das nicht der Fall, gibt es Sanktionen.

Dort entscheiden, wo die Expertise ist

Heute sind die Voraussetzungen für dieses Modell nicht mehr gegeben. Denn es geht davon aus, dass die Unternehmensspitze einen Wissensvorsprung, also die größere Fachexpertise, gegenüber der ausführenden Ebene hat. Heute ist die Situation in den Krankenhäusern aufgrund der zunehmenden Spezialisierung genau andersherum. Das größere Expertenwissen findet sich oft dezentral und auf nachgeordneten Hierarchieebenen. Da Entscheidungen dort getroffen werden sollten, wo die Expertise ist, sollten sie zunehmend dezentral getroffen werden.

Ferner sollte nicht mehr der Einzelne wesentliche Entscheidungen treffen. Die Welt ist inzwischen so komplex, dass der Einzelne sie nicht mehr seriös überblicken und durchschauen kann. Schwarmintelligenz nutzen ist daher das Stichwort. Entscheidungen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, richtig zu sein, wenn mehrere Menschen sie vorbereiten oder treffen. Gute Erfahrungen werden gemacht, wenn die Gruppe, die Entscheidungen trifft oder vorbereitet, wie folgt zusammengestellt wird:

  • Wer ist der Treiber des Themas?
  • Wer ist für das aktuelle Thema Experte?
  • Wer ist Kritiker des Vorschlags?
  • Wer ist Betroffener?
  • Wer nimmt für den Betriebs-/Personalrat teil?
  • Wer ist Querdenker?

Menschen machen nur, was sie wollen Führung im Modell des strategischen Managements funktionierte, weil die Geführten das machten, was die Führungskräfte ihnen sagten. Die heutigen Erkenntnisse zur Führung gehen davon aus, dass der Mensch nur das macht, was er wirklich will. Ordnet die Führungskraft etwas an, wägt er für sich die Vor- und Nachteile ab, die sich ergeben, wenn er der Anordnung folgt oder nicht. Kommt er zu dem Ergebnis, dass er von der Umsetzung profitiert, macht er das, was die Führungskraft von ihm verlangt. Kommt er zum gegenteiligen Ergebnis, macht er es nicht. Herausforderung für Führungskräfte ist es daher, Menschen dazu zu bringen, genau das selbst zu wollen, was die Führungskraft von ihnen will. Dazu müssen Führungskräfte Rahmenbedingungen schaffen, die es ihnen ermöglichen, ihre eigenen Ziele zu erreichen, wenn sie die Unternehmensziele verfolgen. Dazu zählen folgende vier Rahmenbedingungen:

  • Führungskräfte müssen Mitarbeitenden eine Aufgabe übertragen, die bedeutsam ist und einen Sinn hat.
  • Führungskräfte müssen Mitarbeitenden ermöglichen, ihre Kompetenzen auszubauen.
  • Mitarbeitende müssen bei ihrer Tätigkeit über ein gewisses Maß an Selbstbestimmung verfügen.
  • Mitarbeitende müssen mit ihrer Tätigkeit Einfluss nehmen können.

Das Arbeiten verändert sich deutlich

Auch die Art und Weise, wie Menschen arbeiten, hat sich verändert. Analoge Arbeitsmittel wie Akten, Dokumente und Schriftverkehr werden digital. Spracherkennung macht Schreibbüros überflüssig. Die Pandemie hat die Arbeit vom Büro ins Homeoffice verlagert. Während Veränderungen früher in Projekten vollständig konzipiert und erst dann umgesetzt wurden, findet heute zunehmend agiles Arbeiten statt. Ideen werden zu 80 Prozent entwickelt, dann in der Praxis erprobt und mit den Erwartungen der Auftraggeber abgeglichen. In der nächsten Entwicklungsstufe wird die menschliche Expertise durch künstliche Intelligenz ergänzt. Insbesondere die medizinische Diagnostik wird sich dadurch grundlegend verändern.

Gelingt es dem Krankenhausmanagement, die Chancen in diesen Veränderungen zu sehen und die Organisation und Führung an die gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen, spricht vieles dafür, dass die Krankenhäuser sicher in die Zukunft gehen.

Dtsch Arztebl 2021; 118(26): [2]

Der Autor:

Michael Born
Geschäftsführer Personal
Klinikum Region Hannover GmbH
30177 Hannover
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)

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