
Einige kennen und nutzen sie bereits, einige wollen gar nichts mit ihr zu tun haben: Die Rede ist vom Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin. Hat sie wirklich den revolutionären Einfluss, den sich viele von ihr versprechen oder sorgt sie nur für mehr Daten ohne großen Nutzen? Ein aktueller Medscape-Report hat Ärztinnen und Ärzten diese Fragen gestellt – und noch mehr.
Täglich gibt es mittlerweile Neuigkeiten zur Entwicklung, zum Gebrauch oder den Vorteilen von KI in der Medizin – aber auch von Gefahren und rechtlichen Problemen. Bessere und schnellere Diagnosen, auch durch größere Datenmengen, oder Vorteile bei der Dokumentation und Befundung in der Bildgebung sind nur einige positive Beispiele. Aber wie stehen Ärztinnen und Ärzte wirklich zur Anwendung von KI-Möglichkeiten in der Medizin? Wie sehr werden sie bereits genutzt und welche Erfahrungen konnten gesammelt werden? Und wo gibt es vielleicht unüberwindbare Hürden? Eine Online-Umfrage von Medscape hat in bei der Ärzteschaft nachgefragt.
Große Begeisterung
Mehr als die Hälfte der befragten Ärztinnen und Ärzte sagt, bereits einige Kenntnisse über KI am medizinischen Arbeitsplatz zu haben. Elf Prozent schätzen ihre Kenntnisse sogar als gut ein. Eine große Mehrheit findet, dass es für Ärztinnen und Ärzte wichtig sei, sich über KI am Arbeitsplatz zu informieren (55 Prozent „sehr wichtig“, 40 Prozent „eher wichtig“). Die wenigsten (fünf Prozent) messen KI im Moment keine große Bedeutung bei.
Insgesamt hat KI in der Ärzteschaft einen guten Stand: 37 Prozent sind begeistert von den Chancen, die KI in der Medizin bietet, 49 Prozent haben ein neutrales Verhältnis. 14 Prozent geben an, dass KI ihnen Angst mache.
Haupteinsatzgebiete von KI in der Medizin
Doch wo und für welche Aufgaben wird KI derzeit schon genutzt? Ärztinnen und Ärzte setzen sie vor allem bei administrativen Aufgaben (16 Prozent), bei der Terminplanung (14 Prozent), beim Erstellen klinischer Notizen (12 Prozent) oder bei der Pflege der elektronischen Patientenakte (12 Prozent) ein. Für Tätigkeiten, die den Kern der ärztlichen Arbeit darstellen, wollen sie jedoch KI auf keinen Fall verwenden. Dazu zählen die Patientenkommunikation (60 Prozent Ablehnung), Patientenbehandlung (58 Prozent), Erstellung von Prognosen zu Krankheiten (29 Prozent) oder die Diagnose von Krankheiten (27 Prozent).
Die große Mehrheit (72 Prozent) der Ärztinnen und Ärzte denkt nicht, dass die KI sie bald ersetzen werde. Nur 28 Prozent sind besorgt, dass das passieren könne. Insgesamt stehen die meisten Medizinerinnen und Medizinern einem Einsatz von KI positiv gegenüber. Etwa 70 Prozent sind begeistert oder sehr begeistert, wenn es um KI als Unterstützung bei Diagnose und Therapie geht, 30 Prozent sind in dieser Hinsicht besorgt oder sehr besorgt.
Gefahr der falschen Selbstdiagnose
Wenn es darum geht, wann KI eingesetzt werden sollte – so schnell wie möglich oder erst nach einer gewissen Entwicklungszeit –, scheiden sich die Geister. 40 Prozent der Befragten würden Technologien frühzeitig einsetzen, 55 Prozent möchten abwarten, wie sich diese entwickeln, fünf Prozent lehnen es gänzlich ab, KI einzusetzen. Gleichzeitig sind 47 Prozent der Meinung, dass sich das Risiko für Kunstfehler durch den Einsatz von KI verringern werde. 35 Prozent denken, dass es alles wie bisher bleibe und 18 Prozent befürchten ein steigendes Risiko.
Komplett vertrauen will die Mehrheit dem Kollegen Computer aber trotz vieler Vorteile nicht. 88 Prozent halten einen rechtlichen Rahmen für erforderlich. 79 Prozent unterstützen, dass die Regierung oder medizinische Fachverbände den Einsatz von KI reglementieren. Ein Problem hierbei könnte der Datenschutz von Patientendaten darstellen. Nur knapp ein Drittel denkt, dass Gesetze oder Verordnungen die Vertraulichkeit der Daten sicherstellen können.
Gleichzeitig scheint KI von Seiten der Patientinnen und Patienten noch keinen so großen Stellenwert zu besitzen. Denn nur elf Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte sagen, dass ihre Patientinnen und Patienten sie nach dem Einsatz von KI fragen. Auf der anderen Seite ist Dr. Google – oder jetzt Dr. KI – für viele ein einfaches Tool, um Symptome ohne ärztliche Hilfe abzuklären. Doch hier ist die Sorge der Medizinerinnen und Mediziner groß: 81 Prozent befürchten, dass Patientinnen und Patienten auf diese Weise Falschinformationen zu ihrer Erkrankung erhalten, nur 19 Prozent halten das nicht für wahrscheinlich.
Zum Hintergrund
An der Online-Umfrage von Medscape nahmen insgesamt 1.010 Ärztinnen und Ärzte, die in Deutschland leben und arbeiten, zwischen Januar und Mai 2024 teil. Davon waren 63 Prozent Männer und 37 Prozent Frauen, die Mehrzahl über 45 Jahre alt. Die Autoren weisen darauf hin, dass es sich nicht um eine repräsentative Umfrage handelt, deren Ergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung übertragbar sind.
Quelle: Medscape