Meldestelle gefordert: Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte nimmt zu

10 Juni, 2024 - 07:18
Bianca Freitag
Mann greift einen Arzt an

Oft bleibt es nicht bei verbaler Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte: Ein Video aus einem Berliner Krankenhaus in der Silvesternacht zeigte schon, wie medizinisches Personal geschlagen wurde. Jetzt liefert die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) weitere erschreckende Ergebnisse einer Umfrage.

Drei Männer schlagen einen Arzt und einen Pfleger, beide Opfer erleiden Kopfverletzungen. Das sind Szenen, die man in einem Krankenhaus eigentlich nicht erwartet. Doch sie scheinen immer häufiger vorzukommen. Das Video aus dem Sana Klinikum Lichtenberg in Berlin in der Silvesternacht ist nur ein Beispiel, das für große Aufmerksamkeit und Empörung sorgte.

Fast zwei Drittel der Ärztinnen und Ärzte haben Gewalt erlebt

Eine Abfrage bei den Landeskriminalämtern bestätigte, dass die Rohheitsdelikte in Krankenhäusern seit 2019 enorm zugenommen haben. Eine aktuelle Umfrage der ÄKWL untermauert diese Ergebnisse weiter. Sie startete unter den etwa 42.500 im elektronischen Mitgliederportal gemeldeten Ärztinnen und Ärzten im Kammergebiet eine Umfrage zum Thema Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte. Kammerpräsident Dr. Hans-Albert Gehle bezeichnet die Ergebnisse als „erschreckend“.

Nur kurze Zeit nach dem Start der Umfrage erhielt die Kammer Rückmeldungen von 4.513 Kammerangehörigen. 2.917 von ihnen bejahten, dass sie in der Vergangenheit in ihrem ärztlichen Alltag Gewalt erfahren haben. Das sind fast 65 Prozent. Bei einem Großteil der gemeldeten Fälle handelte es ich um verbale Gewalt (2.676 Fälle), allerdings gab es auch einen bedeutenden Anteil körperlicher Gewalt (1.015 Fälle). Die Situationen ereigneten sich sowohl im stationären Bereich (1.354 Fälle), als auch im ambulanten Bereich (1.339 Fälle) und im Rettungsdienst (254 Fälle). Diejenigen, von denen die Gewalt ausging, waren meist Patientinnen und Patienten (2.159 Fälle) oder Angehörige (1.563 Fälle).

Es braucht ein bundesweites Meldesystem für Gewaltdelikte

„Die Gewalt gegen ärztliche Kolleginnen und Kollegen eskaliert. Wir können und dürfen dieses Thema gesellschaftlich nicht länger ignorieren“, mahnt Gehle. „Die Hemmschwelle für aggressives oder beleidigendes Verhalten sinkt und die Gewaltbereitschaft nimmt zu. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das wir nicht tolerieren dürfen.“ Allein die Tatsache, dass die Kammer auf ihre Umfrage umfangreiche und schnelle Rückläufer verzeichnen konnte, zeige, dass dieses Thema alle medizinischen Kolleginnen und Kollegen massiv belaste.

Aus diesem Grund fordert die ÄKWL ein flächendeckendes Meldesystem, bei dem jegliche Gewalt im Gesundheitswegen nicht nur angezeigt werden könne, sondern aus den Daten auch präventive Maßnahmen gegen Gewaltdelikte abgeleitet werden sollten. Von der Landesärztekammer Hessen gibt es seit 2019 bereits eine Online-Meldestelle mit dem Namen „Gewalt gegen Ärzteschaft und Team“.

Darüber hinaus sollten Ärztinnen und Ärzte laut Gehle in die Regelung des §115 StGB aufgenommen werden. Dieser sanktioniert Angriffe auf oder Widerstand gegen Polizisten, Feuerwehrleute und Mitarbeitende im Rettungsdienst. „Auch Ärztinnen und Ärzte müssen besonders geschützt werden, denn gewalttätige Übergriffe im ärztlichen Alltag sind keine Kavaliersdelikte, sondern erhebliche Vergehen“, sagt Gehle. Der Kammerpräsident beschreibt als notwendige Schutzmaßnahmen Angebote von Deeskalationstrainings und Konfliktgesprächskursen.

Quelle: ÄKWL

 

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