
Valentina Busik ist Assistenzärztin in der Dermatologie am Universitätsklinikum Gießen und hat einen KI-Avatar zur Aufklärung von Patienten entwickelt. Und: Sie ist "Miss Germany 2025".
Wenn man Valentina Busik fragt, was sie zur Medizin gebracht hat, ist ihre Antwort so bemerkenswert wie ihr ganzer Werdegang. Geboren 1997 in Kasachstan, wuchs sie in einer deutschen Familie auf, die als Spätaussiedler nach Deutschland kam. Ihre medizinische Karriere entstand nicht aus einem Kindertraum, sondern aus einer prägenden, persönlichen Erfahrung heraus: Aus einer Krankheitsdiagnose, die man ihr in Kasachstan stellte und die eine schwere Nierenoperation nötig machte. Da man das in ihrem Heimatland nicht leisten konnte, war es nötig, das Land zu verlassen.
In Deutschland angekommen wurde ihre Erkrankung zunächst nicht erkannt. „Im Liegen waren im Ultraschall die Veränderungen an meinen Nieren nicht sichtbar. Nur weil ein befreundeter Arzt von uns darauf beharrte, einen Ultraschall im Stehen zu machen, wurde erkannt, dass ich kurz vor dem Nierenversagen war.“ Ein Schicksal, das ihre Familie stark prägte. "Jedes Jahr, wenn wir zur Kontrolle mussten, kam die Angst wieder hoch. Meine Eltern sagten immer: 'Wir hätten dich fast verloren.' Irgendwann entschied ich: Dann werde ich Ärztin, um es besser zu machen."
Heute ist sie auf dem besten Weg dazu, genau das zu tun. Nach einem erfolgreichen Medizinstudium in Gießen absolvierte sie zahlreichen Praktika in der Kinderheilkunde und spielte mit dem Gedanken, dies als spätere Fachrichtung zu wählen. Doch in der Praxis wünschte sie sich mehr Abwechslung und entschied sie sich schließlich für die Dermatologie. Ein Fachgebiet, das ihr ermöglicht, mit Kindern zu arbeiten und zugleich chirurgisch tätig zu sein. Doch wer glaubt, dass ihre Ambitionen hier aufhören, irrt sich. Ihre wahre Mission reicht über den Klinikalltag hinaus: Sie will medizinische Aufklärung revolutionieren und Barrieren zwischen Ärztinnen, Ärzten und Patientinnen und Patienten abbauen.
Medizin auf Augenhöhe: Der KI-Avatar als Sprachrohr
Ihre eigene Erfahrung als Patientin mit einer Migrationsgeschichte und die Herausforderungen, die sie in der Klinik erlebt hat, führten sie zu einem ambitionierten Projekt: die Entwicklung eines KI-gestützten Avatars zur Patientenaufklärung. "Zu oft habe ich erlebt, dass Patientinnen und Patienten nicht verstehen, was ihnen erklärt wird. Dass sie sich nicht trauen nachzufragen oder nicht wissen, was sie konkret tun sollen. Gerade in der Onkologie sind Menschen verunsichert, sie haben Angst. Ich wollte eine Lösung finden“, berichtet die Ärztin. Ihr Ziel ist auch, damit etwas gegen die Ungleichbehandlung im Gesundheitswesen zu tun.
Mit standardisierten, in zehn Sprachen verfügbaren Videos erklärt ihr Avatar Diagnosen und Therapieansätze auf verständliche Weise. Das Konzept ist so simpel wie wirkungsvoll: Patientinnen und Patienten können sich die Informationen in Ruhe anhören, erneut ansehen und mit ihrer Familie besprechen. Busik erklärt: "Es geht darum, Kontrolle zurückzugeben. Wer versteht, kann bessere Entscheidungen für seine Gesundheit treffen."
Bessere Konzepte zur Patientenkommunikation
Ihr Projekt befindet sich derzeit noch in der Entwicklungsphase, doch die Resonanz ist bereits vielversprechend. Patientinnen und Patienten bestätigen, dass sie in stressigen Situationen oft nicht in der Lage sind, sich alles zu merken. "Es gibt Studien, die zeigen, dass Menschen in emotional belastenden Gesprächen nur 20 bis 30 Prozent der Informationen behalten. Ein Tool, das Informationen festhält und leicht verständlich erklärt, ist daher ein echter Fortschritt."
Neben ihrer praktischen Tätigkeit setzt sie sich aktiv für eine bessere Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern ein. Sie hält Vorträge über den Einsatz digitaler Medien in der Medizin und hat mit verschiedenen Universitäten zusammengearbeitet, um Konzepte zur Verbesserung der Patientenkommunikation zu entwickeln. "Es geht nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern auch Empathie. Ein guter Arzt, eine gute Ärztin ist nicht nur jemand, der Diagnosen stellt, sondern jemand, der Patientinnen und Patienten versteht und ihnen Sicherheit gibt."
Auch die Implementierung von künstlicher Intelligenz in die Medizin ist ein Bereich, für den sie sich stark macht. Sie arbeitet eng mit Entwicklern zusammen, um sicherzustellen, dass medizinische Algorithmen den tatsächlichen Bedürfnissen von Patienten entsprechen und keine zusätzliche Hürde in der Arzt-Patienten-Kommunikation darstellen. "Es geht nicht darum, Ärztinnen und Ärzte zu ersetzen, sondern sie in ihrer Arbeit zu unterstützen und Patienten mehr Autonomie zu ermöglichen."
Miss Germany: Mehr als nur ein Titel
Dass sie eine Frau ist, die Chancen ergreift, zeigt sich nicht nur in ihrer medizinischen Laufbahn. Als sie auf LinkedIn die Ausschreibung für den Miss-Germany-Wettbewerb sah, war sie zunächst skeptisch. "Ich dachte: Ein Beauty-Contest auf LinkedIn? Aber dann las ich weiter: 'Empowering Women'. Es ging nicht um äußerliche Schönheit, sondern um Frauen mit Missionen“. Sie überlegte nicht lange und bewarb sich – und gewann.
Für sie ist Miss Germany keine Bühnen-Show, sondern ein Netzwerk. "Schon ab der ersten Runde war der Austausch mit anderen Frauen unglaublich bereichernd. Wir unterstützen uns gegenseitig, finden Kooperationspartner, entwickeln Ideen weiter“, sagt sie. Dass manche Menschen ihr Engagement nicht verstehen, war abzusehen, aber die Ärztin weiß das einzuordnen: "Ja, ich habe Kommentare bekommen wie: 'Hast du deinen Bikini schon bereit?' Aber das zeigt nur, wie wenig sich manche damit beschäftigt haben, was Miss Germany heute ist."
Die Plattform hat ihr nicht nur neue Kontakte gebracht, sondern auch die Möglichkeit, ihr Projekt in größerem Rahmen zu präsentieren. Busik berichtet: "Hier sind so viele Frauen mit beeindruckenden Ideen, aus ganz unterschiedlichen Branchen. Das inspiriert mich." Auch im Austausch mit anderen Teilnehmerinnen merkt sie, dass viele Frauen vor ähnlichen Herausforderungen stehen, insbesondere, wenn sie sich in von Männern dominierten Feldern behaupten müssen. "Es gibt immer noch so viele Vorurteile gegenüber Frauen in Führungspositionen. Aber gemeinsam können wir viel bewirken“, ist sie sich sicher. Jetzt, wo sie gewonnen hat, wird sie alles daransetzen, ihren Erfolg zu nutzen, um weiter an ihren Zielen zu arbeiten.
Blick nach vorn
Wie sie ihre Zukunft sieht? Ihre Arbeit als Ärztin ist ihr wichtig und in ihrer Freizeit wird sie wohl weiterhin an ihrer Entwicklung tüfteln. "Ich möchte eine digitale Patientenkommunikation aufbauen. Ich wünsche mir, dass in Praxen Aufklärung künftig verständlich, barrierefrei und in mehreren Sprachen erfolgt. Und ich werde weiter dafür kämpfen, dass sich das Gesundheitssystem ändert."
Neben ihrer praktischen Arbeit ist sie eine Rednerin auf Kongressen und medizinischen Veranstaltungen. Sie nutzt ihre Plattform, um für eine bessere Patientenkommunikation, moderne digitale Lösungen und eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Fachbereichen zu werben. In nächster Zukunft will sie außerdem ihre Forschung zu digitalen Gesundheitslösungen intensivieren und eng mit Start-ups sowie etablierten Unternehmen zusammenarbeiten, um die Implementierung neuer Technologien in den klinischen Alltag zu erleichtern. "Ich glaube, dass wir in den kommenden Jahren eine echte Revolution in der Patientenversorgung erleben werden. Wer sich heute nicht mit Digitalisierung und KI beschäftigt, wird morgen nicht mehr konkurrenzfähig sein“, ist Busik sicher.
Sie hat sich Herausforderungen nie entzogen. Sie hat Grenzen überwunden, beruflich und persönlich. Busik hat eine klare Vorstellung davon, was für eine Medizinerin sie sein will und setzt davon schon viel in ihrem Alltag um: Sie geht in direkten Kontakt mit ihren Patientinnen und Patienten. Wenn sie in den Austausch mit ihnen geht, nutzt sie möglichst verständliche Alltagssprache und ist nahbar. Damit repräsentiert sie auch eine neue Generation von Ärztinnen und Ärzten, die sich von dem „Götter in Weiß“-Bild emanzipiert haben.
Und während andere über die Digitalisierung der Medizin noch debattieren, hat sie längst angefangen, die Medizin von morgen zu bauen. Die kommenden Jahre werden zeigen, wohin ihr Weg führt. Sicher ist: Sie wird nicht aufhören, Barrieren zu durchbrechen und die Zukunft der Medizin mitzugestalten.