Mitarbeiterführung: Auf Augenhöhe und wertschätzend im Umgang

28 März, 2023 - 10:13
Dr. med. Matthias Weniger
Wertschätzung im Team, grafische Darstellung

Ein leistungsstarkes, gut funktionierendes Team zu bilden und zu führen, ist eine große Herausforderung. Dies gelingt, wenn Führungskräfte Mitarbeitende dabei unterstützen, sich zu entwickeln und persönlich zu wachsen.

Führung begegnet Ärztinnen und Ärzten regelmäßig in ihrem Alltag. Junge Kolleginnen und Kollegen stehen oft vor Situationen, in denen sie führen, ohne formal Führungskraft zu sein. Sie müssen Patienten führen oder auch Personal aus anderen Berufsgruppen, wie Krankenpfleger oder Mitarbeitende des Rettungsdienstes.

Sinn und Zweck von Führung

Das Onpulson-Wirtschaftslexikon definiert Führung als die Fähigkeit, eine Richtung vorzugeben, andere im Sinn des gemeinsamen Ziels zu beeinflussen, sie zu motivieren, zum Handeln zu bringen und sie für ihre Leistung in die Verantwortung zu nehmen. Nimmt man dies als Grundlage für die unterschiedlichen Führungsstile, gibt es zahlreiche Beschreibungen, wie geführt werden kann. Demokratisch, kooperativ, laissez faire, autoritär oder agil sind nur einige Schlagworte.

Um Mitarbeitende optimal im oben genannten Sinne zu führen, ist es hilfreich, die psychologischen Grundbedürfnisse der Menschen als Ansatzpunkt für Führung zu beleuchten. Edward Deci und Richard Ryan haben im Jahr 2000 drei wesentliche menschliche Bedürfnisse beschrieben. Sie sprechen davon, dass Menschen Autonomie erfahren möchten, Kompetenz erleben und in Beziehung zu anderen stehen wollen. Wenn Menschen diese Bedürfnisse erfahren, wächst ihre Zufriedenheit und damit auch die Bereitschaft, sich mit gemeinsamen Zielen zu identifizieren.

  • Bei der Autonomie geht es darum, selbst zu entscheiden, der Verantwortliche seines eigenen Handelns zu sein und dabei im Einklang mit den eigenen Werten zu stehen. Wenn Menschen Sinn und Nutzen in ihrer Tätigkeit erkennen und diese mit den eigenen Wertmaßstäben in Verbindung bringen, steigert das das Autonomiegefühl positiv.
  • „Kompetenz erleben“ bedeutet, sich selbstwirksam zu erfahren: „Ich selbst kann etwas bewegen.“ Man kann das eigene Können anwenden und verbessern. Dadurch kommen Menschen in den Flow und erfahren Zufriedenheit.
  • „In Beziehung sein“ beschreibt das Bedürfnis des Menschen, Teil einer Gruppe zu sein. Sich vertrauensvoll im Austausch mit anderen zu befinden, ist wichtig, um dieses Bedürfnis zu erfüllen. Dabei spielt auch der Spagat zwischen Selbstfürsorge und dem Bedürfnis, für andere da zu sein, eine wichtige Rolle.

Wenn es Führung gelingt, diese menschlichen Grundbedürfnisse zu erfüllen, wächst die innere Zufriedenheit. Auf diese Weise kann das Team gemeinsam Ziele zum Wohl der Patienten erreichen.

In fünf Schritten zur Delegation von Aufgaben

Das Modell des Wollens, Könnens und Dürfens schätzt die Fähigkeiten von Mitarbeitenden ein sowie deren Motivation und Möglichkeiten, sich im Arbeitskontext einzubringen. Anhand eines dreidimensionalen Koordinatensystems werden dabei die drei Komponenten von jeweils „wenig bis viel“ beurteilt. Beispielsweise kann ein junger Assistenzarzt im zweiten Weiterbildungsjahr wahrscheinlich noch recht wenig, darf dementsprechend noch nicht viel, sollte aber motiviert sein. Ziel der Führungskraft ist es, ihn fachlich weiterzuentwickeln und ihm die Fähigkeiten beizubringen, die er benötigt, um seine fachliche Expertise auszubauen.

Zentral ist die Delegation von Aufgaben. Wem im Team kann die Führungskraft welche Aufgabe delegieren? Um dies gut einzuschätzen, helfen fünf Schritte. Das wichtige Gefühl der Selbstwirksamkeit wächst mit jedem Schritt:

  • Schritt 1: „Mach’ es so, wie ich es sage!“: In definierten Arbeitsbereichen erhalten Mitarbeitende eine klare Anordnung, wie sie Dinge zu erledigen haben. Aufgrund der mangelnden Erfahrung muss die Führungskraft einen klaren Rahmen stecken, etwa einem Weiterbildungsassistenten im ersten Jahr.
  • Schritt 2: „Denke nach, ich entscheide!“: Assistenzärztinnen und -ärzte im zweiten Weiterbildungsjahr sollten sich selbst aufgrund gesammelter Erfahrungen eine Meinung gebildet haben. Die Entscheidung liegt noch vollständig in der Hand des Vorgesetzten.
  • Schritt 3: „Übe dich im Entscheiden, ich helfe dir (Coaching)!“: Mit zunehmendem Erfahrungsschatz kann und muss der zu Führende die verschiedenen Aspekte seiner möglichen Entscheidungen selbst abschätzen. Die Führungskraft hilft weiter und nimmt sich immer mehr zurück.
  • Schritt 4: „Entscheide selbst, ich habe ein Vetorecht!“: In den letzten Jahren der Weiterbildung sollten Assistenzärztinnen und -ärzte bereits zahlreiche Fähigkeiten und Fachwissen erworben haben, sodass die Führungskraft immer mehr in den Hintergrund tritt.
  • Schritt 5: „Verfolge das Ziel, finde den besten Weg!“: Auf der letzten Stufe gibt die Führungskraft nur noch die Richtung vor und unterstützt mit Feedback. Sie sieht sich nicht mehr als die beste Fachkraft, die die Dinge am liebsten selbst regelt. Sie ist sich der Stärke des Teams und der guten Delegation bewusst. Diese Grundhaltung reduziert den Belastungs- und Stresspegel der Führungskraft. Häufig steht aber die Sorge und Angst der Führungskraft der Delegation im Weg. Die Sorge, dass Dinge schiefgehen könnten, verleitet viele Menschen in Führungspositionen dazu, alles selbst übernehmen zu wollen. Doch oft reduziert sich dadurch die Bereitschaft der Mitarbeitenden mitzudenken, da diese die Erfahrung gemacht haben, dass dies nicht erwünscht und entsprechend nicht wertgeschätzt wird.

Transformationaler Führungsstil

Der transformationale Führungsstil versucht Mitarbeitende zu transformieren, sie dabei zu unterstützen, sich zu entwickeln und persönlich zu wachsen. Das Führen auf Augenhöhe und der wertschätzende Umgang spielen dabei eine wichtige Rolle. Motivation und das Fördern der Leistungsbereitschaft stehen an erster Stelle. Nachteilig ist, dass dieser Führungsstil in extremen Situationen im Krankenhaus, zum Beispiel bei einer Reanimation, zu wenig direktiv ist. In diesen Fällen muss die Führungskraft auf einen Ersatzführungsstil zurückgreifen, wie den transaktionalen Führungsstil und den Ton und die Richtung eindeutig vorgeben.

Dtsch Arztebl 2022; 120(13): [2]

Der Autor:

Dr. med. Matthias Weniger
Ärztlicher Leiter
Institut für Stressmedizin Rhein Ruhr
45525 Hattingen

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