Mitarbeiterführung: Welche Kompetenzen ärztliche Führungskräfte auszeichnen

2 September, 2022 - 08:57
Frank Erwig
Grafik Team Krankenhaus

Ärztinnen und Ärzte handeln in der Patientenversorgung immer auf Basis des aktuellen medizinischen Fachwissens und der erforderlichen methodischen Kompetenzen. In der Rolle als Führungskraft sind weitere Eigenschaften gefragt.

Wie ist die Klinik organisatorisch und personell aufgestellt? Welche Prozesse sind valide und welche bergen bei unvorhergesehenen Vorkommnissen die Gefahr, die Patientenversorgung zu beeinträchtigen? Welche Notfallpläne existieren? Und welche Ärzte stehen zur Verfügung, um diese Aufgaben zu bewältigen? Wesentliche Aufgabe ärztlicher Führungskräfte ist es, diese Situationen schnellstmöglich zu erfassen und zu bewerten.

Eigene Möglichkeiten erkennen und nutzen

Es gilt, die eigenen Einflussnahmemöglichkeiten zu erkennen und zu nutzen, um den Klinikbetrieb aufrechtzuerhalten. Wesentliche Eigenschaften, die ärztliche Führungskräfte insbesondere in volatilen Zeiten auszeichnen, sind: vorausschauend, Orientierung gebend, verlässlich agierend, Ärzte fordernd, Fehler als Ausgangspunkt für Verbesserungen begreifend, bei Bedarf unterstützend und die Weiterentwicklung konsequent fördernd.

Um zum Erfolg des Krankenhauses beizutragen, sind erforderliche Schritte und Maßnahmen zu konkretisieren. Sie münden idealerweise in klinikinterne Ziele, die die ärztlichen Führungskräfte mit den Ärztinnen und Ärzten individuell vereinbaren. Je nach erforderlicher und vereinbarter Terminierung sind diese Ziele kurz-, mittel- und langfristig auszurichten und qualitativ und quantitativ abzusichern und zu kontrollieren, indem man Meilensteine vereinbart. Wann soll welcher Umsetzungsstand erreicht sein? Sind wir auf dem richtigen Weg? Muss das Ziel angepasst werden oder gibt es Unterstützungsbedarfe? Wesentliches Element des Controllings ist es, auf Basis dieser Erkenntnisse den weiteren Prozess zu steuern. Und genau dafür bieten sich konkret terminierte Meilensteingespräche an.

Fordernd und fördernd führen

Unabdingbar ist, dass ärztliche Führungskräfte eine eigene Einschätzung oder einen Überblick darüber haben, wie es um die ärztliche Kompetenz in der von ihnen geleiteten Klinik bestellt ist.

  • Wo stehen die Assistenzärzte aktuell im Rahmen ihrer Weiterbildung zum Facharzt?
  • Welche Kompetenzen der Weiterbildungsordnung sind in welchem Umfang erreicht? Was müssen und sollten die nächsten Schritte sein?
  • Welche Fachärztinnen kommen künftig infrage, eine Tätigkeit als Oberärztin wahrzunehmen?
  • Wer will sich weiterentwickeln?
  • Wer kann welche Aufgaben verantwortlich übernehmen, aus dem Blickwinkel der Kompetenz und aus Sicht der Verantwortungsund Entscheidungsbereitschaft?

Auf Basis des jeweiligen Status quo der Ärztinnen und Ärzte sollten die ärztlichen Führungskräfte individuell regelmäßig Ziele mit diesen vereinbaren, die als herausfordernd empfunden werden dürfen und sollen. Ziele müssen spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein (SMART). Sie bilden eine konkrete Aufgabe im ärztlichen Arbeitsalltag ab, das Erreichen des Ziels wird durch konkrete Kennzahlen oder Indikatoren messbar und zeitlich festgelegt. Das Erkennen der potenziellen Attraktivität des Ziels aus Sicht des ärztlichen Mitarbeitenden setzt voraus, dass sich die ärztliche Führungskraft bei der Planung in die Sichtweisen und Einstellungen des ärztlichen Mitarbeitenden hineinzuversetzen vermag.

Eine erfolgende empathische Gesprächsführung ist bezogen auf das Verhältnis der ärztlichen Führungskraft zum Arzt und zur Ärztin Basis dafür, dass Potenziale zur individuellen Weiterentwicklung erkannt und genutzt, Weiterbildungen, Projektarbeit und Hospitationen ermöglicht werden sowie das Erleben von Selbstwirksamkeit und damit die Zufriedenheit der Mitarbeitenden gefördert wird. Idealerweise tragen diese Gespräche dazu bei, dass sich positive Auswirkungen für die Prozesse und die Strukturen in der Klinik ergeben, die es für die Patientenversorgung und das Miteinander in den Prozessen zu nutzen gilt.

Arbeiten in agilen Formaten

Das Fördern der Weiterentwicklung durch eine konsequent unterstützende Haltung der ärztlichen Führungskräfte ist eine notwendige und gewinnbringende Investition in die Arbeitsfähigkeit des ärztlichen Personals. Das Zulassen neuer Wege wie das Arbeiten in agilen Formaten mag auf den ersten Blick als unvereinbar erscheinen im Hinblick auf die Patientenversorgung im Klinikalltag. Andererseits sind heute bereits vielfältige Gesprächsformen im Alltag eines Krankenhauses etabliert, die Methoden des agilen Arbeitens umfassen. Die Patientenversorgung wird durchgehend sichergestellt, bestenfalls ergeben sich aus den agilen Formen Ideen und Ansätze, einerseits die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern und andererseits den ärztlichen Arbeitsalltag.

Eine ärztliche Führungskraft, die sich offen gegenüber Ideen aus dem Kreis ihrer Mitarbeitenden erweist, eröffnet die Chance für kontinuierliche Prozessverbesserungen im Klinikalltag. Vertrauen in die Gestaltungskompetenz des nachgeordneten ärztlichen Personals steigert dessen wahrgenommene Selbstwirksamkeit und leistet einen erheblichen Beitrag zur Widerstandsfähigkeit auch in Zeiten von Krisen.

Empathischer Führungsstil

Zu einem empathischen Führungsstil zählt auch die Fähigkeit zu erkennen, wann Belastungspausen notwendig sind und die ärztlichen Führungskräfte damit Raum geben müssen für die Gesunderhaltung. Es bedarf eines frühzeitigen Erkennens des Erreichens von Belastungsgrenzen im Einzelfall, um nicht dauerhaft ungewollt einen Personalausfall zu unterstützen.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat sich längst umgekehrt in Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Kliniken sollten die in den letzten Jahren erkennbar veränderte Prioritätensetzung, insbesondere in Zeiten des Mangels an ärztlichem Personal, bei der Personalarbeit, aber auch durch die Art der Führung berücksichtigen.

Dtsch Arztebl 2022; 119(35-36): [2]

Der Autor

Frank Erwig
Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See
Personalkoordinator
44799 Bochum
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)

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