
Angesichts der drei die Arbeitswelt beeinflussenden Megatrends demografischer Wandel, Digitalisierung und Wertewandel sowie des daraus resultierenden Wettbewerbs um Beschäftigte gilt es, neue Wege in der Personalpolitik zu beschreiten. Ein Ansatz ist das New-Work-Konzept.
Einer der Kernfaktoren des New-Work-Konzeptes ist die Arbeit, die Menschen wirklich verrichten wollen. New Work stellt die einzelnen Beschäftigten mit ihren individuellen Bedürfnissen in den Mittelpunkt und fokussiert auf Sinnstiftung, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Es umfasst zudem die Offenheit für eine effiziente und wertschätzende Organisation der Zusammenarbeit im Sinne von mehr Vernetzung, Vertrauen, Flexibilität und Freiraum hinsichtlich Zeit und Ort.
Hohe Sinnstiftung, hoher Bedürfnisbeitrag
Gesundheitseinrichtungen bieten gleichermaßen positive wie herausfordernde Bedürfnisbeiträge. Auf der einen Seite stehen Sinn und Zweck der Einrichtungen klar im gesellschaftlichen Kontext und strahlen positiv auf die dort Beschäftigten aus. Die medizinisch-pflegerischen Dienstleistungen für Patientinnen und Patienten bieten eine hohe Sinnstiftung und damit einen hohen individuellen Bedürfnisbeitrag. Auf der anderen Seite stehen die Anforderungen von Gesundheitseinrichtungen zumindest teilweise im Widerspruch zu den Bedürfnissen der Beschäftigten. So müssen Krankenhäuser ein breites Leistungsangebot meist rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr über entsprechende Arbeitssysteme gewährleisten. Es gilt, diese Rahmenbedingungen zu beachten und zu prüfen, inwieweit diese veränderbar sind und teils neu ausgerichtet werden können. Nur so ist es möglich, die Potenziale von New Work voll zu erschließen.
Die Coronapandemie hat in Kliniken in vielen Bereichen als Katalysator fungiert. In kürzester Zeit wurden in der Verwaltung Prozesse digitalisiert und Homeoffice-Regelungen eingeführt. In medizinischen Kernbereichen wurde Homeoffice für Arbeitsanteile wie Dienstplanung oder digitale Befundungen ermöglicht. Arbeitsorganisationen und Zuständigkeiten wurden kurzfristig, flexibel und pragmatisch an den neuen Herausforderungen ausgerichtet. Die Häuser konnten so administrative Dienstleistungen unter Beachtung der Arbeitsschutzanforderungen aufrechterhalten, auch trotz Quarantäne oder Sicherstellen von Kinderbetreuung. Remote Work führt zudem zu geringeren Fahrzeiten und -kosten und bietet gleichzeitig das Potenzial, die Vereinbarkeit von Arbeit-Familie-Freizeit zu verbessern. Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere zum Daten-, Arbeits- und Gesundheitsschutz und der Investition in IT-Infrastruktur, gilt es im Weiteren, die Führung und Zusammenarbeit für hybrides Arbeiten weiterzuentwickeln.
Kreatives und konzentriertes Arbeiten
Potenzial zur Flexibilisierung gibt es hinsichtlich der Ausgestaltung betrieblicher Arbeitsplätze, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeitregelungen. Arbeitsplätze und Arbeitsorganisationen sollten nach dem New-Work-Konzept ausreichend Freiraum für kreatives und konzentriertes Arbeiten bieten sowie eine bereichs- und berufsgruppenübergreifende Kommunikation unterstützen. Nicht nur für die Verwaltung bedeutet dies beispielsweise, personenbezogene Einzelbüros mit fest zugewiesenen Schreibtischen aufzulösen. So werden Shared-Desk-Konzepte, hierarchie- und fachübergreifende Meeting- und Teamräume schrittweise eingeführt. Auch in den klinischen Bereichen führen offene Raumkonzepte neben klinischen Funktionsbereichen zu neuen Möglichkeiten, Arbeit zu gestalten.
Besonders in Kliniken ist die Arbeitszeitgestaltung ein wichtiges Thema. Anforderungen sind Flexibilität und Planbarkeit der Arbeit. Flexible Regelungen ermöglichen es, individuelle Arbeitszeitanforderungen für die Personaleinsatzplanung anzumelden und diese auch kurzfristig ändern zu können. Planbarkeit bedeutet, Dienstpläne sind verbindlich und Führungskräfte ändern diese nur nach Absprache. Idealerweise delegieren Führungskräfte den Prozess der Dienstplanung an das Team, das diese selbstbestimmt organisiert. Innovative digitale Dienstplansysteme bieten dazu Potenzial. Auch können Kliniken für administrative Bereiche Vertrauensarbeitszeitkonzepte einführen, wenn sie rahmengebende Regelungen wie Servicezeiten etablieren und arbeitszeitrechtliche Regelungen einhalten.
Situative und partizipative Führung
Bedeutend ist die Führungs- und Kommunikationskultur. Ein situatives und partizipatives Führungsverständnis stärkt die Kollaboration und richtet die Klinik auf eine Wertschätzung der Einzelnen aus. Damit Wertschätzung keine Worthülse bleibt, muss sie sich im Handeln und in der Zusammenarbeit zeigen:
- Echtes Interesse bekunden: Führung muss sich mit den Einzelnen und ihren Tätigkeiten auseinandersetzen. Es geht darum zuzuhören, nachzufragen und die Beschäftigten mit in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.
- Zeit nehmen: Führung bedeutet auch, sich Zeit für die Beschäftigten zu nehmen. Das Telefon und Unterbrechungen sind in diesen definierten Zeiten tabu.
- Ziele setzen und Feedback geben: Echte Führung setzt gemeinsam entwickelte Ziele und gibt Feedback. Sie differenziert nach Leistungen im jeweiligen Kontext. Kritik darf nie auf den Beschäftigten als Menschen gerichtet sein, sondern ist am konkreten Verhalten und an Leistungen festzumachen. Damit bleibt Grundvertrauen bestehen.
- Vertrauen schenken: Vertrauen ist die Basis jeder Zusammenarbeit. Eine positive Fehlerkultur bildet die Grundlage.
- Als Vorbild handeln: Nur eine gelebte Führung ist authentisch und wird als echt wahrgenommen.
Höhere Mitarbeiterzufriedenheit
All diese Maßnahmen steigern die Mitarbeiterzufriedenheit und Arbeitgeberattraktivität. Sie gehen über rein monetäre Anreizkonzepte hinaus und setzen auf jene Rahmenbedingungen der Arbeit, die Ärztinnen und Ärzten wirklich wichtig sind. Kliniken können so eine Arbeit anbieten, die Ärztinnen und Ärzte als bedeutungsvoll wahrnehmen. Kliniken sollten das New-Work-Konzept gemeinsam mit Führungskräften und Beschäftigten entwickeln und umsetzen. Um Friktionen zu vermeiden, gilt es, eine zielgerichtete Transformation sicherzustellen.
Dtsch Arztebl 2023; 120(21-22): [2]
Der Autor
Dr. rer. pol. Thomas Hurlebaus
Dezernatsleitung Personal
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
23538 Lübeck
Mitglied im Initiativkreis neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)