Ein Krankenhaus ist ein Ort, an dem viele Menschen unterschiedlicher Herkunft, Alters, religiöser Überzeugung oder kultureller Hintergründe zusammenkommen. Eine immer größer werdende Zahl von Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten, aber auch Patientinnen und Patienten kommt aus dem Ausland. Bei einigen Krankenhäusern scheint diese Entwicklung jedoch noch nicht angekommen zu sein. Ihre Mitarbeitenden sind nicht ausreichend vorbereitet auf Kolleginnen und Kollegen sowie Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen Hintergründen. Andere Kliniken sind schon weiter, so zum Beispiel die Oberschwabenklinik (OSK).
Als einer der größten Arbeitgeber der Region möchte man in der OSK Verantwortung übernehmen. Das kommunal getragene Unternehmen hat die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet. Damit bekennt sich die Klinik dazu, ein Bewusstsein für gesellschaftliche Vielfalt und ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld für die knapp 3.000 Beschäftigten und die Patientinnen und Patienten zu schaffen. Inzwischen haben mehr als 4.700 Unternehmen und Institutionen die „Charta der Vielfalt“ bereits unterzeichnet, eine Initiative zur Förderung von Toleranz, Fairness und Wertschätzung in der Arbeitswelt. Der Verein, der unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzler Olaf Scholz steht, repräsentiert damit fast 15 Millionen Arbeitnehmende in Deutschland.
Interview mit Winfried Leiprecht, Marketing und Unternehmenskommunikation, Oberschwabenklinik gGmbH
Herr Leiprecht, Sie haben die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet. Warum?
Winfried Leiprecht: 4.700 Unterzeichner haben sich schon zu der Charta bekannt. Die Oberschwabenklinik will sich in diese große Bewegung einreihen und im Sinne der Charta in die Gesellschaft wirken.
Warum ist Diversität ein wichtiges Thema für ein Krankenhaus?
Winfried Leiprecht: An kaum einem anderen Ort kommen Menschen mit so unterschiedlichen persönlichen Hintergründen im Berufsleben zusammen. Gemeinsam verkörpern sie ein ungeheures Potenzial, das es für eine gute Patientenversorgung zu heben und zu nutzen gilt. Chancengleichheit und Gerechtigkeit sind dafür wesentliche Voraussetzungen. Diese sind nur in einem Arbeitsumfeld gegeben, in dem Vorurteile keine Rolle spielen.
Sie sagen, Diversität birgt Potenziale. Wie können Kliniken genau davon profitieren?
Winfried Leiprecht: Kliniken sind große Arbeitgeber. Die Oberschwabenklinik beschäftigt rund 3.000 Menschen. Es geht nach innen um eine Atmosphäre, in der sich Beschäftigte persönlich wohl und geschätzt fühlen. Es geht nach außen – vor dem Hintergrund des herrschenden Fachkräftemangels – auch um die Attraktivität als ein Arbeitgeber, zu dem die Menschen gerne und bedenkenlos kommen.
Das sind die Vorteile der Diversität, aber es gibt auch Herausforderungen. Wo sehen Sie diese für Ihr Krankenhaus?
Winfried Leiprecht: Personalauswahl und Personalentwicklung müssen den Geboten der Chancengleichheit, der Gerechtigkeit und der Vorurteilsfreiheit entsprechen. Das ist der Anspruch an Prozesse im Unternehmen. Der andere Anspruch betrifft das Zusammenleben. Diskriminierung geschieht vielfach im Kleinen, im Stillen. Mit Vorgängen auf der großen Bühne kann man sich gesellschaftlich auseinandersetzen. Alltagsdiskriminierung dagegen bleibt oft unbemerkt und geschieht sehr oft sogar unbewusst. Hier gilt es, im betrieblichen Alltag ständig zu sensibilisieren.
Was können Krankenhäuser tun, um Diversität zu fördern?
Winfried Leiprecht: Statistisch messbar ist Diversität nur bedingt. In der Oberschwabenklinik arbeiten rund 100 Beschäftigte mit einer Schwerbehinderung. Etwa 200 Beschäftigte aus über einem Dutzend Herkunftsländer haben einen ausländischen Pass. Viele hundert weitere Beschäftigte dürften aus Familien mit Migrationshintergrund kommen. Das sind erkennbare Gruppen, für die sich durch Beratungsangebote Hürden beiseite räumen lassen. Anlaufstellen oder Beauftragte für Gleichstellung oder für Fälle von Diskriminierung oder sexueller Belästigung zeigen über die Hilfe in Einzelfällen hinaus, dass sich ein Unternehmen aktiv um diese Themen kümmert. Eine Unterschrift unter einer Charta alleine reicht nicht. Diversität muss verinnerlicht sein. Ein förderliches Klima im betrieblichen Alltag ist Grundlage für alles.
Das ist eine große Aufgabe für die Kliniken. Schauen wir mal auf das größere Bild – was muss generell im Gesundheitswesen in Sachen Vielfalt passieren, damit es für alle besser wird?
Winfried Leiprecht: Dass etwas für alle besser wird, ist ein immenser Anspruch. Formulieren wir es etwas bescheidener. Es darf keine Ausgrenzungen mehr geben, nicht versteckt und schon gar nicht offen.