Organisationsentwicklung: Das Team macht den Unterschied

3 September, 2021 - 07:08
Christiane Reuter-Herkner
Teambuilding in der Medizin, Schematische Darstellung

Das Arbeitsumfeld der Krankenhäuser wandelt sich ständig und wird immer komplexer. Für Mitarbeitende entstehen dadurch neue inhaltliche und teambezogene Anforderungen und Herausforderungen. Diese gilt es, mit neuen Formen der Zusammenarbeit zu bewältigen.

Teamentwicklung wird in Organisationen immer wichtiger, während sich die Führungskräfteentwicklung verändert. Aus Entscheidern werden Befähigende und aus Chefs werden Coaches, die es verstehen, unterschiedliche Persönlichkeiten innerhalb eines Teams zu eigenverantwortlichem Handeln zu entwickeln. Die Kompetenz, Teamleistung zu initialisieren und zu steuern, ist für Organisationen ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Synergetische Teamarbeit schafft Mehrwert

Hierarchische Top-down-Entscheidungen sind suboptimal, wenn es einer hohen Reaktionsfähigkeit und Koordination bedarf. Dann sind eine ausgeprägte Selbstorganisationskompetenz und starke Kooperationsfähigkeit im eigenen Team gefragt und auch zwischen den Teams, die mit der Versorgung betraut sind. Beide Themen sind inzwischen in den Fokus der Organisationsentwicklung gerückt. Teams zu entwickeln und zu fördern und dabei die Eigenverantwortung der einzelnen Mitglieder zu steigern, ist eine erfolgskritische Aufgabe.

29.03.2024, klinik Werk.
29.03.2024, Clienia Littenheid AG
Sirnach

Wesen und Bedeutung von Teamarbeit haben sich über die Jahre hinweg verändert. Während das funktionale Zusammenspiel der einzelnen Akteure immer wichtiger wird, verliert die Einzelleistung an Stellenwert. Teamarbeit war vormals additive, nebeneinander verrichtete Einzelarbeit. Die gesamte medizinische Leistung definierte sich als Summe dieser Einzelleistungen. Medizinischer Erfolg wurde eher einzelnen Menschen zugeschrieben denn dem Team. Das Paradigma der additiven Einzelarbeit weicht mittlerweile einer synergetischen Teamarbeit, in der die Zusammenarbeit vieler einen Mehrwert für Patienten, Abteilungen und für die Organisation generiert.

Respektvoller Umgang, sinnstiftende Aufgaben

Doch was genau macht ein Team aus und was benötigt es, um effektiv und zielorientiert arbeiten zu können? Allem voran steht die Art und Weise, also die Frage, wie das Team zusammenarbeitet: Die Teamkultur zeichnet sich durch respektvollen Umgang miteinander und selbstwirksamer, sinnstiftender Aufgabenverteilung aus, sodass sich jedes Mitglied gebraucht fühlt und seinen Beitrag zum Teamerfolg leisten kann. Als Ergebnis der von Google 2012 initiierten Studie „Project Aristotle“ identifizierte ein interprofessionelles Forscherteam fünf erfolgskritische Teamfaktoren:

  • Psychologische Sicherheit beschreibt, wie sich Teammitglieder aufgehoben fühlen. Vertrauen Sie einander so, dass sie sich öffnen? Glauben sie, als Mensch ernst genommen zu werden?
  • Zuverlässigkeit als Verpflichtung aller Mitglieder dem Team gegenüber, gewissenhaft zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen.
  • Struktur und Übersichtlichkeit schaffen Transparenz und Klarheit über Erwartungen und wie diese erfüllt werden können. Teammitglieder wissen, an welchen Zielen das Team arbeitet.
  • Teammitglieder erkennen den Sinn ihrer Arbeit und können sich deshalb mit ihr identifizieren. Dabei kann sich der Sinn individuell stark unterscheiden. Vieles deutet darauf hin, dass er als tragfähiger und stärker empfunden wird, wenn die Arbeit mit einem gesamtgesellschaftlichen Bezug und Nutzen verbunden ist.
  • Einfluss oder Effekt schafft Klarheit, welchen Beitrag ein Teammitglied mit seiner Arbeit leisten kann, was sein Beitrag zum Ganzen ist und welchen Beitrag sein Team dafür leistet.

Die große Herausforderung für Organisationen und deren Führungskräfte besteht darin, jene fachlichen und zwischenmenschlichen Kompetenzen so aufzubauen und zu fördern, dass sie diese Erfolgsfaktoren positiv beeinflussen und festigen können.

Veränderungen: mitarbeiternah auf Augenhöhe

Wird einer der Erfolgsfaktoren als defizitär eingeordnet, bedarf es einer Intervention. Neben der Einsicht braucht es immer auch einen Initiator dieses Prozesses. Denn für gewohnheitsbestrebte Menschen bedeuten Änderungen und Optimierungen in Teams unliebsame Energieaufwände, da sie aus Routinen ausbrechen müssen, um sich neuen Situationen anzupassen.

Oft werden Veränderungsprogramme top-down initiiert. Unternehmen versuchen, einheitliche Ansätze und Modelle über alle Abteilungen und Hierarchieebenen hinweg auszurollen. Genauso regelmäßig ist zu beobachten, dass diese nicht in Schwung kommen oder im Sande verlaufen, weil sie ohne Akzeptanz vor Ort keine Veränderungsdynamik entfachen. Die Basis nimmt sie als praxis- und kontextfremd, als übergestülpt wahr. Um solchen als aufgezwungen empfundenen Maßnahmen entgegenzuwirken, ist es notwendig, die Betroffenen frühzeitig zu beteiligen. Es ist ungleich wirksamer, Veränderungen stärker auf Teamebene zu adressieren und mitarbeiternah auf Augenhöhe zu planen und auszurichten. Denn die Voraussetzung für nachhaltige Effekte sind immer Vertrauen, Orientierung und Kooperation. Wenn es beispielsweise um die Anforderung an IT-Systeme geht, ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe über alle Berufsgruppen hinweg denkbar. Nachgewiesenermaßen steigt die Motivation, diese zu nutzen und korrekt zu bedienen, signifikant, wenn Vorschläge der künftigen Nutzer dieser IT-Systeme so weit wie möglich berücksichtigt werden. Umgekehrt sinken Akzeptanz und Nutzung, wenn Vorschläge der Nutzer übergangen werden oder nicht erklärt wurde, warum sie nicht umgesetzt werden konnten.

Dialog, Reflexion und Handlung

Sind diese Voraussetzungen geschaffen, gilt es, den Veränderungswillen der Mitarbeitenden zu nutzen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Führungskräfte sollten ihre Teams angstfrei und mit einer gewissen Leichtigkeit zu einem Prozess einladen, in dem nicht immer die Meinungsführer das Sagen haben und die restlichen Teilnehmer zu passiven Mitläufern werden. Damit das Tagesgeschäft nicht allzu sehr leidet, sollte der Prozess mit geringem Zeitaufwand zu durchlaufen sein. Dabei sind die Ziele von Veränderungsprozessen immer im Dreiklang aus Dialog, Reflexion und Handlung mit den Beteiligten zu kommunizieren. Es geht darum, in den offenen Austausch zu kommen, selbstkritisch unterschiedliche Perspektiven einzunehmen, zu analysieren und zu bewerten, um im Anschluss aktiv werden zu können.

Dtsch Arztebl 2021; 118(35-36): [2]

Die Autorin:

Christiane Reuter-Herkner
Geschäftsführerin indialogia GmbH
10407 Berlin
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)

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