Ärztliche Führungskräfte kennen das: Nach einem Auswahlprozess freuen sie sich auf den neuen Kollegen, doch dieser sagt kurzfristig ab. Spätestens jetzt fragen sie sich, was bloß falsch gelaufen ist.
Jeder vierte neue Mitarbeitende verlässt das Unternehmen Umfragen von Personalverantwortlichen zufolge noch während der Probezeit. Diese frühe Fluktuation kann mit einem strukturierten, auf die individuelle Situation des neuen Mitarbeitenden angepassten Onboarding reduziert werden und hat einen hohen Nutzen. Zudem hängt von einem gelungenen Start ab, wie engagiert und motiviert sich neue Mitarbeitende einbringen und damit ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.
Prozesse und Strukturen definieren
Kontaktmaßnahmen beginnen nicht erst am ersten Arbeitstag. Gerade das sogenannte Preboarding ist wichtig für die erfolgreiche Integration. Auch wenn die Personalabteilung eine wichtige Schnittstellen- und Koordinationsfunktion innehat, kümmert sie sich in der Regel allein um administrative Dinge und koordiniert den Prozess. Führungskräfte hingegen verantworten vor allem die fachliche Einarbeitung, Kollegen oder Paten die soziale und organisatorische Integration. Für eine erfolgreiche Integration müssen alle Maßnahmen ineinandergreifen und sorgfältig koordiniert und überwacht werden. Hier helfen definierte Prozesse und Strukturen.
Hat der Bewerbende den Vertrag unterzeichnet, machen sich nicht selten erste Zweifel breit: Habe ich mich wirklich für die richtige Einrichtung entschieden? Sind meine zukünftigen Kollegen nett? Gibt es vielleicht doch noch ein besseres Angebot? Was bedeutet der Wechsel für mein Privatleben?
Checkliste und Einarbeitungsplan
Werden Neueingestellte in dieser Phase sich selbst überlassen, kann es passieren, dass sie ihre Entscheidung überdenken und vom Vertrag zurücktreten. Ein professionelles Onboarding setzt bereits bei der Einstellungsentscheidung an. Die beteiligten Führungskräfte sollten vermitteln, dass sie sich als Vorgesetzte oder Kollegen auf den neuen Mitarbeitenden freuen. Sie sollten jede noch so kleine Möglichkeit wahrnehmen, mit dem neuen Mitarbeitenden möglichst eng Kontakt zu halten, zum Beispiel mit einem Begrüßungsschreiben, einer Einladung zu einer Fortbildung oder einer Abteilungsfeier über soziale Netzwerke.
Die rechtzeitige Information des Teams über den Start des neuen Kollegen ist die erste Vorbereitung. Idealerweise nehmen zwei Kollegen bereits am Bewerbungsverfahren teil und bleiben als fachlicher Pate und als Integrationspate feste Ansprechpartner, bis das Onboarding beendet ist. Der ideale Integrationspate sollte selbst erst vor Kurzem angefangen haben und sich noch gut an seinen ersten Arbeitstag und die Fragen, die er hatte, erinnern. Er hilft entscheidend bei der sozialen Integration.
Neue Mitarbeitende bringen bekanntlich frischen Wind und neue Ideen in die Klinik. An den Führungskräften liegt es, die Neuen dazu zu ermutigen, diese Anfangskreativität optimal für die Klinik zu nutzen. Wichtig ist auch, dass Vorgesetzte den Verantwortungsbereich und den Handlungsspielraum frühzeitig mit neuen Mitarbeitenden und im Team besprechen. Klare Zuständigkeiten vermeiden Konflikte. Ein im Vorfeld ausgearbeiteter individueller Einarbeitungsplan ist unerlässlich.
Paten als Bezugspersonen und Ratgeber
Viele sehen dem ersten Arbeitstag mit gemischten Gefühlen entgegen. Mitarbeitende erinnern sich oft noch nach Jahren daran. Daher sollten alle internen Prozesse abgeschlossen sein, sodass neue Kollegen direkt sinnvoll und produktiv tätig werden können. Und ganz wichtig: Sie sollten begeistert von der Begrüßung der Führungskräfte und der Teamkollegen erzählen können.
Umfragen zufolge denken bereits 15 Prozent der neuen Mitarbeitenden am ersten Tag an Kündigung. Eine wirkungsvolle Maßnahme, dem entgegenzuwirken, ist, einen Integrationspaten als Bezugsperson und Ratgeber zu ernennen. Als Kollege kann er den Neuen mit der Klinik und den Eigenheiten von Personen, Ritualen im Arbeitsalltag oder Verpflegungsangeboten und Pausenregelungen vertraut machen. In der Einarbeitungszeit kann ein fachlicher Pate unterstützen. Besonders eignen sich angesehene und gut vernetzte Kollegen. Während der Patenschaft ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Chemie zwischen Pate und neuem Mitarbeitenden stimmt. Die Paten sollten den Einarbeitungsplan aktiv gestalten und Teile eigenverantwortlich übernehmen. Die Vorteile eines Patensystems liegen auf der Hand: Neue Mitarbeitende haben nicht das Gefühl mit Fragen zu stören und wissen, an wen sie sich jederzeit wenden können.
Offene Feedback- und Kommunikationskultur
Dies entbindet Vorgesetzte aber nicht davon, den Einarbeitungsprozess zu steuern, zu begleiten und Entscheidungen zu treffen. Je früher neue Mitarbeitende tätig werden, desto besser. Die verantwortliche Führungskraft sollte besprechen, welche Tätigkeiten neue Kollegen ohne große Einarbeitung bereits am ersten oder zweiten Arbeitstag leisten können. In der ersten Arbeitswoche sollte es ein tägliches Feedback-Gespräch geben, in dem der vergangene Tag reflektiert, Meilensteine für den nächsten Tag festgelegt und die gegenseitigen Erwartungshaltungen thematisiert werden. Selten sind Mitarbeitende so sehr auf Feedback angewiesen wie in den ersten Wochen und Monaten. Für eine gute Kommunikation in der Einarbeitungsphase ist eine offene Feedback-Kultur wichtig. Führungskräfte sollten ihren neuen Mitarbeitenden durch professionelles, regelmäßiges Feedback begleiten.
Aufgabe der Führungskraft ist es auch, in Gesprächen und Beobachtungen herauszufinden, welche Gründe es für Anpassungsschwierigkeiten gibt. Sie sollte daher eine offene Kommunikationskultur pflegen und Konflikte im Team offen ansprechen, gegebenenfalls Einzelgespräche anbieten, Nachfragen zulassen sowie ein offenes Ohr für alle Beteiligten haben.
Spätestens sechs Wochen vor Ende der Probezeit sollte die Führungskraft mit den Paten und der Personalabteilung besprechen, wie der neue Mitarbeitende in die Klinik und ins Team passt. Die Entscheidung sollten Vorgesetzte nur dann zugunsten des Mitarbeitenden fällen, wenn sie von der fachlichen und sozialen Kompetenz sowie der Teamintegration überzeugt sind oder Entwicklungspotenzial sehen. Das Gespräch sollte unabhängig von der Entscheidung stets konstruktiv verlaufen.
Dtsch Arztebl 2021; 118(8): [2]
Die Autorin:
Christiane Reuter-Herkner
Geschäftsführerin
indialogia GmbH
10407 Berlin