Personalmanagement: Wege zu mehr Arbeitssouveränität

15 März, 2022 - 07:54
Christiane Reuter-Herkner
Teamarbeit schematische Darstellung

Die Arbeitswelt ist im Wandel, die Mitarbeitenden rücken in den Mittelpunkt. Nicht nur die Jüngeren wünschen sich mehr Selbstverantwortung. In Ansätzen praktizieren inzwischen auch Kliniken das Abflachen von Hierarchien, mehr Beteiligung sowie Modelle interdisziplinärer und -professioneller Zusammenarbeit.

Arbeitssouveränität als Chance, möglichst selbstbestimmt über Arbeitszeit, -ort, -organisation und -inhalte entscheiden zu können, zeigt sich traditionell in den Leitungsebenen am ausgeprägtesten. Unter den Ärztinnen und Ärzten betrifft das die Chef- und Oberarztebenen. Viele Untersuchungen in den letzten Jahren belegen, dass das Delegieren von Entscheidungen und damit das Übertragen von Verantwortung die Arbeitszufriedenheit und die Produktivität erhöht sowie die Fluktuation und Ausfallzeiten reduziert.

Selbstbestimmt über Arbeitszeit zu entscheiden, ist ein wichtiger Aspekt von Arbeitssouveränität. Im Gesundheitswesen gibt es dafür nach wie vor großes Potenzial. Fokussieren Arbeitgeber meist auf Maßnahmen zur Förderung der Arbeitszeitflexibilität, um kurzfristige Personalausfälle decken und auf Belegungs- und Leistungsschwankungen reagieren zu können, geht es den Mitarbeitenden vor allem darum, möglichst selbstbestimmt über die eigene Arbeitszeit zu entscheiden und ihr Arbeits- und Privatleben planbar und flexibel vereinbaren zu können.

Intelligente Dienstplanungssysteme

Um Arbeitgeber- und Arbeitnehmerziele bestenfalls einvernehmlich zu gestalten, ist der Einsatz eines leistungsfähigen Workforce-Managementsystems (Personaleinsatzplanungssystem) mit integrierten Selfservices unabdingbar. Doch oft sind immer noch manuelle Arbeitszeiterfassungen in Papierform oder Excel-Listen im Einsatz. Mithilfe intelligenter Dienstplanungssysteme können Instrumente umgesetzt werden, die das Arbeitgeberziel der Flexibilisierung der Arbeit um die Perspektive der Mitarbeitenden erweitern und mit dem Ziel der Dienstplansicherheit vereinen. So können die Systeme verschiedene Formen von Arbeitszeitkonten, individuelle Arbeitszeitmodelle, flexible Dienstschienen oder auch Wunschdienstpläne abbilden.

Trotz der hohen Bedeutung für die eigene Arbeit weckt die Auseinandersetzung mit diesen Themen nur selten das Interesse der Ärztinnen und Ärzte selbst. Sie sind zwar meist eingebunden, doch haben sie sich oft mit diesem speziellen Thema nicht ausreichend befasst, sodass relevante Entscheidungen wie die Auswahl von IT-Lösungen bei den Experten aus dem Personalwesen oder der IT-Abteilung verbleiben und damit nicht auf Augenhöhe getroffen werden. Werden Arbeitsbedingungen neugestaltet, ist es wichtig, die die Betroffenen und ihre Vorstellungen und Ideen aktiv einzubinden, um einen Gewinn für alle zu erreichen.

Passgenaues System mit transparenten Regeln

Um die Bedürfnisse der Ärztinnen und Ärzte in praktikable Lösungen übersetzen zu können, hat sich die Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten im Arbeitszeitmanagement bewährt. Ein hoher Grad an Selbstbestimmung bei der Personaleinsatzplanung erfordert für das Team eine vollständige Transparenz über An- und Abwesenheiten der Kolleginnen und Kollegen sowie die Möglichkeit eines ständigen Zugriffs auf die eigenen Zeit- und Urlaubskontenstände und geplanten Dienste.

Um ein Workforce-Managementsystem weitreichend nutzen zu können, ist es nötig, transparente Regeln bei der Systemeinrichtung zu hinterlegen. Je intensiver die Betroffenen beteiligt sind, desto passgenauer kann das System auf die Mitarbeiterwünsche zugeschnitten und der Flexibilisierungsgrad bezüglich des selbstorganisierten Arbeitens gesteigert werden.

Organisatorisches ist oft arbeitsortflexibel

Eine weitere Perspektive der Arbeitssouveränität betrifft die freie Wahl des Arbeitsortes. Auch wenn Möglichkeiten wie Homeoffice, mobiles Arbeiten und Telearbeit lange Zeit für Ärztinnen und Ärzte kaum denkbar waren, so wurde die Akzeptanz für neue Lösungen durch die Coronapandemie beschleunigt. Je nach technischen Voraussetzungen, sei es der Zugriff auf das Krankenhausinformationssystem´oder die Verfügbarkeit mobiler Endgeräte, und je nach abteilungsindividueller Notlage fanden die Akteure aus der Quarantäne oder aus der Notwendigkeit der Kinderbetreuung heraus Lösungen, die Kollegen vor Ort zu unterstützen,´beispielsweise bei der medizinischen Befunderhebung, beim Schreiben und Vidieren von Arzt- und Befundberichten oder bei der medizinischen Dokumentation.

Organisatorische Aufgaben wie die OP- oder Dienstplanung, die Teilnahme an Abteilungsbesprechungen, Fachkommissionen und Fortbildungsmaßnahmen sind zumindest teilweise arbeitsortflexibel möglich.

Fördern berufsübergreifender Zusammenarbeit

Beim Aspekt der Arbeitsorganisation steht im Fokus, eine berufsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Es geht nicht um den Einzelnen oder um die Gesamtorganisation Krankenhaus, sondern um berufsgruppenübergreifende Teamabsprachen und -entscheidungen. Arbeitsinhaltliche Themen betreffen neben der Nutzung von Sachmitteln und dem Austausch von Informationen rollengerechte Aufgaben. Je mehr sich eine Ärztin oder ein Arzt mit ihrer oder seiner Aufgabe identifizieren und sinnstiftende Elemente darin entdecken kann, desto höher wird die eigene Motivation und Leistung einzuschätzen sein.

15.03.2024, Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung
Lüneburg

Um selbstbestimmt über Arbeitsinhalte und -organisation zu entscheiden, bedarf es eines Gestaltungs- und Entscheidungsrahmens. Anders als bei der Arbeitszeit- und Arbeitsortsouveränität, bei denen Regeln klar über Systeme definiert sind, ist den Akteuren der Handlungsspielraum bei Arbeitsinhalt- und -organisation meist unklar. Oft herrscht speziell in tradierten Unternehmensstrukturen hierarchieübergreifend Unsicherheit. Führungskräfte, die eine zeitgemäße, unterstützende und befähigende Haltung zeigen, können nachgeordneten Mitarbeitenden durch einen Vertrauensvorsprung Raum geben, in dem sie sich entfalten können. Zudem wirkt Transparenz akzeptanzfördernd, insbesondere bei der strategischen Ausrichtung der Abteilung sowie durch das Einholen der Perspektiven aller Mitarbeitenden.

Projekte zur Förderung der Arbeitssouveränität ermöglichen es, gemeinsam mit den Betroffenen und Experten das Erreichte zu reflektieren und Maßnahmen iterativ an die jeweils individuellen Bedürfnisse Einzelner und Teams weiterzuentwickeln.

Dtsch Arztebl 2022; 119(11): [2]

Die Autorin

Christiane Reuter-Herkner
Geschäftsführerin
indialogia GmbH
10407 Berlin

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