Recruiting: Wie Kliniken Nachwuchskräfte erfolgreich an sich binden

5 Januar, 2023 - 11:12
Christiane Reuter-Herkner
Hände schütteln

Um auf dem Fachkräftemarkt erfolgreich zu bestehen, müssen Kliniken sich als verlässliche, attraktive Arbeitgeber präsentieren. Das bedeutet, echtes Interesse an den Bedürfnissen der Nachwuchskräfte zu zeigen, diese in die Strategieplanung aufzunehmen und bei der Arbeitszeitorganisation zu berücksichtigen.

Der Fachkräftemangel lässt sich vor allem auf die Altersstruktur der Ärztinnen und Ärzte und den Wertewandel in der nachwachsenden Ärztegeneration zurückführen. Die Anforderungen der Nachwuchskräfte stellen Kliniken vor große Herausforderungen. Nachwuchskräfte achten auf ein gutes Arbeitsklima, berufliche Weiterentwicklung und eine gute Work-Life-Balance. Oft prallen diese Erwartungen und Hoffnungen auf die Realität etablierter und sich nur langsam anpassender Strukturen und Arbeitsweisen. In Stellenausschreibungen wollen junge Ärztinnen und Ärzte persönlich angesprochen werden und wünschen sich genaue Angaben zum künftigen Arbeitsplatz. Neben dem Wunsch nach guter fachlicher Weiterbildung erwarten sie, den Klinikalltag mitgestalten zu können.

Famulaturen und Stipendienprogramme

Um Nachwuchskräften einen realistischen Praxiseinblick zu ermöglichen, ist es hilfreich, frühzeitig Kontakt aufzubauen, zum Beispiel während Pflegepflichtpraktika oder Famulaturen. Wenn Praktikantinnen und Praktikanten bereits von Ärztinnen und Ärzten mitbetreut werden und sie an deren Diagnostik und Therapie teilnehmen können, fühlen sie sich mit ihren Interessen wahrgenommen. Kliniken können zudem professionell begleitete Famulaturen und ein systematisches Feedback von ehemaligen Famulanten anbieten, um neue Famulanten zu gewinnen. Auch Aushilfstätigkeiten in medizinnahen Bereichen während des Studiums binden Medizinstudierende an Kliniken.

Attraktive Stipendienprogramme helfen ebenfalls Nachwuchskräfte zu binden. Das Entfallen von Rückzahlungsverpflichtungen ist teils gekoppelt an eine zumindest anteilige fachärztliche Weiterbildungszeit nach dem Studium. Eine weitere Gelegenheit zur frühzeitigen Bindung ist das Praktische Jahr, in dem man auf mannigfaltige Art und Weise für die Klinik werben kann: strukturierte Einbindung in Team und Abläufe, spezifische Betreuung (Mentoring) und nicht zuletzt finanzielle Unterstützung.

Digitalisierungsgrad wird zunehmend wichtiger

Eine auf die Bedürfnisse der Nachwuchskräfte ausgerichtete Organisation der Arbeitszeit und Zusammenarbeit ist wesentlich für die Arbeitgeberattraktivität. Der Digitalisierungsgrad einer Klinik wird für den Karriereweg von Ärztinnen und Ärzten zunehmend wichtiger bei der Stellensuche. Das betrifft nicht nur die Nachwuchskräfte. Auch Ärztinnen und Ärzte bis Mitte 50 bevorzugen Einrichtungen, die digital gut aufgestellt sind, beispielsweise bei der digitalen Patientenakte oder mobilen Arbeitszeiterfassung.

Die Integration neuer Kolleginnen und Kollegen gelingt am besten mit einem Mentorenprogramm. Wichtig ist, den Nachwuchskräften nicht das Gefühl zu geben, alleingelassen zu werden, sondern organisatorische und fachliche Sicherheit zu vermitteln und ihnen die Möglichkeit zu geben, Prozesse auch kritisch zu hinterfragen. Nachwuchskräfte schätzen eine ausgeprägte Feedbackkultur mit einer wertschätzenden Fehlerkultur. Kliniken, die früh das gemeinsame, berufsgruppenübergreifende Lernen fördern, heben sich als Arbeitgeber besonders hervor. Zum Beispiel hat das Universitätsklinikum Münster mit einem interprofessionellen Unterrichtskonzept neue Wege beschritten: durch Experten begleitete Tandems aus Medizinstudierenden im Praktischen Jahr und Pflegeauszubildenden im dritten Ausbildungsjahr haben ihnen zugewiesene Patienten weitgehend eigenverantwortlich versorgt.

Bestmöglich organisierte Weiterbildung

Für angehende Ärztinnen und Ärzte ist es nach ihrem erfolgreich abgeschlossenen Studium wichtig, dass ihre ärztliche Weiterbildung bestmöglich organisiert ist. Fachabteilungen ohne volle Weiterbildung tun gut daran, Weiterbildungskooperationen ohne tarifrechtliche Nachteile für die befristete Tätigkeit in einer anderen Einrichtung einzugehen. Auch die Personaleinsatzplanung sollte den Anforderungen der Facharztausbildung gerecht werden. Die Bindung in Nacht- und Wochenenddienste vor Ort sollte nicht allein den Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung obliegen. Vor allem in kritischen Bereichen wie Intensivmedizin und Notaufnahme sollte sichergestellt sein, dass der Facharztstandard vor Ort eingehalten wird. Das bedeutet zugleich, die Privilegien der Fach- und Oberärzte aufzubrechen, ausschließlich an Rufdiensten teilzunehmen.

Zur Bindung von Ärztinnen und Ärzten nach bestandener Facharztprüfung ist es hilfreich, sich während der Zusammenarbeit mit ihnen, ihrer Leistungsbereitschaft und -fähigkeit sowie ihrer persönlichen Lebensplanung zu befassen. So geben Kliniken Ärztinnen und Ärzten wahrnehmbar frühzeitig eine Perspektive im Unternehmen. Aufgrund der Tarifautomatismen für die Vergütung der Fachärztinnen und -ärzte ist es sinnvoll, Inhalte auf der persönlichen Ebene auszugestalten. Fachärztinnen und -ärzten kann durch fachlich anspruchsvolle Tätigkeiten und mehr Entscheidungsbefugnisse mehr Verantwortung übertragen werden. Kliniken sollten die Rolle der Fachärzte institutionalisieren und als feste Größe interessanter und sichtbarer gestalten. Mit Blick auf die gesamte Abteilung ist es wenig zielführend, mit Bestehen der Facharztprüfung sofort Oberarztpositionen zu übertragen oder zuzusagen.

Nachwuchskräfte aus dem Ausland

Eine weitere Möglichkeit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, zielt auf das Rekrutieren ärztlicher Nachwuchskräfte aus dem Ausland: Die Zuwanderung im ärztlichen Berufsstand steigt. Gerade beim Gewinnen von Ärztinnen und Ärzten aus Drittländern gibt es diverse formale Herausforderungen, sodass es Sinn macht, sich professionell damit zu befassen.

Zentrale Experten für die Integration von Fachkräften aus dem Ausland, die sich mit formalrechtlichen Voraussetzungen auskennen und eine enge Absprache zwischen den meist akquirierenden Fachabteilungen sicherstellen, ist wichtig. Denn für eine erfolgreiche Integration ausländischer Ärztinnen und Ärzte greift die formale Befassung und Integration im Klinikalltag zu kurz. Notwendig ist vor allem eine kulturelle Integration, die über den Klinikalltag hinaus auch in die Freizeit wirkt.

Dtsch Arztebl 2023; 120(1-2): [2]

Die Autorin

Christiane Reuter-Herkner
Geschäftsführerin
indialogia GmbH
10407 Berlin

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