Roland Berger Krankenhausstudie 2023: Notfall deutsche Krankenhäuser

6 November, 2023 - 06:38
Miriam Mirza
Verlassener Krankenhausflur

Deutschlands Krankenhäusern geht es schlecht wie nie. Das belegt eine kürzlich veröffentlichte Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger. Das Unternehmen hat eine Studie durchgeführt, die auch den Blick auf die Zukunft der deutschen Krankenhauslandschaft richtet.

Inmitten von Krisenmanagement und strategischer Neupositionierung versuchen die Klinikmanagerinnen und -manager Deutschlands, einen Weg in eine bessere Zukunft zu finden. Die von Roland Berger jährlich durchgeführte Krankenhausstudie befragt Geschäftsführende und ärztliche Direktorinnen und Direktoren der 600 größten Kliniken des Landes, um Licht auf die derzeitige Lage und die Trends der kommenden Jahre zu werfen.

Mehr als die Hälfte in den roten Zahlen

Das Ergebnis: Die wirtschaftliche Situation der deutschen Kliniken bleibt weiterhin angespannt. Der Strukturwandel in der Kliniklandschaft ist in vollem Gange, und viele Verantwortliche erkennen die Notwendigkeit, ihre Einrichtungen wettbewerbsfähig und zukunftsorientiert auszurichten. Doch es krankt an den Finanzen. Im Jahr 2022 schrieben mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Kliniken Verluste, im Vergleich zu einem Drittel im Vorjahr. Besonders Kliniken in öffentlicher Trägerschaft waren von dieser Entwicklung betroffen. Lediglich knapp ein Viertel der Einrichtungen schloss im Plus ab.

09.12.2024, Dialyse Mosbach
Mosbach
09.12.2024, Dialyse Eberbach
Eberbach

Die Befragten erwarten für die nächsten Jahre keine grundlegende Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. Daran kann auch die geplante Krankenhausreform nichts ändern. Zum Zeitpunkt der Umfrage im Mai äußerten die Klinikmanagerinnen und -manager keine großen Erwartungen. Entlastungseffekte werden erst ab 2028 erwartet, wobei die Digitalisierung eine wichtige Rolle bei der Effizienzsteigerung spielt.

Die Studie zeigt auch einen drastischen Rückgang der Klinikzahlen in Deutschland. Während es im Jahr 2021 noch knapp 1.900 Krankenhäuser gab, erwarten 51 Prozent der Befragten für 2033 eine Zahl von höchstens 1.250. Der Großteil dieses Rückgangs wird zwischen 2028 und 2033 vermutet, hauptsächlich aufgrund der Verlagerung von stationären zu ambulanten Leistungen.

KI als Megatrend

Die wichtigsten Trends, die die Kliniklandschaft prägen, sind Fusionen, Ambulantisierung und der Einzug der künstlichen Intelligenz (KI). Viele Klinikverantwortliche haben beschlossen, die Strukturveränderungen aktiv zu gestalten, einschließlich verstärkter Kooperationen und Fusionen. Angesichts des zunehmenden ambulanten Behandlungsbedarfs müssen Kliniken ihre Angebote diversifizieren und die ambulante Infrastruktur ausbauen.

Besonders bemerkenswert ist die wachsende Bedeutung der künstlichen Intelligenz in der Gesundheitsbranche. Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sehen diese als eine Schlüsseltechnologie an, die die Krankenhauslandschaft in den kommenden Jahren maßgeblich verändern wird. Insbesondere in den Bereichen Bilderkennung und Entscheidungsunterstützung erwarten die Befragten eine wachsende Rolle für KI. Auch im administrativen Bereich soll KI Prozesse optimieren und die Effizienz steigern.

Leistungserbringer im Gesundheitswesen sehen sich in den kommenden Jahren mit einer anspruchsvollen Doppelherausforderung konfrontiert. Einerseits müssen sie kurzfristig Maßnahmen ergreifen, um die wirtschaftliche Stabilität ihrer Einrichtungen zu gewährleisten. Andererseits müssen sie langfristige Ziele, insbesondere die Digitalisierung, im Blick behalten. Es ist entscheidend, dass sie sämtliche Aspekte gleichzeitig berücksichtigen, um sowohl kurzfristig überlebensfähig zu sein als auch langfristig eine strategisch vorteilhafte Position in einem sich ständig wandelnden Markt aufzubauen.

Unterschiedliche Anforderungen im Blick behalten

Leistungserbringer im Gesundheitswesen stehen vor einer Doppelherausforderung: Kurzfristig müssen sie wirtschaftliche Stabilität sichern und Trends wie Ambulantisierung, KI und Fachkräftemangel adressieren. Gleichzeitig dürfen sie langfristige Ziele wie die Digitalisierung nicht vernachlässigen. Zielkonflikte, z.B., zwischen Work-Life-Balance und Leistungsfähigkeit, müssen berücksichtigt werden. Für die Klinikmanagerinnen und -manager ist es wichtig, sichtrategische zu positionieren – ob durch verstärkte Kooperationen oder Fusionen. Alle Kliniken sollten eine Rolle in einem vernetzten Gesundheitsmarkt definieren, um erfolgreich in einem sich konsolidierenden und hochvernetzten Umfeld zu bestehen. Dazu sollten die Weichen schon heute gestellt werden.

Auswirkungen für Ärztinnen und Ärzte

Die beschriebenen Entwicklungen in deutschen Krankenhäusern haben auch erhebliche Auswirkungen auf Ärztinnen und Ärzte, die in diesen Einrichtungen arbeiten. Hier sind einige der möglichen Konsequenzen:

  1. Der in den letzten Jahren zunehmende Trend hin zu mehr Arbeitsbelastung wird wohl nicht abebben. Die anhaltend schlechte wirtschaftliche Lage und die steigenden Erwartungen an die Kliniken treiben ihn weiter voran. Die Notwendigkeit, wirtschaftlichen Druck zu bewältigen und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten, könnte zu längeren Arbeitszeiten und zu einem höherem Stressniveau führen.
     
  2. Ärztinnen und Ärzte müssen sich auf eine veränderte Arbeitspraxis einstellen. Mit der zunehmenden Ambulantisierung der Gesundheitsversorgung ist es wahrscheinlich, dass Ärztinnen und Ärzte vermehrt in ambulanten Einrichtungen oder in der Telemedizin tätig werden – mit der Folge, dass sie Arbeitspraxis und auch Kompetenzen anpassen müssen.
     
  3. Krankenhäuser werden in Zukunft verstärkt versuchen, Synergien zu nutzen und sich neu zu positionieren. Das könnte für Ärztinnen und Ärzte bedeuten, dass sie in vermehrte Kooperationen und Fusionen involviert werden. Dies kann Veränderungen in der internen Struktur sowie in den Arbeitsbeziehungen mit sich bringen.
     
  4. Künstliche Intelligenz wird auch die medizinische Tätigkeit verändern. Medizinerinnen und Mediziner werden vermehrt mit KI-Systemen zur Bilderkennung und Entscheidungsunterstützung arbeiten. Folglich verändert sich die die Art und Weise, wie Diagnosen gestellt und Behandlungspläne entwickelt werden.
     
  5. Mit fortschreitender Digitalisierung der Medizin werden von Ärztinnen und Ärzten neue Kompetenzen gefordert, um mit den sich wandelnden Anforderungen Schritt zu halten.
     
  6. Der Druck, wirtschaftlich rentabel zu arbeiten und gleichzeitig eine bessere Work-Life-Balance zu gewährleisten, könnte Ärztinnen und Ärzte vor besondere Herausforderungen stellen. Hier eine gute Balance zwischen beruflichen und persönlichen Verpflichtungen herzustellen, wird möglicherweise schwieriger zu erreichen sein.

Insgesamt könnten Ärztinnen und Ärzte vor umfassenden Veränderungen in ihrer beruflichen Umgebung stehen, die Anpassungen und Weiterentwicklungen in ihren Fähigkeiten und Arbeitsweisen erfordern. Die Fähigkeit, sich flexibel auf diese Veränderungen einzustellen, wird entscheidend sein, um qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicherzustellen und gleichzeitig berufliche Zufriedenheit zu gewährleisten.

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