
Die Corona-Krise hat die Digitalisierung vorangetrieben – auch in der Medizin. Eine Studie des Digitalverbands Bitkom zeigt jetzt: Deutschlands Ärzteschaft ist bei diesem Thema tief gespalten.
Die Digitalisierung hat in den vergangenen Monaten auch in der Medizin einen gewaltigen Schub gemacht. Waren Videosprechstunden beispielsweise vor der Corona-Krise eher eine Randerscheinung, haben viele Ärztinnen und Ärzte ihr Angebot nun entsprechend ausgeweitet – und noch deutlich mehr können sich vorstellen, künftig auch digital mit ihren Patienten zu kommunizieren. Interessant ist dabei: Es gibt deutliche Unterschiede zwischen Ärzten, die in der Klinik arbeiten, und Ärzten in der Praxis. So haben zwar mehr Praxisärzte die Videosprechstunde bereits eingeführt, von den Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken sind aber deutlich eher bereit, sich in Zukunft mit dem Thema zu beschäftigen. Übrigens: 58 Prozent der Ärztinnen und Ärzte, die bereits Erfahrungen mit der Videosprechstunde gemacht haben, beurteilen das Konzept als gut oder sehr gut.
Besonders aufgeschlossen: Klinikärzte, Frauen, Jüngere
Insgesamt haben mehr als 500 Ärztinnen und Ärzte an der Umfrage teilgenommen, die gemeinsam von der Bitkom und dem Hartmannbund durchgeführt wurde. Große Unterschiede gibt es auch bei der Frage, ob die Digitalisierung eher als Chance oder eher als Risiko wahrgenommen wird. Auch hier sind Klinikärzte den neuen Technologien gegenüber deutlich aufgeschlossener: 86 Prozent sehen die Digitalisierung als Chance. Positiv blicken auch Frauen und jüngere Ärzte unter 45 Jahren auf die neuen Möglichkeiten. Männer, Praxisärzte und ältere Kollegen sind dagegen deutlich skeptischer.
Klinikärzte wünschen sich mehr Tempo bei der Digitalisierung
Vor allem Klinikärzte würden sich über einen schnelleren Ausbau der digitalen Möglichkeiten in der Medizin freuen: 82 Prozent wünschen sich dabei mehr Tempo. Bei den Praxisärzten sieht die Lage ganz anders aus: Hier sind nur 38 Prozent für eine schnelle Digitalisierung.
Und auch bei anderen Aspekten rund um den Ausbau der neuen Technologien zeigt sich diese Diskrepanz: Der Aussage "Deutschland liegt im Vergleich zu anderen Ländern bei der Digitalisierung im Gesundheitssystem zurück" stimmen 70 Prozent der Klinikärzte zu, aber nur 53 Prozent der niedergelassenen Kollegen. 63 Prozent der Klinikärzte meinen, dass Deutschland beim Kampf gegen Corona verstärkt auf digitale Technologien setzen sollte; unter den Praxisärzten sind es nur 39 Prozent.
Und wie funktioniert die Kommunikation mit Patienten und Kollegen? Auch hier setzen viele Ärztinnen und Ärzte noch auf ganz traditionelle Wege. So bleibt das Telefon das Kommunikationsmedium Nummer Eins, aber auch Brief und Fax spielen nach wie vor noch eine wesentliche Rolle. Weit abgeschlagen: E-Mail und bestimmte Internetportale.
Patienten im digitalen Zeitalter: Mündiger oder überinformiert?
Und auch das Arzt-Patienten-Verhältnis verändert sich durch die Digitalisierung: Denn das Internet gibt den Patienten die Möglichkeit, sich auch online über bestimmte Symptome und Krankheitsbilder zu informieren. Für die Ärzte ist das nicht unbedingt positiv. So glauben 90 Prozent der befragten Mediziner, dass die Patienten durch die Informationen aus dem Internet verunsichert werden. 62 Prozent machen die Erfahrung, dass die Patienten bereits mit einer vorgefertigten Diagnose zum Arzt gehen, und zwei Drittel (67 Prozent) empfinden den Umgang mit Patienten, die durch Online-Informationen alles besser wissen, als anstrengend. Nur knapp die Hälfte (42 Prozent) empfindet die Patienten als mündiger.
Science-Fiction: Wie stellen sich Ärzte die Medizin 2030 vor?
Wie wird sich die Medizin in Zukunft entwickeln? Die Umfrage fragte auch ab, wie Ärztinnen und Ärzte sich ihren Arbeitsalltag in zehn Jahren vorstellen. Wichtig war in diesem Zusammenhang auch die Vorhersage künftiger Pandemien: So glauben 80 Prozent der Befragten, dass es im Jahr 2030 Algorithmen geben wird, die rechtzeitig vor Pandemien warnen. Und auch die individualisierte Medizin ist in der Vorstellung vieler Ärzte im Kommen: Knapp drei Viertel (74 Prozent) erwarten, dass es in zehn Jahren die Möglichkeit gibt, Patientendaten auf der Suche nach einem passenden Antibiotikum auszuwerten. Zwei andere Zukunftsszenarien betreffen den Einsatz von 3D-Druck in der Medizin: So gehen 62 Prozent der Befragten davon aus, dass künftig Organe wie Haut, Speiseröhren und Knorpelscheiben zur Transplantation einfach ausgedruckt werden können. Und auch in der Forschung könnte der 3D-Druck künftig eine größere Rolle spielen: Geht es nach 52 Prozent der Befragten, werden im Jahr 2030 3D-gedruckte Zellstrukturen Tierversuche überflüssig machen.
Quelle: Bitkom Research 2021