Sanitätsoffizier: eine berufliche Alternative?

15 Juli, 2021 - 15:52
Michael Fehrenschild
Sanitätsoffizierin im Gespräch mit Soldatin
Ärztin und Soldatin zugleich: Die Arbeit bei der Bundeswehr unterscheidet sich von anderen medizinischen Arbeitsplätzen (Symbolbild)

Auch die Bundeswehr sucht Ärzte – gerne Seiteneinsteiger. Manche fürs Bundeswehrkrankenhaus, viele aber auch für die zahlreichen Sanitätsversorgungszentren (SVZ). Doch wie sieht die Arbeit bei der Truppe als „Hausarzt für Soldaten“ aus? Oberfeldarzt* Dr. Pascale Gilliot, Leiterin des SVZ Sonthofen, gibt Auskunft.

Zu den größten Arbeitgebern für Mediziner in Deutschland zählen die Streitkräfte. Insgesamt arbeiten heute knapp 20.000 Menschen im dortigen Sanitätswesen. Dazu gehören etwa 3.300 Sanitätsoffiziere: Neben Apothekern und Veterinären sind ungefähr zwei Drittel davon Ärztinnen und Ärzte. Deren Aufgaben sind vielfältig: „Bei der Bundeswehr ist das Spektrum der Tätigkeiten und Dienstorte sehr groß“, betont Dr. Pascale Gilliot, Fachärztin für Allgemeinmedizin, und fügt an: „Ich war schon Truppen- und Fliegerärztin und habe auch unterrichtet. Jetzt bin ich Leiterin eines SVZ. Mir gefällt diese Abwechslung. Ich könnte mir nicht vorstellen, 30 Jahre lang jeden Tag in dieselbe Praxis zu gehen.“

Neben den fünf deutschen Bundeswehrkrankenhäusern gibt es mehr als 120 solcher Sanitätsversorgungszentren (SanVersZ oder SVZ). Sie sind erste Anlaufstellen für kranke Soldatinnen und Soldaten, ob mit Hexenschuss oder Grippe, so wie die Hausarztpraxis für Zivilisten. Bei allen Ähnlichkeiten existieren allerdings erhebliche Unterschiede in der täglichen Arbeit, wie die Medizinerin berichtet.

Vor allem junge Patienten

So gibt es grundsätzlich andere Schwerpunkte. Denn ein Sanitätsoffizier trifft in der Regel nicht auf die größte Klientel seiner zivilen Kolleginnen und Kollegen, die älteren Patienten. Bei der Bundeswehr ist die „Kundschaft“ zwischen 18 und maximal 65 Jahre alt. Das wirkt sich zum Beispiel auch auf die, laut Gilliot „wirklich sehr guten“ medizinischen Weiterbildungen bei der Armee aus. Deswegen liegen deren Schwerpunkte eher bei Sport- oder Notfallmedizin. Wobei die Notfallmedizin besonders wichtig ist, denn Kenntnisse darin sind eine Voraussetzung für Auslandseinsätze.

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Eine weitere große Diskrepanz gegenüber zivilen Arztstellen sind die hohen Abwesenheitszeiten. Sanitätsoffiziere müssen nicht nur an Lehrgängen teilnehmen, sondern auch an Übungen, Manövern und vielen anderen Pflichten. Deswegen sind die Teams in einem SVZ auch so groß, da fast immer einige Kolleginnen und Kollegen unterwegs sind. Anders gesagt: Es werden mehr Ärztinnen und Ärzte für weniger Patienten als im Zivilleben benötigt, da die Mediziner eben auch etliche soldatische Aufgaben bewältigen müssen. Selbst in einem vergleichsweise kleinen SVZ wie in Sonthofen arbeiten immerhin 20 Fachkräfte, an größeren Standorten können es sogar bis zu 50 sein. Und das wirkt sich auf den Joballtag der leitenden Mediziner stark aus.

Militärarzt werden:

Die meisten Militärärzte haben schon über die Bundeswehr Medizin studiert. Vorteil: Man empfängt von vornherein einen Sold, muss sich aber langfristig verpflichten. Doch auch Seiteneinsteiger sind gefragt. Fachrichtungen, die bevorzugt gesucht werden sind Radiologie, HNO, öffentliches Gesundheitswesen/Amtsärzte, Neurologie und Anästhesie. Auch viele Allgemeinmediziner werden gesucht, da zahlreiche Positionen im Bereich Führung und Organisation, also Kommandobehörden etc., gern mit ihnen besetzt werden.

Weitere Informationen: www.bundeswehrkarriere.de

„Patienten behandle ich nur an ein bis zwei Vormittagen in der Woche, den größten Teil meiner Arbeitszeit verbringe ich am Schreibtisch. Ich kümmere mich um sehr viel Papierkram. Als Vorgesetzte beschäftige ich mich viel mit Personalmanagement und muss mich ständig um Einsätze, Weiterbildungen, Beurteilungen, Planungen, Anschaffungen und vieles andere kümmern. Manches ist medizinisch, manches auch militärisch“, fasst die 45-Jährige zusammen. Insgesamt ist eine Sanitätsoffizierin wie Gilliot eben nicht „nur“ eine Ärztin, sondern auch ein Mitglied der Armee. Ob ein Soldat für den Auslandseinsatz vorgesehen ist oder jemand vom Zeit- zum Berufssoldaten wechseln möchte: Beurteilungen müssen sein und Gilliot verfasst sie. Unvorhersehbare Ereignisse wie die Organisation und Durchführung der Corona-Impfungen für die Soldaten ihres Standorts kommen noch dazu.

Teilzeitarbeit ist möglich

Wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen hat Gilliot ihre Ausbildung schon als Bundeswehrmitglied absolviert. „Ich wollte Medizin studieren, hatte aber auch Lust auf ein bisschen mehr.“ Dieses „mehr“ macht diesen besonderen Arbeitgeber letztendlich für einige anziehend und für andere schwierig. Denn: „Wer ein planbares Leben führen möchte, ist bei der Bundeswehr nicht immer richtig“, betont die Soldatin und ergänzt: „Wer aber beispielsweise wegen Kindern Teilzeit arbeitet, wird im Allgemeinen deutlich weniger auf Übungen etc. eingesetzt. Da kann das Leben schon deutlich ruhiger sein.“ Generell werden Ärztinnen und Ärzte sehr selten gegen ihren Willen versetzt. Und wenn, dann gibt es dafür einen guten Grund und eine Absprache – beispielsweise wegen einer Weiterbildung.

„Nachtschichten habe ich im SVZ auch nicht. Das ist bei den Kolleginnen und Kollegen in den Bundeswehrkrankenhäusern aber schon üblich. Das sind moderne Kliniken, die sich in Arbeitsabläufen und Ausstattung nicht von den zivilen unterscheiden“, so Oberfeldarzt Gilliot. Und es gibt noch etwas, das sie an ihrer Arbeit im SVZ schätzt: „Bei uns im Sanitätsdienst arbeiten viele Frauen. Ich persönlich finde das Arbeitsklima in gemischten Teams am besten. Das sorgt für Ausgeglichenheit.“ Generell gilt zudem: Der Job beim Militär ist sicher, und Berufssoldaten – auch Ärzte – genießen ähnliche Vorteile wie Beamte, zum Beispiel in punkto Pensionsansprüche, auch sind sie meistens unkündbar. Karrieremöglichkeiten bestehen ebenfalls, das kann bis zum Generalarzt gehen.

Herausforderung: Auslandseinsatz

Bis zur Wiedervereinigung gab es, abgesehen von einigen humanitären Einsätzen, keine Auslandsmissionen. Das hat sich geändert. Heute ist die Bundeswehr in der ganzen Welt mit den unterschiedlichsten Aufgaben unterwegs. Gilliot zählt auf: „Ich war im Kosovo, zweimal in Afghanistan und auch im Irak. Das ist einfach ein ganz anderes Leben. Man ist rund um die Uhr im Dienst und immer mit Kameraden zusammen. Manche Umstände sind schwierig: die nicht vorhandene Privatsphäre, die Trennung vom Partner, die Tatsache, dass man immer ansprechbar und verfügbar ist. Aber es gibt auch tolle Erlebnisse! Es ist spannend, man hat mit Einheimischen zu tun und es ist auch medizinisch oft eine Herausforderung.“ Die Ärztin hatte bisher dabei das Glück, noch nie einen Kameraden nicht retten zu können, obwohl gefährliche Situationen durchaus stattfanden. Für den Menschen Pascale Gilliot wäre das der größte Albtraum, schlimmer als eine eigene Verletzung.

Dass Auslandseinsätze der Bundeswehr heute besonders wichtig sind, beweist auch ein Blick auf die Internetpräsenz. Dort wirbt die Armee um junge Humanmediziner, wobei unter Aufgaben steht: „Sie begleiten Patrouillen in einem gepanzerten Notarztwagen und stellen die medizinische Notfallversorgung, auch in Gefechtssituationen, sicher.“

Aber: Nicht jeder Arzt muss in Krisengebiete. Trotzdem ist diese Möglichkeit ein großer Unterschied zu anderen Arbeitgebern. Ob man das möchte, hat viel mit eigenen Einstellungen zu tun. Gilliot meint zu den Motiven: „Manche studieren bei der Bundeswehr, weil sie dann schon im Studium einen guten Sold erhalten. Es gibt aber auch andere, die das aus Überzeugung tun. Wenn man die nicht hat, entsteht in der Truppe schnell das Bild ‚der ist ja nur ein Arzt, aber kein Soldat‘. Ich bin aber sehr gerne beides!“

* Da die Bundeswehr ihre internen Bezeichnungen nicht gendert, ist "Oberfeldarzt" auch für eine Ärztin die korrekte Bezeichnung.

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