Selbstorganisation: Mit mehr Struktur zu mehr Effizienz

13 April, 2021 - 07:51
Christiane Reuter-Herkner
Junge Frau mit Brille und geringeltem Shirt vor Taskboard

Gerade in Krankenhäusern sind die ersten Schritte zur Selbstorganisation von Teams schwer. Sie gelingt, wenn Mitarbeitende erleben, dass ihr Engagement sinnvoll ist und Wertschätzung erfährt.

Wer kennt ihn nicht, den Ärger über sich selbst am Ende eines Tages, dass man wieder einmal nur einen Teil von dem geschafft hat, was man sich vorgenommen hatte und dann auch noch die unwichtigeren Dinge. Was hilft, ist ein systematisches Vorgehen, das mit der To-do-Liste beginnt, die als Verschriftlichung Selbstverpflichtung und Selbsttransparenz umfasst. Jeder kennt die Befriedigung, wenn er einzelne Punkte der Liste abhaken kann. Diese visuelle Form der Arbeitsliste im Büro an der Wand, im PC oder auf dem Smartphone ist der erste Schritt zur Besserung.

Dringlichkeit und Wichtigkeit

Um die eigene Organisation weiter zu optimieren, gibt es vielfältige, hilfreiche Methoden: Beim sogenannten Eisenhower-Prinzip werden die Aufgaben nach Dringlichkeit und Wichtigkeit bewertet. Meist reicht das, um Aufgaben besser priorisieren zu können. Allerdings lässt sich die Bedeutung im Gesamtzusammenhang nicht immer sofort erkennen. In der Eisenhower-Matrix bedeutet:

  • Aufgabe dringlich und wichtig: sofort erledigen
  • Aufgabe dringlich, aber nicht wichtig: Delegation prüfen
  • Aufgabe wichtig, aber nicht dringlich: auf Termin legen
  • Aufgabe nicht wichtig und nicht dringend: Papierkorb oder Ablage

Zusätzlich spielt das zeitliche Bemessen einer Aufgabe eine wichtige Rolle. Gut ist, sich eigene Deadlines zu setzen und bei der Fristeinhaltung ruhig streng zu sich zu sein. Denn nach dem Parkinson’schen Gesetz dehnt sich Arbeit immer so weit aus, wie man ihr Platz einräumt.

29.03.2024, klinik Werk.
29.03.2024, Clienia Littenheid AG
Sirnach

Es ist auch nicht ratsam, auf die eigenen Multitasking-Fähigkeiten zu vertrauen. Am besten beendet man möglichst eine Aufgabe vor dem Beginn der nächsten. Denn es ist schon Herausforderung genug, sich um Themen oder Projekte außerhalb des tagesfüllenden Routinegeschäfts zu kümmern. Sind die Aufgaben komplex, sollten sie in einzelne Schritte unterteilt werden.

Struktur des eigenen Tagesablaufs

Mithilfe der sogenannten ALPEN-Methode gelingt es effektiv, den eigenen Tagesablauf zu strukturieren, zu priorisieren und zu planen. Das Strukturieren benötigt maximal 15 Minuten pro Tag nach diesem Schema:

  • Aufgaben aufschreiben
  • Länge einschätzen
  • Pufferzeit einplanen, nur maximal 60 Prozent der zur Verfügung stehenden Zeit sollte verplant werden
  • Entscheidungen treffen und priorisieren
  • Nachkontrollieren, was man erreicht hat

Das Pareto-Prinzip, auch als 80–20-Regel bekannt, besagt, dass der Mensch meist mit nur 20 Prozent Einsatz 80 Prozent des angestrebten Ergebnisses erreichen kann. Die Regel mahnt uns, Prioritäten klüger zu setzen und die Zeit effizienter zu nutzen. Wichtig ist also, sich vorrangig mit den Aufgaben zu beschäftigen, die uns bereits zu 80 Prozent dem Ergebnis näherbringen.

Selbstorganisation in Arbeitswelten

In neuen Arbeitswelten beschreibt Selbstorganisation die Zusammenarbeit in Teams, die keiner starren Hierarchie folgen. Gerade im Umgang mit Komplexität geht es um Team-Ermächtigung, nicht um die Ermächtigung Einzelner. Denn Wertschöpfung hängt selten von einzelnen Menschen ab, sondern vielmehr von der Interaktion verschiedener Menschen, Berufsgruppen und Abteilungen. In selbst organisierten Teams sind Verantwortlichkeit und Entscheidungsmacht transparent und kompetenzbasiert geregelt. Menschen arbeiten hierarchie-, berufsgruppen- und abteilungsübergreifend mit- und füreinander, um ein gemeinsam gesetztes Ziel zu erreichen.

Anders als in hierarchischen Organisationsstrukturen, in denen Führungskräfte eine Kontrollfunktion innehaben, Informationen nach oben leiten, Befehle und Aufträge nach unten delegieren, erfolgt Kontrolle in selbst organisierten Teams meist durch Transparenz und sozialen Druck. Es gilt das Prinzip der gemeinsam getragenen Verantwortung für das Erreichen des Ziels.

Zusammenarbeit mit dem Veränderungsboard

Wie einzelne Menschen benötigen auch selbst organisierte Teams geeignete Methoden, um erfolgreich berufsgruppen-, hierarchie- und abteilungsübergreifend an Themen zusammenzuarbeiten, die über das Tagesgeschäft hinausgehen.

Eine bewährte, für Krankenhäuser praktikable Visualisierungsform, Prozesse zu optimieren, ist ein Veränderungsboard, eine Weiterentwicklung des Kanban-Boards. Dieses Board sollte jeweils individuell auf die Bedürfnisse des Teams zugeschnittenen sein. Es lässt sich in folgenden Schritten erstellen:

  1. Sammeln der für den regelmäßigen Austausch wichtigen Inhalte
  2. Strukturieren der Board-Inhalte in etwa sechs bis acht Spalten oder Felder:
    • Formulierung des übergeordneten und der Teilziele
    • Festlegen von Handlungsfeldern, die dazu beitragen, das Ziel zu erreichen, sowie der Zeitschiene und der Zuständigen
    • Abbilden erzielter Erfolge
    • regelmäßig zur Abstimmung vorgesehene Themen
    • immer wieder mit hoher Priorität aufkommende Themen
  3. Festlegen von Regeln der Zusammenarbeit für das Team: Beispielsweise legt das Team fest, ab wann, zu welchem Zeitpunkt und wie oft es sich regelmäßig am Board treffen will und wie und wer das Board aktualisiert.
  4. Testen des Boards: In den ersten Treffen befüllt das Team die einzelnen Felder des Boards, in jedem weiteren Treffen aktualisiert es diese. Parallel dazu berichtet jedes Teammitglied über akut relevante Themen. Wenn Diskussionen aufkommen, wird besprochen, wer sich mit wem dazu gesondert zusammensetzt.
  5. Board anpassen und weiterentwickeln: Das Team reflektiert den Aufbau des Teamboards nach einigen Wochen. In den ersten Wochen stellen sich die wirklich wichtigen sowie fehlende und redundante Informationen heraus. Je nach Reflexionsergebnis wird ein neues Feld ergänzt, ein bestehendes verändert oder vom Board genommen.

Das Board wird an einer zentralen, für alle gut zugänglichen Stelle aufgestellt. Es ist Anlaufpunkt für alle Beteiligten, ihre Unterstützer und entscheidungsbefugten Führungskräfte und schafft einen sichtbaren Platz für Veränderungsprozesse. Gerade in Krankenhäusern sind die ersten Schritte zur Selbstorganisation von Teams erfahrungsgemäß schwer. Neben Methodenkompetenz und begleitenden Maßnahmen zur Teamentwicklung benötigen die Teammitglieder als Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten vor allem das Erleben, dass sie ihr über das Tagesgeschäft hinausgehende Engagement sinnvoll einsetzen, dass Erfolge eintreten und diese auch wertgeschätzt werden.

Dtsch Arztebl 2021; 118(15): [2]

Die Autorin:

Christiane Reuter-Herkner
Geschäftsführerin
indialogia GmbH
10407 Berlin

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