Stress als Erfolgsfaktor? Wie Anspannung im OP die Patientensicherheit beeinflusst

28 April, 2025 - 07:18
Stefanie Hanke
Chirurgisches Team bei der Operation

Ein gewisser Grad an Stress bei Chirurginnen und Chirurgen kann zu besseren Behandlungsergebnissen führen. Das zeigt eine aktuelle Studie aus Frankreich. Die Untersuchung beleuchtet die komplexe Beziehung zwischen physiologischem Stress und chirurgischer Leistung. Was die Ergebnisse für die Patientensicherheit bedeuten, erfahren Sie im Beitrag.

Forscherteam untersucht Verhältnis von Stress und Leistung

Chirurginnen und Chirurgen tragen in ihrem Beruf viel Verantwortung. Kein Wunder, dass sie oft im Stress sind. Für die Patientinnen und Patienten ist das eher negativ – oder? Eine prospektive Kohortenstudie, die an 14 chirurgischen Abteilungen von vier Universitätskliniken in Lyon durchgeführt wurde, zeigt: Ist das Stresslevel der Chirurgin oder des Chirurgen zu Beginn einer Operation erhöht, kann sich dadurch die Patientensicherheit verbessern. Untersucht wurden die Auswirkungen des physiologischen Stresses auf postoperative Komplikationen.  

16.05.2025, Praxis Kreuzbleiche
St. Gallen
16.05.2025, Landkreis Passau Gesundheitseinrichtungen
Vilshofen

Das Forscherteam untersuchte die Herzfrequenzvariabilität (HRV) und ermittelte daraus die sympathovagale Balance (Verhältnis von niedriger zu hoher Herzfrequenz, low frequency to high frequency ratio, LF:HF). Dabei gilt eine erhöhte LF:HF-Ratio als Indikator für physiologischen Stress. Hierfür wurde die jeweilige Herzfrequenz der Chirurginnen und Chirurgen während der Operation durch Brustmonitore erfasst. Die gemessenen Werte wurden dabei jeweils an den individuellen Medianwert der Testpersonen angepasst.

Mehr Stress, bessere Leistung?

Das überraschende Ergebnis: Ist das Stresslevel in den ersten fünf Minuten einer Operation erhöht, ist das mit einer signifikanten Verringerung schwerwiegender chirurgischer Komplikationen verbunden. Gleichzeitig hatte das Stresslevel keinen signifikanten Einfluss auf die Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation oder die Mortalität innerhalb von 30 Tagen.

Insgesamt wurden für die Studie 793 Operationen von 38 erfahrenen Chirurginnen und Chirurgen ausgewertet, darunter acht Frauen und 30 Männer mit einem Durchschnittsalter von 46 Jahren. Die operierten Patientinnen und Patienten waren 47 bis 72 Jahre alt (Median 62 Jahre).

Erfahrene Chirurginnen und Chirurgen profitieren von Stress

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass erfahrene Chirurginnen und Chirurgen besser mit Stress umgehen können und diesen sogar nutzen, um ihre Leistung zu optimieren. Dies könnte erklären, warum ein gewisser Grad an Stress zu Beginn einer Operation positive Auswirkungen auf die Patientensicherheit hat. Das Forscherteam betonte jedoch, dass die Beziehung zwischen Stress und Leistung komplex sei und weitere Untersuchungen erforderlich seien, um die Mechanismen vollständig zu verstehen.  

Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt, um die Rolle von Stress in der Chirurgie besser zu verstehen und gezielt zu nutzen. Sie unterstreichen, dass Stress nicht immer negativ sein muss – vielmehr kann er, richtig eingesetzt, auch ein Erfolgsfaktor sein. Diese Erkenntnis könnte dazu beitragen, neue Strategien zum Umgang mit Stress zu entwickeln und dadurch die Patientensicherheit weiter zu verbessern.

Quelle: AMA Surgery (2025; DOI: 10.1001/jamasurg.2024.6072)

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