Stressmanagement: Wie es gelingt, positiv mit psychischen Belastungen umzugehen

15 Februar, 2021 - 10:57
Petra Schubert
erschöpfte Ärztin mit Schutzbrille, Maske und Gummihandschuhen

Wichtig ist, psychische Belastungen ernst zu nehmen. Denn sie können einen Teufelskreis der Mehrbelastung in Gang setzen. Es gibt Strategien, mit Belastungen wie der Coronapandemie positiv umzugehen.

Jeder Mensch nimmt eine psychische Belastung unterschiedlich wahr und bewertet sie anders, je nach persönlicher Konstitution und Erfahrung werden auslösende Faktoren negativer oder neutraler bewertet.

Die erste Welle der Coronapandemie beispielsweise haben Ärzte und Pflegekräfte in den Krankenhäusern zwangsläufig wie einen Sprint behandelt. Wegen der schnellen Verbreitung des Virus haben sie auf eine kurzfristige Bewältigung der Situation hingearbeitet und ihre Kräfte entsprechend eingesetzt oder aufgebraucht. Jene, die in den coronafernen Fachrichtungen arbeiteten, unterstützten und halfen jenen, deren Fachrichtungen mit Coronapatienten zu tun hatten, um gemeinsam schnell aus der Krise herauszukommen. Das hat das Zusammenarbeiten und die gegenseitige Unterstützung verbessert.

Coronapandemie als Langstreckenlauf

Aktuell stellt sich die Pandemie jedoch als Langstreckenlauf dar, der eigentlich eine andere Krafteinteilung, eine andere psychische Einstellung und eine andere geplante Zeit für das Kraftschöpfen erfordert. So haben viele in der Phase des vermeintlichen Sprints ihre Kräfte aufgebraucht, die sie jetzt im Langstreckenlauf noch dringend benötigen. Auch die Unterstützung durch die nichtcoronanahen Fachrichtungen ist im Langstreckenlauf weniger durch direktes Anpacken, sondern mehr durch Zuspruch, Motivation und Hilfsgesten notwendig als in Sprintsituationen. Oft scheinen jetzt auch die internen Unterstützer ihre Reserven aufgebraucht zu haben.

Inzwischen wirkt sich die hohe Belastung aller Beteiligten nicht nur auf die psychische Stabilität, sondern auch auf die physische Gesundheit aus. Die Krankheitsquote ist deutlich gestiegen und liegt teilweise über 30 Prozent. Die Verbliebenen müssen diese Ausfälle auffangen, was bei diesen wiederum zu einer deutlich höheren Belastung führt – ein Teufelskreis!

Gefühlte Wirksamkeit des eigenen Handelns

Zudem kann die gefühlt sehr hohe Belastung mit der gefühlten Wirksamkeit des eigenen Handelns zusammenhängen. Ärzte und Pflegekräfte können momentan nicht sehen, dass sich die Lage schnell bessert und wann ein Ende in Sicht ist. Zwar bedeutet der Impfstoff Hoffnung, jedoch zieht sich die Zeit bis zum flächendeckenden Einsatz lange hin. Viele fühlen sich hilflos und haben nicht das Gefühl, etwas bewirken oder die Situation ändern zu können. Dieses Gefühl, selbst etwas ändern zu können, ist jedoch entscheidend, mit Belastungen positiv umgehen zu können.

Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit einem starken Glauben an die eigene Kompetenz größere Ausdauer beim Bewältigen von Aufgaben haben, eine niedrigere Anfälligkeit für Angststörungen und Depressionen und mehr Anerkennung in Ausbildung und Berufsleben erfahren. Insofern ist es beim Umgang mit Belastungen nötig, die eigene Selbstwirksamkeit zu erhöhen und Kraft für den momentanen Langstreckenlauf zu schöpfen.

Strategien für den Umgang mit Belastungen

Strategien, mit psychischen Belastungen positiv umzugehen, kann man unterteilen in Ideen, die jeder selbst für sich umsetzen kann, Ideen, die gemeinsam mit den Kollegen umsetzbar sind und Ideen, die für Führungskräfte relevant sind.

Zunächst sollte sich jeder selbst fragen, warum er sich konkret belastet fühlt, in welchen Situationen dieses Gefühl am stärksten auftritt und was ihm in diesen Situationen helfen würde. Wichtig ist, sich nicht von der dargestellten Belastung anderer beeinflussen zu lassen, sondern seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Jene Inhalte, die man sich in der Situation wünscht beziehungsweise die helfen würden, sollte jeder auf Realisierbarkeit bewerten und die realisierbaren Schritte in die Tat umsetzen.

Um der Negativ-Gedanken-Spirale zu entkommen, hilft es, pro Tag eine Liste mit fünf Punkten anzufertigen, die an dem Tag positiv waren. Diese Positiv-Listen verändern den Blick auf die Situation und helfen, positive Dinge wahrzunehmen. Um die eigene Selbstwirksamkeit zu stärken, empfiehlt es sich kurz aufzulisten, was man an dem Tag alles bewirkt oder geschafft hat, um sich die eigene Wirkung zu verdeutlichen, zum Beispiel einem Patienten gut zugeredet und ihm dadurch ein besseres Gefühl gegeben zu haben. Um Kraft zu schöpfen, helfen auch kurze Auszeiten – und wenn man beispielsweise nur fünf Minuten im Treppenhaus aus dem Fenster guckt und an ein positives Erlebnis denkt.

Regeln festlegen, Zeit für Mitarbeiter nehmen

Hilfreich ist, die Pausen zu nutzen, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen Symbole, Rituale oder Regeln festzulegen, die für das Team wichtig sind, um sich gegenseitig in Belastungssituationen zu unterstützen. Das können kurze Stichworte sein, die man sich im Vorbeigehen bei der Arbeit gegenseitig zuwirft und damit signalisiert, dass man den anderen sieht und ihn mental unterstützt (zum Beispiel Sonne oder andere positiv besetzte Begriffe). Das können aber auch Regeln sein, dass alle in der Pause das Bewirkte besprechen, um gemeinsam eine positivere Wahrnehmung zu erhalten.

Führungskräfte sollten mit ihren Mitarbeitern sprechen und sie einmal pro Woche die aktuelle Belastung einschätzen lassen, zum Beispiel auf einer Skala von 1 bis 10. In diesem Zusammenhang können alle in einer gemeinsamen Teamsitzung überlegen, welche Maßnahmen in den verschiedenen Belastungsstufen sinnvoll sind, beispielsweise für eine Belastungseinschätzung der Stufe 6, 7 oder 8. Entsprechend dieser Einschätzung legen alle gemeinsam fest, welche Maßnahmen sie konkret ergreifen wollen. Um den Langstreckenlauf zu bewältigen, sollten sich Führungskräfte für die Mitarbeiter Zeit nehmen, mit ihnen sprechen und ihnen Wertschätzung geben. Dafür sollten sie gezielt Zeit einplanen, beispielsweise kann ein Gang über die Station mit kurzen Gesprächen den Mitarbeitern das Gefühl geben, wahrgenommen zu werden. Gemeinsam in einer Teamsitzung können Regeln für den gegenseitigen Umgang festgelegt werden. Beispiele: Damit sich Mitarbeiter mit einer gefühlten Belastung nicht gegenseitig anstecken, sollten sie neben dem Negativen immer auch etwas Positives sagen. Oder: Wer schlechte Laune verbreitet und Kollegen verbal angeht, muss sich danach entschuldigen.

Dtsch Arztebl 2021; 118(7): [2]
 


Die Autorin:

Petra Schubert
Geschäftsführerin
Schubert Management Consultants GmbH & Co. KG
51063 Köln
Mitglied des Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern (InPaK)

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