
Wohl den meisten Medizinerinnen und Medizinern ist ein gutes Team wichtig – das gilt insbesondere für den Nachwuchs der Gen Z, der mit hohen Erwartungen in die Klinik kommt. Was kann jeder und jede persönlich dazu beitragen, dass es untereinander gut läuft? Was sollte von Vorgesetztenseite kommen? Und: Bin ich überhaupt selbst ein guter Teamplayer? Die versierte Coachin Betty Ebner hat praxisnahen Rat parat.
Teamfähigkeit: ein Wort, dass in jeder Jobbeschreibung steht – und die meisten Bewerbenden denken von sich, sie sind es auch. Aber ist das wirklich so? Um herauszufinden, ob man selber ein guter Teamplayer ist, sollte man sich die Reaktionen der anderen genau anschauen und dabei: „wirklich sehr gut hinhören und -sehen – und vor allem ehrlich zu sich selbst sein“, empfiehlt Betty Ebner. Zudem könne man die „Kollegin des Vertrauens“ um ihre ehrliche Meinung bitten. Das gilt insbesondere für diejenigen, die ab und an anecken und sich fragen: Liegt das an mir?
Sich selbst zu kennen, ist nämlich sehr hilfreich: „Gerade Unsicherheit führt zu so viel Missverständnissen“, erklärt die erfahrene Beraterin, die selbst 16 Jahre lang als Intensiv-Krankenschwester tätig war und erläutert: „Wenn ich jedoch um meine guten und weniger guten Eigenschaften weiß, kann ich nicht nur konkret etwas ändern, sondern werde mir meiner selbst bewusster und damit auch selbstbewusster! Dann kann ich meine emotionalen Reaktionen besser einordnen, statt deren Opfer zu werden. Das führt zu einem guten Standing, aus dem heraus man sich Unzulänglichkeiten verzeihen oder sogar humorvoll damit umgehen sowie seine Kompetenzen besser vertreten kann. Andere spüren das und erleben uns als verlässliche Persönlichkeit.“
Fallstricke: Everybody's Darling und Besserwisser
Insbesondere Neulinge neigen dazu, sich alles Mögliche aufbürden zu lassen. Das ist verständlich, manchmal aber auch echt zu viel. Ebner kennt einen alltagstauglichen Ratschlag, mit den man prima herausfinden kann, welche Arbeiten nicht unbedingt an einem „hängen bleiben“ sollten: „Stellen Sie sich in dieser Situation dreimal hintereinander folgende kurze Frage: ‚Will ich das?‘ Der Trick ist: Zuerst betonen Sie das ‚will‘, als nächstes das ‚ich‘ und zum Schluss das ‚das‘. Also ist es mein Wille, was sagt meine eigene Stimme zu mir und bringt es mich weiter, wenn ich zum Beispiel dasselbe zum x-ten Mal erledige.“
Es gibt aber auch den gegenteiligen Stolperstein: „Viele der jüngeren Leute kommen auf die Station und sagen erstmal jedem recht forsch, wie es richtig geht“, führt die Gevelsbergerin fort. Doch damit schlagen sich Einsteiger gleich zu Beginn ganz viele Türen zu, selbst wenn sie auf der sachlichen Ebene im Recht sind. Erfahrungsgemäß sei es besser, nicht vorzupreschen, sondern sich zunächst vier bis sechs Wochen bedeckt zu halten und in dieser Zeit beobachten und sortieren: Wie sind die Kollegen, wie die Strukturen, wer kann mit wem, mit wem kann ich, mit wem nicht? „Und dann punktuell immer mal wieder etwas mehr einstreuen“, rät Ebner. Dafür seien auch Teamsitzungen bestens geeignet, zum Beispiel, um dort eine Veränderung nach dem Motto anzuregen: „Vielleicht sollte wir uns mal überlegen, ob wir das so und so machen…“ Und langsam immer präsenter im Team zu werden.
Was die meisten von uns generell besser machen können, ist: mehr zuhören! Nicht wenige Menschen denken bereits über die eigene Antwort nach, während ihr Gegenüber noch redet. Und: „Aber nicht jeder, der mir etwas erzählt, will überhaupt sofort ein Feedback. Selbst wenn der Gesprächspartner Sorgen hat, muss man nicht sofort mit einem guten Rat um die Ecke kommen. Manchmal reicht es aus, es als das nehmen was es ist: ein entlastendes Gespräch“, empfiehlt sie. Wer die Stille nach dem letzten Satz nicht gut aushält, könne antworten: „Ich weiß dafür jetzt leider auch keine Lösung, aber ich hoffe, es hat dir gutgetan, mir das mal zu erzählen?“
Kleine Gesten – große Wertschätzung
Genauso wichtig wie jeder Einzelne ist die Führung. „Die Regeln und Verhaltensweisen müssen von den Ober- und Chefärzten vorgelebt werden, sonst funktioniert es nicht“, davon ist Ebner überzeugt. Zudem sollte der Informationsfluss transparent sein, damit sich niemand übergangen führt. Das beeinflusst auch die Kommunikation unter den einzelnen Teammitgliedern der verschiedenen Bereiche. Gerade für die Patientenversorgung ist es unerlässlich, dass eine Hand weiß, was die andere macht – und die Ärztinnen und Ärzte ein offenes und wertschätzendes Ohr für die Pflege haben, die unter anderem Veränderungen bei Patientinnen und Patienten häufig frühzeitig bemerkt.
Das Ideal wäre: In einem super Team feiert jedes Mitglied die Erfolge aller, was einen ganz hohen Gruppen-IQ ergibt. Doch klar ist auch, im stressigen Klinikalltag ist das oft nicht zu leisten. Daher sollten insbesondere die Vorgesetzten immer wieder gezielt die Verbundenheit ihrer Mannschaft fördern. „Oft genügt die ganz kleine Wertschätzung zwischendurch. Nehmen wir mal an, Sie sind in einer Reanimation, alles muss schnell gehen und dann reicht es schon, wenn die Chefin sagt: ‚Super, dass Ihr das so schnell hingekriegt hat. Klasse Job‘“, lautet Ebners Empfehlung.
Effektiv sind auch fachliche Komplimente: „Damit darf jeder Mensch gerne um sich werfen. Es kostet nichts und macht andere sofort ein paar Zentimeter größer“, so Ebner. Auf der anderen Seite gelte aber ebenfalls, dass Fehler auf den Tisch gehören. Führungskräfte sollten damit jedoch nicht anklagend umgehen, sondern immer wieder betonen, dass das gesamte Team daraus lernen kann.
Im Kollegenkreis lernen
Zu einer gerechteren Verteilung der Aufgaben und Dienste tragen wiederum strukturierte Teamsitzungen bei. „Sicher hat jeder seine eigenen Vorstellungen davon, was gutes Teamwork ausmacht“, sagt die Coachin. Letztlich gehe es daher immer darum, einen Konsens zu finden, wie das denn aussehen sollte. Prima, wenn man sich hier auf eine Messlatte einigen kann, die alle als eine Art Leitlinie unterschreiben.
Darüber hinaus gibt es laut Ebner aber noch einen Punkt, der richtig viel verbessern kann: „Team bedeutet für mich auch: Jede und jeder macht das was er oder sie am besten kann.“ In Teamsitzungen sollte daher das „kollegiale Lernen“ etabliert werden.“ Heißt: Alle stellen mal etwas vor, zum Beispiel, die eigene besondere Kompetenz. „Die eine kann vielleicht super punktieren oder hat einen besonderen Trick dafür, der andere bringt Erfahrungen aus einem bestimmten medizinischen Bereich mit und wieder jemand anders kennt sich mit Gesprächsführung aus und kann Hinweise dazu geben, wie Patientengespräche besser laufen können.“ So wissen die anderen im Team: Bei welchen Themen kann ich mir den oder die mal als Unterstützung holen oder mir etwas zeigen lassen?
Dazu ist im stressigen Klinikalltag natürlich wenig Zeit, aber jedes kleine Aufeinander-Zugehen ist hilfreich fürs Klima. Denn hinzu kommt der sogenannte Benjamin-Franklin-Effekt, ein psychologisches Phänomen. Unser auf Harmonie gepoltes Gehirn findet Menschen sympathisch, die uns um einen Gefallen bitten. „Wer auf seine Kompetenz angesprochen wird, fühlt sich wertgeschätzt und geschmeichelt nach dem Motto ‚ach das hast du dir gemerkt‘“, betont Ebner und hat noch einen weiteren Rat parat: Auch der Chef darf mal eine Aufgabe übernehmen, die „unter seiner Würde ist“. „Einfach mit anpacken, ein Bett schieben oder etwas anreichen. Eben mannschaftsdienlich sein, das kommt immer sehr gut an“, rät die Expertin.
„Es gibt immer was zu lernen“
Darüber hinaus empfehlen sich regelmäßige Supervisionen im Abstand von einem halben Jahr. Denn auch Teamdynamiken drehen sich bei Problemen im Kreis und finden nicht aus diesen Gedankenspiralen heraus. „Das passiert genauso wie bei jedem einzelnen Menschen, dass da immer ein ‚ja aber‘ kommt“, beschreibt die 58-Jährige. Dies lässt sich aber gut auflösen, wenn jemand mit der Sicht von außen die entsprechenden Fragen dazu stellt, wie: „Was wäre denn, wenn? Oder was ist das Schlimmste, was passieren kann?“ Manchmal kommen dabei echt schwierige Themen auf den Tisch, „einfach weil eine neutrale Person moderiert und dafür sorgt, dass jeder zu Wort kommt und es nicht zu turbulent wird“, erläutert Ebner.
Im Vorfeld könnten Vorgesetze überlegen, was das Thema in ihrem Team ist. Der Markt bietet inzwischen etliche Anbieter mit ganz spezifischen Unterstützungsangeboten für Teamentwicklung. „Außerdem gibt es immer was zu lernen“, da ist sich Ebner ganz sicher, denn: „Ein gutes Team zu werden und zu bleiben, bedeutet Arbeit. Es ist ein stetiges Zusammenfinden, sich neu einzunorden auf veränderte Verhältnisse, oft müssen auch Rollen angepasst werden.“ Die Mühe lohnt sich aber, denn: „Funktionierende Teams haben zufriedenere Mitglieder, weniger Fluktuation und eine höhere Produktivität.“
Fest steht, dass Teamwork gerade für den Krankenhausalltag wichtig ist. Denn bei Hektik potenziert sich alles. „Ob man von seiner Natur aus, eher ein verträglicher oder cholerischer Charakter ist, zeigt sich dann wie unter einem Brennglas. Unter Stress fühlen wir uns bedroht und fallen zurück auf unsere Steinzeiteigenschaften. Dann verlieren wir Menschen die äußere Hülle und offenbaren unseren inneren Kern.“ Der ist zu wesentlichen Teilen genetisch geprägt, was sich – in gewissen Grenzen – allerdings schon beeinflussen lässt.
Und wenn‘s nix nützt?
„Die meisten Menschen schreiben in ihre Bewerbung, dass sie teamfähig sind, aber wenn Sie mal ganz ehrlich sind: Sind Sie das wirklich?“, fragt die Fachfrau und ergänzt: „Ich habe auch im Lauf meines Lebens festgestellt, dass ich gar kein so guter Teamplayer bin. Doch das ist eigentlich gar nicht schlimm. Wir werten das nur immer negativ. Es braucht aber nicht an jeder Stelle gutes Teamwork.“ Und sich das mal einzugestehen, sei eben auch hilfreich – entweder, um zu merken, ich muss da noch etwas lernen oder für mich ist ein anderer Arbeitsplatz besser geeignet, zum Beispiel die Niederlassung. „Auch das ist eine wichtige Erkenntnis“, resümiert Ebner.
Die Expertin