Unangemessenes Verhalten: Wenn Ärztinnen und Ärzte sich daneben benehmen

16 Mai, 2022 - 07:01
Stefanie Hanke
Gruppe Chirurgen: Daumen runter

Jeder macht mal Fehler. Aber speziell von Ärztinnen und Ärzten erwarten viele ein korrektes und professionelles Verhalten. Dass das nicht immer klappt, geht aus einer aktuellen Medscape-Umfrage hervor. Danach haben mehr als 35 Prozent der Befragten schon Fehlverhalten bei Ärztinnen und Ärzten beobachtet oder selbst erlebt.

Ausraster, Mobbing, Diskriminierung: Die Bandbreite, wie Ärztinnen und Ärzte sich daneben benehmen können, ist groß. Laut Medscape-Umfrage haben 37 Prozent der Befragten schon Fehlverhalten am Arbeitsplatz beobachtet, 24 Prozent außerhalb des Jobs und 21 Prozent in den sozialen Medien. Bei der Frage, wer unangemessenes Verhalten schon selbst erlebt hat, liegen die Zahlen etwas niedriger: 30 Prozent berichten über Erlebnisse am Arbeitsplatz, zehn Prozent außerhalb des Jobs und fünf Prozent auf Social Media.

Beispiele für Fehlverhalten: Lästern, beleidigen, bloßstellen

Bei der Frage, wie dieses Fehlverhalten konkret aussieht, steht vor allem das Lästern über Patientinnen und Patienten ganz oben: So haben in den vergangenen fünf Jahren drei Viertel der Befragten (76 Prozent) davon erfahren oder es selbst erlebt, knapp gefolgt von Mobbing und Belästigungen von Kolleginnen und Kollegen (72 Prozent). Auch sexistisches oder rassistisches Verhalten kommt regelmäßig vor. In den Kommentaren konkretisierten die Teilnehmenden: "Lästern über Patienten mit Übergewicht", "Bloßstellen und Anschreien von Kollegen" oder "Operateur machte Witze über den Körperschmuck des Patienten" sind nur einige Beispiele. Auch die Teilnahme an Querdenker-Veranstaltungen wurde von den Befragten als unangemessen kritisiert.

Grafik "Medscape Report, Fehlverhalten von Ärztinnen und Ärzten im Job" zum Download (jpg, 209 KB)

Männer benehmen sich häufiger daneben

Und wer fällt besonders häufig durch Fehlverhalten auf? Die Umfrage zeigt deutlich: Drei Viertel derjenigen, die sich daneben benehmen, sind männlich (75 Prozent). Bei den Frauen waren es nur 21 Prozent. Dabei trat ein großer Teil der Fälle in den Altersgruppen 40-49 Jahre (49 Prozent) und 50-59 Jahre (47 Prozent) auf. Die Studienautoren geben aber zu bedenken, dass die Ergebnisse verzerrt sein könnten. Immerhin sind diese Altersgruppen bei Ärztinnen und Ärzten besonders stark vertreten.

Gründe für unprofessionelles Verhalten

Aber woran liegt es, dass sich Ärztinnen und Ärzte im Job so häufig daneben benehmen? Bei der Frage nach den möglichen Ursachen für das Fehlverhalten nannte ein Großteil der Befragten "Arroganz" an erster Stelle (60 Prozent). Mehr als die Hälfte konnte sich Faktoren wie "Persönliche Probleme außerhalb der Arbeit" (52 Prozent) und "Stress im Beruf" (51 Prozent) als Ursache vorstellen. Interessant: 40 Prozent machten geringe soziale Kompetenzen für das Fehlverhalten verantwortlich. Der Druck durch die Corona-Pandemie rangiert bei den möglichen Ursachen relativ weit hinten: Nur für 21 Prozent der Befragten kommt "Druck durch COVID-19" als mögliche Erklärung in Frage.

Grafik "Medscape Report, Gründe für Fehlverhalten von Ärztinnen und Ärzten im Job" zum Download (jpg, 173 KB)

Reaktionen auf Fehlverhalten

Von den Befragten, die Fehlverhalten bei anderen erlebt oder beobachtet haben, geht knapp die Hälfte den direkten Weg und spricht die Person darauf an (49 Prozent). 13 Prozent gaben an, die Vorgesetzten über den Vorfall informiert zu haben, ein Prozent zog einen anonymen Kontakt zu den Vorgesetzten vor. Zwei Prozent der Befragten wandten sich direkt an die Ärztekammer und ein gutes Drittel (36 Prozent) reagierte überhaupt nicht auf den Vorfall und tat nichts.

Aber haben Ärztinnen und Ärzte eigentlich eine Vorbildfunktion? Sprich: Sollen sie sich besser verhalten als die Allgemeinheit? Knapp drei Viertel (73 Prozent) legen einen hohen Maßstab an und erwarten von Ärztinnen und Ärzten ein grundsätzlich besseres Verhalten als von anderen. Übrigens: Selbstkritisch gaben nur 20 Prozent der Befragten zu, sich im vergangenen Jahr auch mindestens einmal unprofessionell verhalten zu haben. 80 Prozent beantworteten diese Frage mit "Nein".

An der Umfrage per Online-Fragebogen nahmen von Oktober bis Dezember 2021 1.144 Ärztinnen und Ärzte teil.

Quelle: Medscape Report 2022: "So schlecht und unangemessen benehmen sich Ärzte

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