Zusatz-Weiterbildung Diabetologie: Dauer, Inhalte, Voraussetzungen

24 Mai, 2023 - 07:24
Bianca Freitag
Arzt erklärt Patient den Umgang mit Insulin und Blutzuckermessgerät

Die sogenannte „Zuckerkrankheit" Diabetes mellitus besonders Typ2 rangiert in der heutigen Konsumgesellschaft als Volkskrankheit. In Deutschland leiden derzeit mehr als 8,5 Millionen Menschen daran. Der Bedarf an geschulten Diabetologinnen und Diabetologen ist also hoch und wird voraussichtlich noch steigen. Wie die Zusatz-Weiterbildung abläuft und welche Voraussetzungen es dafür gibt, erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Zusatz-Weiterbildung Diabetologie

  • Definition: Die Diabetologie beschäftigt sich mit der Erkennung, Behandlung und Rehabilitation aller Formen der diabetischen Stoffwechselstörung einschließlich ihrer Komplikationen sowie die Beratung und Schulung.
  • Voraussetzungen: Facharztanerkennung im Gebiet Allgemeinmedizin, Innere Medizin oder Kinder- und Jugendmedizin
  • Dauer: 12 Monate Diabetologie unter Befugnis an Weiterbildungsstätten
  • Anzahl der Ärzte: In Deutschland sind 3.931 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung "Diabetologie" bei den Kammern registriert (2022).

Allein deutschlandweit leiden etwa 7,2 Prozent der Erwachsenen im Alter von 18 bis 79 Jahren an Diabetes, 90 bis 95 Prozent von ihnen sind an Typ-2-Diabetes erkrankt. Pro Jahr kommen mehr als 600.000 Neuerkankungen hinzu, das entspricht etwa 1.600 Neuerkrankungen pro Tag. Und die Dunkelziffer derjenigen, die noch nicht von ihrer Diabetes-Erkrankungen wissen, wird auf noch einmal circa zwei Millionen geschätzt.

Diabetes mellitus ist ein Überbegriff für verschiedene Erkrankungen des Stoffwechsels, deren Hauptmerkmal die chronische Hyperglykämie (Überzuckerung) ist, weil Patienten einen Mangel am Hormon Insulin haben und/oder die Insulinwirkung vermindert ist. Bei Patienten mit Diabetes ist nicht nur der Kohlenhydratstoffwechsel, sondern auch der Fett- und Eiweißstoffwechsel gestört.

Welche Formen von Diabetes gibt es?

Grundsätzlich wird zwischen Typ-1 und Typ-2-Diabetes unterschieden. Es gibt jedoch noch weitere Formen:

  • Typ-1-Diabetes: Dieser Typ ist eine Autoimmun-Erkrankung, die meist im Kindes- und Jugendalter beginnt. Die Insulin-produzierenden Zellen in den sogenannten Langerhans´schen Inseln der Bauchspeicheldrüse werden durch das körpereigene Abwehrsystem zerstört. Dadurch produziert der Körper kein Insulin mehr, was zu einem absoluten Mangel führt, sodass die Brennstoffe aus der Nahrung nicht mehr verstoffwechselt werden können. Patienten mit Typ-1-Diabetes müssen daher lebenslang Insulin spritzen, um die Blutglukose möglichst stabil und normal zu halten. Dieser Typ betrifft etwa 0,3 bis 0,4 Prozent der Bevölkerung.
  • Typ-2-Diabetes: Dieser Typ ist die häufigste Form des Diabetes und betrifft etwa 90 Prozent der Patienten mit Diabetes. Bei Typ-2-Diabetikern ist die Wirkung des Insulins in den Körperzellen vermindert, gekoppelt mit einem gleichzeitigen Insulinmangel. Dieser Diabetes-Typ und dessen Vorstufen sind häufig mit anderen Problemen des Metabolischen Syndroms verknüpft. Zu 80 Prozent leiden Patienten mit Typ-2-Diabetes auch an Adipositas. Bekannt ist dieser Typ auch als „Altersdiabetes", doch in den letzten Jahren erkrankten auch zunehmend junge Erwachsene daran.
  • Schwangerschaftsdiabetes: Diese Form wird auch Gestationsdiabetes genannt und bezeichnet die Störung der Glukoseverwertung mit erstmaliger Diagnose des Diabetes während einer Schwangerschaft. Etwa 4 bis 5 Prozent der Schwangeren leiden darunter. Häufig sind Mütter über 30 Jahre betroffen, die selbst unter Übergewicht leiden oder schon ein Kind mit einem Geburtsgewicht über 4.000 Gramm bekommen haben. Meistens verschwindet der Schwangerschaftsdiabetes nach der Entbindung, doch die Chancen, später an Typ-2-Diabetes zu erkranken, sind erhöht.
  • LADA und MODY: Hierbei handelt es sich um Sonderformen des autoimmunen Diabetes im Erwachsenenalter. LADA (Late onset Autoimmunity Diabetes in the Adult) gehört zur Gruppe des Typ-1-Diabetes, da Autoantikörper (insbesondere GAD-Antikörper) gebildet und die Betazellen zerstört werden. Er wird häufig mit Typ-2-Diabetes verwechselt, da er charakteristisch im Erwachsenenalter auftritt.
    MODY-Diabetes (Maturity Onset Diabetes of the Young) beruht auf unterschiedlichen genetischen Defekten und wird von Generation zu Generation weitervererbt. Die genetischen Defekte bewirken, dass die Insulinproduktion der Betazellen in der Bauchspeicheldrüse eingeschränkt ist.

Therapie und Behandlung durch Experten nötig

Diabetes ist bislang nicht heilbar. Patienten müssen daher lebenslang von einem Experten oder einer Expertin betreut werden, um schwerwiegende Folgeschäden zu vermeiden und die richtige Medikation zu finden. Diese Expertinnen und Experten sind ausgebildete Diabetologeninnen und Diabetologen – Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin, Allgemeinmedizin oder Kinderheilkunde.

Je nach Diabetes-Form ist eine entsprechende Therapie nötig. Während Typ-1-Diabetes zwingend mit einer Insulintherapie behandelt werden muss, ist das Ganze bei Typ-2-Diabetes individuell. Als Basis gilt hier jedoch eine gesunde, ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung sowie das Vermeiden von Übergewicht. Bei etwa der Hälfte der Patienten lässt sich der Blutzuckerspiegel so positiv beeinflussen. Aufklärung und Vorbeugung sind laut Bundesministerium für Gesundheit die entscheidenden Stellschrauben zur Bekämpfung von Diabetes.

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Diabetologe werden: Die Zusatz-Weiterbildung im Überblick

Dauer der Weiterbildung

Die Dauer beträgt 12 Monate unter Befugnis an Weiterbildungsstätten.

Inhalte der Weiterbildung

Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Diabetologie

  • Differentialdiagnose des Diabetes mellitus sowie der Begleit- und Folgeerkrankungen, auch bei Kindern und Jugendlichen

  • Wirkungen, Interaktionen, Nebenwirkungen von Medikamenten bei Diabetes mellitus, auch unter Berücksichtigung des Ernährungszustandes

  • Diabetologische Notfälle

  • Indikationsstellung und Befundinterpretation von Labor-Diagnostik unter Berücksichtigung von Screening und Differentialdiagnostik sowie der Diagnostik von Folgeschäden

  • Durchführung des oralen Glukose-Toleranztests

  • Durchführung von Assessments einschließlich Beratung unter Berücksichtigung kultureller Besonderheiten, Reisen, Sport, Ernährungs- und Lebensweise, Beruf, Fahrtauglichkeit, Schwerbehinderung einschließlich Selbstmanagementfähigkeit

  • Maßnahmen der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention bei Diabetes mellitus und dessen Folgeerkrankungen

  • Grundzüge der Dialyse und Nierenersatztherapie

  • Vorbereitung und Nachsorge bei Transplantationen, insbesondere bei Niere und Pankreas einschließlich der Indikation zur Pankreas- und Inselzell-Transplantation

  • Transition einschließlich psychologischer und sozialmedizinischer Aspekte
    Auswirkungen der Diabeteserkrankung auf die Sexualität

  • Auswahl und Durchführung standardisierterSchulungen, davon

    • Hypoglykämieschulungen

Sekundäre und monogenetische Diabetesformen

  • Klassifikation der Formen des sekundären und monogenetischen Diabetes
  • Indikationsstellung zur genetischen Untersuchung und zur Beratung bei genetischen Diabetesformen

  • Indikationsstellung und Durchführung der spezifischen Therapie bei sekundären Diabetesformen

Psychodiabetologie

  • Partizipative Therapieplanung, Therapiemotivation, ressourcenorientierte Patientenansprache und Angehörigenberatung
  • Erkennung von psychischen Komorbiditäten und Anpassung der Diabetestherapie, z. B. bei Essstörungen und Depressionen
  • Erkennung von Hypoglykämie- und Hyperglykämie-Akzeptanzproblemen sowie Folgeerkrankungen und Anpassung der Diabetestherapie
  • Psychosoziale Beratung bei mangelnder Diabetesintegration und  Diabetesakzeptanz sowie zu Berufswahl und Schwerbehindertenrecht

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Allgemeinmedizin oder für die Facharzt-Weiterbiildungen im Gebiet Innere Medizin

Typ 1 und Typ 2 Diabetes sowie sekundäre Diabetesformen

  • Ersteinstellung mittels intensivierter Insulintherapie, Therapiefortführung und Therapieanpassung bei Typ 1 Diabetes (Richtzahl 50)
  • Therapieeinstellung und Therapieanpassung bei kontinuierlicher Blutzuckermessung (CGM) und Pumpen bei Typ 1 Diabetes (Richtzahl 10)
  • Diagnostik, Therapieanpassung und Nachsorge von Notfällen bei Hypoglykämien mit und ohne Bewusstseinsverlust, Ketoazidosen sowie bei diabetischem Koma
  • Diabetes bei Kindern und Jugendlichen
  • Nicht-medikamentöse und medikamentöse Therapieoptionen des Typ 2 Diabetes, z. B. OAD, GLP-1-Analoga, Insulintherapieregime
  • Diagnostik und Therapie bei Typ 2 Diabetes, metabolischem Syndrom und Adipositas
  • Prä-, peri- und postoperatives Diabetesmanagement
  • Indikationsstellung, prä- und postoperative Betreuung von Patienten bei bariatrischer Operation einschließlich Beratung zur Anpassung der Diabetestherapie und Ernährung
  • Interdisziplinäre Differentialdiagnostik und Therapie bei Folge- und Begleiterkrankungen, insbesondere
    • koronare Herzkrankheit und periphere
    • arterielle Verschlusskrankheit
    • Hypertonie und Gefäßkrankheiten
    • Hyperlipoproteinämie
    • Gicht und Hyperurikämie
    • nicht-alkoholische und alkoholische Fettleber
    • metabolisches Syndrom
    • Nephropathie
    • periphere und autonome Neuropathie
    • Retinopathie
    • entzündliche urologische und gynäkologische Erkrankungen
    • Dermopathie
    • Pankreatitis
  • Umstellung intensivierter Diabetestherapie bei Demenz und in Palliativsituationen
  • Langzeitbetreuung von Typ 1 und Typ 2 Diabetikern einschließlich Heimbetreuung, auch interprofessionell
  • Schulungen zu digitalen Anwendungen und aktuellen Diabetestechnologien
  • Diagnostik und Therapie des diabetischen Fußsyndroms einschließlich Schulung, Wundversorgung, Schuhversorgung, Prothetik

04.12.2023, Ketteler Krankenhaus gemeinnützige GmbH
Offenbach am Main

Diabetes und Schwangerschaft

  • Schwangerschaft bei Typ 1 oder Typ 2 Diabetes
  • Screening, Diagnostik, Schulung und Therapie des Gestationsdiabetes bzw. des Diabetes während der Schwangerschaft einschließlich der Anpassung der Medikation an die postpartale Stoffwechselsituation
  • Teratogeniätsrisiko der Medikamente und der Folgen von Hyperglykämie
  • Kontrazeption bei Diabetes
  • Polyzystisches Ovar-Syndrom
  • Fetale und maternale Risiken und Hinweiszeichenmvon akuten und Folgeerkrankungen, z. B.mpostpartale Depression

Spezifische Inhalte für die Facharzt-Weiterbildung Kinder- und Jugendmedizin

Diabetesformen im Kinder- und Jugendalter

  • Ätiologie, Differentialdiagnose, Verlauf, Therapieoptionen und Prognose bei Diabetesformen im Kindes- und Jugendalter
  • Langzeitversorgung von Kindern und Jugendlichen mit medizinischen, psychologischen und sozialen Bedürfnissen während der verschiedenen Krankheitsphasen, insbesondere in der Initial-, Remissions- und Postremissions-, Pubertäts- und Transitionsphase einschließlich Erstgespräch bei Manifestation des Diabetes mellitus
  • Ersteinstellung von Kindern und Jugendlichen mit Typ 1 Diabetes mittels intensivierter Insulintherapie, Therapiefortführung und Therapieanpassung (Richtzahl 25)
  • Betreuung von Patienten mit Insulinpumpentherapie (Richtzahl 25)
  • Langzeitversorgung mit einer intensivierten konventionellen Insulin-Therapie/Insulinpumpentherapie einschließlich Beratung hinsichtlich Therapie, Sport und Ernährung (Richtzahl 50)
  • Therapieeinstellung und Therapieanpassung bei kontinuierlicher Blutzuckermessung, z. B. sensorunterstützte Pumpen- und Insulintherapie, sensorintegrierte Pumpentherapie (Richtzahl 10)
  • Diagnostik sowie Therapieanpassung und Nachsorge bei Komplikationen und Notfällen unter Berücksichtigung von Risikofaktoren sowie von assoziierten Autoimmunerkrankungen (Richtzahl 10)
  • Prä-, peri- und postoperatives Diabetesmanagement (Richtzahl 5)
  • Betreuung und Beratung der Kinder und Jugendlichen und deren Eltern in Alltagssituationen
  • Umgang mit Diabetestechnologien im Kindes- und Jugendalter (Richtzahl 5)
  • Interdisziplinäre Behandlung bei Diabetes Typ 2, insbesondere im Hinblick auf die Transition
  • Molekulargenetische und immunologische Mechanismen diabetologischer Erkrankungen
  • Weiterführende Diagnostik und Therapie bei Diabetes Typ 3, z. B. monogentische Erkrankungen (Maturity Onset Diabetes of the Young, neonataler Diabetes)
  • Indikationsstellung zur weiterführenden Diagnostik bei Erkrankungen der Schilddrüse, Zöliakie, Adipositas und weiteren seltenen assoziierten Erkrankungen
  • Diagnostik und Therapie bei Hyperlipidämien und anderen metabolischen Risikofaktoren, z. B. Hypertonie

Quellen: Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2022, Deutsche Diabetes Hilfe, Deutsche Diabetes Stiftung

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