Zusatz-Weiterbildung Palliativmedizin: Dauer, Inhalte, Voraussetzungen

10 Mai, 2024 - 07:55
Stefanie Hanke
Palliativmedizin: Junge Ärztin betreut sterbende Patientin

Wer sich auf den Bereich Palliativmedizin spezialisiert, betreut schwerkranke Menschen am Ende ihres Lebens. Wie die Zusatz-Weiterbildung abläuft und wie lange sie dauert, erfahren Sie im Beitrag.

Auf einen Blick: Zusatz-Weiterbildung Palliativmedizin

  • Definition: In der Palliativmedizin geht es darum, Menschen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen Erkrankungen ganzheitlich zu behandeln. Ziel ist dabei nicht die Heilung, sondern die Behandlung von Schmerzen und anderen Beschwerden sowie die psychologische, soziale und spirituelle Begleitung.
  • Voraussetzungen: Facharztanerkennung in einem Gebiet der unmittelbaren Patientenversorgung
  • Dauer: 40 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Palliativmedizin, und zusätzlich 120 Stunden Fallseminare unter Supervision. Die Fallseminare können durch 6 Monate Weiterbildung unter Befugnis an Weiterbildungsstätten ersetzt werden.
  • Anzahl der Ärzte: In Deutschland sind 16.292 Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzbezeichnung "Palliativmedizin" bei den Kammern registriert. Davon sind 14.706 berufstätig.

Menschen zu heilen und ihnen zu helfen, wieder gesund zu werden: Dieser Anspruch ist tief verankert im Selbstverständnis von Ärztinnen und Ärzten. Doch am Ende eines Lebens kommt irgendwann ein Zeitpunkt, an dem das nicht mehr funktioniert: Therapien helfen nicht mehr, und die Hoffnung auf Heilung schwindet. An diesem Punkt kommt die Palliativmedizin ins Spiel: Hier steht nicht die Heilung im Mittelpunkt – es geht vielmehr darum, den Betroffenen ihre Situation zu erleichtern und ihnen eine gute Lebensqualität zu ermöglichen.

Ganzheitliche Versorgung von lebensbedrohlichen Erkrankungen

Wer sich auf die Palliativmedizin spezialisiert, hat es mit schwer kranken Patientinnen und Patienten zu tun. Die Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten in diesem Bereich ist es, diese Menschen am Ende ihres Lebens zu begleiten. Dabei geht es nicht allein um das körperliche Wohl der Patientinnen und Patienten. Zwar ist es natürlich auch Aufgabe von Palliativmedizinern und -medizinerinnen, Schmerzen und körperliche Beschwerden zu lindern – doch im Fokus ihrer Arbeit stehen außerdem auch psychische, spirituelle und soziale Aspekte des Sterbens. Sie helfen Patienten und Angehörigen ganz konkret dabei, mit den emotionalen und sozialen Belastungen umzugehen. Daher nehmen Psychologie, Spiritualität und das soziale Umfeld in der Zusatz-Weiterbildung Palliativmedizin auch einen wichtigen Stellenwert ein.

"Ich denke, dass mindestens 95 Prozent der Patienten, die ich betreue, am Ende „besser“, also weniger leidend gestorben sind, als wenn ich nicht da gewesen wäre. Das gibt mir eine gewisse Befriedigung und Sinn in meinem Tun", beschreibt der Palliativmediziner Dr. Matthias Gockel seine Arbeit.

Ambulante und stationäre Palliativversorgung

In Deutschland hatte die Palliativmedizin lange einen eher niedrigen Stellenwert. Erst 1983 wurde die erste deutsche Palliativstation in Köln gegründet. Inzwischen gibt es bundesweit etwa 350 Palliativstationen – rund 15 Prozent aller Krankenhäuser verfügen über so eine Station. Außerdem gibt es in Deutschland mehr als 250 stationäre Hospize. Seit 2007 gibt es darüber hinaus einen Rechtsanspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV), bei der Patientinnen und Patienten zu Hause, in einer Pflegeeinrichtung oder in einem Hospiz betreut werden. SAPV-Teams sind rund um die Uhr erreichbar.

Inzwischen zeigen aktuelle Studien, dass Patientinnen und Patienten mit Tumorerkrankungen davon profitieren, wenn Palliativmediziner frühzeitig in die Behandlung einbezogen werden – und zwar lange bevor alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. So heißt es beispielsweise in der S3-Leitlinie Palliativmedizin: "Allen Patienten soll nach der Diagnose einer nicht heilbaren Krebserkrankung Palliativversorgung angeboten werden, unabhängig davon, ob eine tumorspezifische Therapie durchgeführt wird."

Interprofessionelle Fachgesellschaft

Dabei wird in der Palliativmedizin die interprofessionelle Zusammenarbeit groß geschrieben. So ist beispielsweise die 1994 gegründete Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) die erste medizinische Fachgesellschaft in Deutschland, die neben Ärztinnen und Ärzten auch Angehörige anderer Berufsgruppen als Mitglieder aufnimmt. So können auch Pflegende aus dem Palliativbereich Mitglied werden. Die Gesellschaft hat aber auch Mitglieder aus den Bereichen Psychologie, Seelsorge, Pharmazie, Soziale Arbeit oder Physio- und Ergotherapie.

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Palliativmediziner werden: Die Zusatz-Weiterbildung im Überblick

Dauer der Weiterbildung

  • 40 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Palliativmedizin

und zusätzlich

  • 120 Stunden Fallseminare unter Supervision Die Fallseminare können durch 6 Monate Weiterbildung unter Befugnis an Weiterbildungsstätten ersetzt werden.

Inhalte der Weiterbildung

Übergreifende Inhalte der Zusatz-Weiterbildung Palliativmedizin

  • Grundprinzipien der Palliativversorgung
  • Komplexität bei Patienten mit unheilbaren fortgeschrittenen Erkrankungen und in der letzten Lebensphase
  • Einbeziehung und Unterstützung der Angehörigen
  • Versorgungskonzepte und Betreuungskontinuität
  • Strukturen der allgemeinen und spezialisierten Palliativversorgung
  • Besonderheiten der pädiatrischen und geriatrischen Palliativversorgung
  • Krankheit, Sterben, Tod und Trauer in verschiedenen Kulturen und Religionen

Grundlagen der symptomorientierten Behandlung

  • Kausale versus symptomatische Therapieoptionen, deren Angemessenheit, Nutzen und Risiken
  • Erstellung, kontinuierliche Überprüfung, Anpassung und Dokumentation von Therapieplänen mit palliativmedizinischer Intention einschließlich der Beurteilung der Angemessenheit von Therapiemaßnahmen, Therapiezieldiskussion, Therapiezieländerung mit kritischer Diskussion medizinischer Indikationen (Richtzahl: 20)
  • Management von körperlichen und psychischen Krisen (Richtzahl: 10)
  • Beratung und Unterstützung des Patienten in seiner Entscheidungsfindung sowie Einholung und Abwägung eines der aktuellen Situation angepassten (Behandlungs-)Auftrags des Patienten

Symptomlinderung und Behandlung palliativmedizinischer Krankheitsbilder

  • Pharmakologische und therapeutische Zusammenhänge einzelner belastender Symptome
  • Diagnostik, stadien- und bedarfsgerechte, differenzierte medikamentöse und nicht-medikamentöse palliativmedizinische Therapie belastender Symptome anhand mechanismen- und ursachenorientierter Therapiepläne
  • Erstellung von Protokollen zur palliativen Sedierung einschließlich kritischer Diskussion
  • Palliativmedizinische Therapie von Funktionsstörungen, z. B. maligne intestinale Obstruktion, Elektrolyt- und metabolische Störungen sowie von Organfunktionseinschränkungen und -ausfällen einschließlich der Ernährungs- und Flüssigkeitszufuhr in Relation zu Prognose und Patientenwillen
  • Zusammenhänge und Therapieoptionen palliativmedizinischer Krankheitsbilder
  • Diagnostik und Therapie palliativmedizinisch wichtiger Krankheitsbilder in Relation zu Prognose und Patientenwillen, insbesondere maligne Erkrankungen, Organinsuffizienzen, neurologische Erkrankungen einschließlich Demenz, hereditäre Erkrankungen, Anpassungsstörung und posttraumatische Belastungen

Soziales Umfeld des Patienten

  • Wiederkehrende Verhaltens- und Kommunikationsmuster in Familien
  • Einschätzung der Struktur und Tragfähigkeit des sozialen Umfelds des Patienten, Identifikation von Ressourcen und Verringerung von Defiziten, Organisation und bedarfsadaptierte Anpassung der Versorgungsstrukturen
  • Biographiearbeit
  • Erfassung der Familienstruktur, z. B. Genogramm
  • Berücksichtigung der Bedürfnisse der Angehörigen im Behandlungskonzept

Spiritualität

  • Lebensbilanz und Lebensidentität
  • Konzepte von Spiritualität, Leben, Krankheit, Leid und Tod, Religion und ihre Zusammenhänge
  • Beratung und Unterstützung des Patienten bei spirituell-existentiellen Fragen, beim Umgang mit Scheitern, Versagen und Schuld sowie bei existentiellen Ängsten und offenen Fragen über die Zeit nach dem Tod
  • Einleitung und ggf. Mitgestaltung kultureller und religiöser Sterbe- und Bestattungsriten

Anpassung, Bewältigung, Trauer

  • Beratung und Unterstützung bei Krankheitsbewältigung, Körperbildveränderungen und Trauer

Ethische und rechtliche Grundlagen

  • Ethische Bewertung und rechtliche Grundlagen der Entscheidungsfindung, Patientenautonomie, Vorausverfügungen, Behandlungsbegrenzung, Formen der „Sterbehilfe“, palliative Sedierung
  • Anwendung und Abwägen medizinethischer Prinzipien
  • Reflexion und Haltung zum Umgang mit Todeswünschen
  • Umsetzung von gesundheitlicher Vorausplanung

Kommunikation und Arbeit im Team

  • Kommunikationsmodelle
  • Kommunikation und Supervision im interdisziplinären und interprofessionellen Team zur Entscheidungsfindung einschließlich kollegialer Beratung
  • Kommunikation und wertschätzender Umgang mit den Gefühlen der Patienten und Angehörigen, auch mit kommunikationseingeschränkten Menschen, z. B. alte, behinderte und demente Menschen
  • Beratungsgespräche, z. B. Aufklärungs-, Entscheidungs-, Konflikt-, Angehörigen-Gespräche, Überbringen schlechter Nachrichten, Gespräche über medizinische und menschliche Versäumnisse und Fehler
  • Teilnahme an und Durchführung von Familiengesprächen
  • Förderung der Kommunikation der Betroffenen untereinander

Selbstreflexion

  • Reflexion der eigenen Grundhaltung und der eigenen Einstellung zu Sterben und Tod
  • Aktive Gestaltung von Entlastung und Abgrenzung

Quellen: Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer, Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2023, Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, Deutsche Krebshilfe
 


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